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Die Frage nach den politischen Dimensionen des Ästhetischen macht Signaturen der gegenwärtigen Moderne sichtbar, die deren einstiges Versprechen eines besseren, weil schöneren Lebens dementieren. Insbesondere die Unterwerfung tendenziell aller Lebensbereiche unter das Diktat von Ökonomie und Konsum vernichtet das Schöne in unserer Lebenswelt. Zunehmende Häßlichkeit ist das Gesicht einer Moderne, in der Freiheit und Verantwortung des einzelnen, seine Bildung und seine Religion, trotz gegenteiliger Bekundungen, nicht mehr zählen - Hybris der Moderne.Aus Quellen des europäischen Geistes seit 2500…mehr

Produktbeschreibung
Die Frage nach den politischen Dimensionen des Ästhetischen macht Signaturen der gegenwärtigen Moderne sichtbar, die deren einstiges Versprechen eines besseren, weil schöneren Lebens dementieren. Insbesondere die Unterwerfung tendenziell aller Lebensbereiche unter das Diktat von Ökonomie und Konsum vernichtet das Schöne in unserer Lebenswelt. Zunehmende Häßlichkeit ist das Gesicht einer Moderne, in der Freiheit und Verantwortung des einzelnen, seine Bildung und seine Religion, trotz gegenteiliger Bekundungen, nicht mehr zählen - Hybris der Moderne.Aus Quellen des europäischen Geistes seit 2500 Jahren gespeist, steht ihr entgegen der Entwurf einer anderen Moderne. Der Weg zu dorthin führt über individuelle Bildung als umfassender Formungsprozeß, der zentral auf dem Feld der Ästhetik stattfindet. Das "Ereignis des Schönen" verändert unser Bewußtsein und unsere Haltung in eine erneuerte Lebensform.Das Buch nimmt in seinen historischen Fallstudien die Kritik an der Entwicklung der Moderne seit ihren Anfängen auf und entwirft Brückenschläge zur Vormoderne. Auf diese Weise werden die Antike, insbesondere der griechische Bürgerstaat und die römische Monarchie, und ebenso die deutsche Klassik und Romantik um 1800 zur Quelle zukunftsöffnender Perspektiven auf eine andere Moderne.
Autorenporträt
Stahl, MichaelMichael Stahl, emeritierter Professor für Alte Geschichte an der TU Darmstadt, forschte zur griechischen Demokratie, zum augusteischen Prinzipat, zum Verhältnis von Kultur und Politik und zur Rezeption der Antike in der Moderne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2018

Mehr innere Haltung, bitte!
Der Althistoriker Michael Stahl denkt auf anregend provokative Weise über eine andere Moderne nach

Wie könnte sie denn nun aussehen, eine konservative Revolution? Das Wort ist vor kurzem wieder öffentlich geworden. Vermutlich hat Alexander Dobrindt damit aber eher unabsichtlich eine parteipolitische Provokation mit einem geschichtsträchtigen Gewicht beschwert. Was er meinte, nahm jedenfalls keine Verbindung auf zu dem 1927 im Audimax der Münchner Universität von Hugo von Hofmannsthal gehaltenen Vortrag "Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation", in dessen Zentrum der Begriff konservative Revolution stand. Von diesem Text aus nahm seine Wirkungsgeschichte ihren Lauf, einschließlich der Banalisierungen und politischen Verfälschungen, die ihn zum Feldzeichen schließlich auch der finstersten Fronten machten. Es ist also eher zweifelhaft, dass er sich als Bezugspunkt für konservatives Denken in unserer Zeit eignet.

Der Althistoriker Michael Stahl hat jetzt trotzdem diesen Versuch gemacht. Die Quellen, die er für seinen Entwurf einer "anderen Moderne" heranzieht, sind vielgestaltig. Von den klassischen Griechen, mit deren Mentalität und geschichtlicher Wirkung er sich in seinem akademischen Leben immer wieder beschäftigt hat, bezieht er eine politisch definierte Bürgeridentität, also die enge Verbindung zwischen politischem Engagement und sozialem Status. Mit Schiller und dem deutschen Idealismus um 1800 knüpft er an die Vorstellung einer "ästhetischen Erziehung des Menschen" zur Freiheit an. Das Diktum, nach dem innere Haltung nur durch die Auseinandersetzung mit dem Schönen zu gewinnen sei, wird bei ihm ergänzt um die romantische Idealvorstellung einer - nach Rudolf Borchardts Wort - schöpferischen Restauration von Vergangenheit.

Das Feindbild in Stahls Entwurf ist der Ökonomismus mit seiner "schrankenlosen Profitmaximierung" und seinem "unersättlichen Konsum". Aber Stahl geht über dieses übliche Motiv hinaus, wenn er Bildung als einzig wirksames Heilmittel ansieht, um Staat und Gesellschaft zu erneuern, was bei ihm vor allem heißt, beide Sphären wieder einander durchdringen zu lassen, auf dass sie - gut aristotelisch - zusammen wieder ein Gemeinwesen bilden. Mittels eines etwas abenteuerlichen historischen Vergleichs zwischen den Widerstandskämpfern des 20. Juli und dem Kreis um den jungen Octavian, die beide eine "Erneuerung durch historische Rezeption" im Sinn gehabt hätten, will Stahl den quasi katalytischen Sinn der Gemeinschaftsbildung vorführen.

Sieht man von den Anflügen von Sonntagspredigt und wohlfeiler Griesgrämigkeit ab, lässt sich aus dem Buch einiger Gewinn an anregender Provokation ziehen. Die "andere Moderne", über die Stahl nachdenkt, markiert für ihn eine geistesgeschichtliche, keine politische Wende. Was ihm vorschwebt, ist eine "metánoia des Geistes", eine kognitive Kehrtwende also, und keine "Umkehr der Verhältnisse". Daher auch seine sentimentalische Hoffnung, dass links und rechts in einem neu gewonnenen Sinn für das Schöne zusammenfinden könnten.

Dass Stahl beim Schönen ausschließlich an die Vormoderne denkt, spricht schon aus kulturgeschichtlichen Gründen gegen ihn. Der ästhetische Zeitstrahl endet nicht 1789. Und auch die Vorstellung, dass Schönheit nicht beobachterabhängig, sondern eine unerklärliche Wahrheit sei, die eine Letztbegründung nur in Gott finden kann, ist erkenntnistheoretisch zweifelhaft. Aber um Erkenntnis geht es diesem Buch ja auch nicht, sondern um (Selbst-)Behauptung. "Etiam si omnes, ego non" (Wenn auch alle dafür sind, ich nicht), diesen Bannerspruch des Außenseitertums, mit dem auch die rechtskonservative Zeitschrift "Sezession" wirbt, lässt der Autor über seinem Buch wehen. Aber statt "national" sagt er mit Hölderlin "nationell", statt von "deutscher Leitkultur" schwärmt er vom "unerschöpflichen Vorrat der europäischen Tradition", und statt von "patriotischer Pflicht" spricht er mit Guardini vom "Staat in uns". Nur mit solch vorsichtigen Worten lässt sich vom Bruch zwischen Vormoderne und Moderne sprechen. Denn er ist heute in erster und letzter Linie nur kulturell und nicht mehr politisch zu fassen.

SIMON STRAUSS

Michael Stahl:

"Das Schöne und die

Politik". Für eine andere

Moderne.

Verlag Text & Dialog, Dresden 2018.

288 S., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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