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Warum nur ließ Sigmund Freud 1933 Benito Mussolini ein Buch mit einer freundlichen Widmung zukommen? Hatte er nicht genau hingeschaut? Und hat sie ihm irgendetwas genützt? Roberto Zapperi, prominenter Ideenhistoriker, hat genau hingeschaut und eine Geschichte gefunden, die mitten hineinführt in das Europa zur Zeit des Faschismus und das antisemitisch unterlegte Moralkorsett von Kirche und Vatikan offenlegt. Den Kirchenmännern galt die Psychoanalyse als Teufelszeug, und so versuchten sie, die italienischen Behörden vor den Karren einer schmutzigen Kampagne zu spannen: gegen Freud und vorwiegend…mehr

Produktbeschreibung
Warum nur ließ Sigmund Freud 1933 Benito Mussolini ein Buch mit einer freundlichen Widmung zukommen? Hatte er nicht genau hingeschaut? Und hat sie ihm irgendetwas genützt? Roberto Zapperi, prominenter Ideenhistoriker, hat genau hingeschaut und eine Geschichte gefunden, die mitten hineinführt in das Europa zur Zeit des Faschismus und das antisemitisch unterlegte Moralkorsett von Kirche und Vatikan offenlegt. Den Kirchenmännern galt die Psychoanalyse als Teufelszeug, und so versuchten sie, die italienischen Behörden vor den Karren einer schmutzigen Kampagne zu spannen: gegen Freud und vorwiegend jüdischen Apostel. Am Ende musste der greise Freud das apostolische Österreich in Richtung London verlassen. Welche erstaunliche Melange an Personen aber sich vorher in dieser Sache beim Duce in Rom die Tür in die Hand gab, das lohnt wahrhaftig die Lektüre dieser glänzenden Fallstudie.
Autorenporträt
Roberto Zapperi, geboren 1932 in Catania auf Sizilien, studierte Geschichte und Kulturanthropologie. Er war Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin und Warburg-Professor in Hamburg und lebt heute als Privatgelehrter in Rom. Seine großen kunst- und kulturhistorischen Studien erscheinen im C.H. Beck Verlag, zuletzt "Die Päpste und ihre Maler" (2014).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Alan Posener kann mit Peter-André Alts gut 1000-seitiger Freud-Biografie nichts anfangen. Umständlich findet er sie, hagiografisch gar. Kritik an Freud, dessen gröbste Sünden - vor allem gegen Frauen - Posener kurz skizziert, käme Alt gar nicht in den Sinn, aber das, scheint Posener zu denken, kann man von einem Germanisten, der womöglich noch unter dem Einfluss Lacans stehe, nicht erwarten. Informativer fand Posener da schon nur 160 Seiten langen Band Roberto Zapperis zu Freud und Mussolini. Freud hatte dem Duce über Dritte ein Buch mit einer Widmung überreichen lassen, die in dem Diktator einen "Kultur-Heros" erkennt. Für Posener ist das ein Ausweis für Freuds Erkenntnis, dass Mussolini kein Hitler war, sondern vielleicht der einzige, der Hitler aufhalten könne. Ob er diese Erkenntnis aus dem Buch Zapperis hat, teilt er uns nicht mit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2016

Gruß aus der Berggasse
Roberto Zapperi widmet sich Freud und Mussolini

Kurz nach Erscheinen seines öffentlich geführten Briefwechsels "Warum Krieg?" mit Albert Einstein im Jahr 1933 sandte Sigmund Freud ein Exemplar nach Italien mit der folgenden handschriftlichen Widmung: "Benito Mussolini mit dem ergebenen Gruß eines alten Mannes, der im Machthaber den Kultur-Heros erkennt." Die merkwürdige Episode hat seit ihrem Bekanntwerden durch die Freud-Biographie von Ernest Jones zu vielfachem Rätselraten und den unterschiedlichsten, mitunter abenteuerlichen Deutungen geführt. Sahen die einen in der Widmung eine Anspielung auf die von Mussolini aufwendig geförderten archäologischen Ausgrabungen, die Freuds Sammelleidenschaft fesselten, argwöhnten andere, der Psychoanalytiker könnte womöglich ein heimlicher Sympathisant des faschistischen Regimes gewesen sein. Eine dritte Fraktion wiederum wollte in der Übersendung der pazifistischen Schrift mit der Adressierung Mussolinis als Kulturheld einen Akt subtiler Ironie erkennen.

In der vorliegenden kleinen Arbeit des Historikers Roberto Zapperi, die Anfang nächster Woche auf Deutsch erscheint, ist eine großteils bereits bekannte Dokumentation ausgebreitet, welche Freuds Widmung an den Duce nüchtern kontexualisiert. So erinnert Zapperi daran, dass sie die Antwort auf ein Widmungsexemplar eines Theaterstücks über Napoleons Herrschaft der Hundert Tage war, das Mussolini mit seinem Freund Giovacchino Forzano in propagandistischer Absicht verfasst hatte. Dessen Tochter Concetta wurde von dem Triestiner Psychoanalytiker Edoardo Weiss erfolglos behandelt, Anlass für einen Besuch der Patientin, ihres Vaters und ihres Analytikers in der Wiener Berggasse, um bei Freud therapeutischen Rat einzuholen.

Forzano und Mussolini hatten in der Widmung ihres Machwerks "Hundert Tage" Freud schmeichelhaft als Weltverbesserer tituliert und somit stand dieser (laut Weiss' späterem Zeugnis) bei dem Wiener Besuch der kleinen italienischen Delegation gewissermaßen in der Pflicht, mit einer ähnlichen Floskel der Eitelkeit des Duce Genüge zu tun.

Dass Mussolini von der Psychoanalyse nicht viel hielt und auch nicht gerade viel verstand (er bezeichnete sie kurz darauf als Betrug und eine Spielart des Kommunismus) und dass der aus Wien grüßende alte Freud kaum Sympathien für den italienischen Machthaber und seine zweifelhaften politischen "Kunststücke" (wie er sich brieflich ausdrückte) hegen konnte, wird niemanden überraschen und war auch bereits bekannt.

In seiner Interpretation der Episode schließt sich Zapperi vor allem der Auffassung des italienischen Historikers Michel David an, der in seiner immer noch maßgeblichen Studie über die Geschichte der Psychoanalyse in Italien (1966) Freuds Geste auf die politischen Ereignisse in Deutschland und die zunehmende Bedrohung durch Hitler bezogen hat. Wie anderen Intellektuellen erschien Mussolini dem Begründer der Psychoanalyse als Beschützer Österreichs, was sich bekanntlich als eine fatale Fehleinschätzung herausstellen sollte.

Zapperi ruft all dies jenen in Erinnerung, die im Geschichtsunterricht etwas versäumt oder stattdessen unter der Bank Nietzsche gelesen haben, wie etwa dem in Frankreich überaus populären Philosophen Michel Onfray. Dieser hatte Freud aufgrund der Mussolini-Widmung sogar unter Faschismus-Verdacht gestellt und damit eine seltsame Pariser Kleinkontroverse losgetreten. Wäre das Ziel historischer Forschung allein richtigstellende Belehrung, so könnte man Zapperis Buch damit beiseitelegen. Allerdings scheint er sich mit ihm doch etwas mehr vorgenommen zu haben. Letztlich geht es hier um die Frage, wie die Bezüge zwischen Katholizismus, Faschismus und der Psychoanalyse in Italien zu begreifen sind. Dazu wird jedoch wenig Überzeugendes vorgebracht, vor allem, weil die theoretischen und methodischen Besonderheiten der Psychoanalyse gänzlich unberücksichtigt bleiben und allzu konventionelle Muster der Geschichtsschreibung bemüht werden.

Zapperi scheut davor zurück, überhaupt auf das Werk Freuds oder anderer Psychoanalytiker einzugehen. Die Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, ihrer Theorien und Methoden in Italien wird so gut wie gar nicht erzählt. Sie scheint auf die Bemühungen einiger weniger Personen reduziert (wie Edoardo Weiss, Emilio Servadio oder Nicola Perrotti), die gegen den übermächtigen Widerstand des Faschismus, des Vatikans und des Idealismus der Schüler Benedetto Croces ankämpfen. Wie kompliziert die kulturellen Rezeptionsprozesse der Psychoanalyse in Italien verlaufen sind, insbesondere im Vatikan und in der katholischen Kirche, haben eine Reihe von neueren Studien gezeigt, zuletzt von Agnès Desmazières, die keine Erwähnung finden.

ANDREAS MAYER

Roberto Zapperi: "Freud und Mussolini". Psychoanalyse, Kirche, Faschismus.

Aus dem Italienischen von Ingeborg Walter. Berenberg Verlag, Berlin 2016. 160 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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