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Der Historiker Daniel Koerfer gehört zu den vehementesten Kritikern der einseitigen und verkürzenden Darstellung des Buches "Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik". In seinem Buch "Diplomatenjagd" untersucht er, wie ein verengter und tendenziöser Blick einen ganzen Berufsstand hat in Misskredit bringen können. Das Werk ist auch ein Lehrstück über grüne Geschichtspolitik.Der Autor legt mit "Diplomatenjagd" ein überfälliges Korrektiv zur einseitigen Darstellung der Geschichte des Auswärtigen Amts und seiner Diplomaten vor. Ein ehemaliger…mehr

Produktbeschreibung
Der Historiker Daniel Koerfer gehört zu den vehementesten Kritikern der einseitigen und verkürzenden Darstellung des Buches "Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik". In seinem Buch "Diplomatenjagd" untersucht er, wie ein verengter und tendenziöser Blick einen ganzen Berufsstand hat in Misskredit bringen können. Das Werk ist auch ein Lehrstück über grüne Geschichtspolitik.Der Autor legt mit "Diplomatenjagd" ein überfälliges Korrektiv zur einseitigen Darstellung der Geschichte des Auswärtigen Amts und seiner Diplomaten vor. Ein ehemaliger Außenminister hatte schon 2010 geurteilt: "Das Amt, wie es in dem Band aufscheint, ist nicht das Amt, dem ich die Ehre hatte, vorzustehen."
Autorenporträt
Daniel Koerfer, geboren 1955 in Bern, lehrt am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin als Honorarprofessor Neuere Geschichte und Zeitgeschichte. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen die Titel: "Kampf ums Kanzleramt - Erhard und Adenauer", "Die FDP in der Identitätskrise - Die Jahre 1966 bis 1969" und "Hertha unter dem Hakenkreuz - Ein Berliner Fußballclub im Dritten Reich". Gemeinsam mit Arnulf Baring ist er Autor der ZDF-Dokumentation "Wir fangen erst richtig an - Eine Bilanz der sozialliberalen Koalition". Er schreibt regelmäßig Beiträge für den Hörfunk und die Wochenzeitung DIE ZEIT, die F.A.Z. und andere überregionale Zeitungen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den Autor kennt Andreas Rödder als Skeptiker gegenüber der Historikerkommission, die 2010 die Rolle des Auswärtigen Amts im "Dritten Reich" zu beurteilen hatte. Dass die nun vorliegende Arbeit von Daniel Koerfer entsprechend polemisch, kritisch und nicht zurückhaltend daherkommt, überrascht den Rezensenten eher nicht. Koerfers Buch ist für ihn vieles: Geschichte der Historikerkommission, Gegendarstellung zum Bericht sowie Aufarbeitung der Debatte. Dass zum Kenntnisreichtum des Zeithistorikers Koerfler in diesem Buch Provokation und auch mancher Fehler hinzukommt (etwa in Form der These, es habe sich bei dem Bericht der Historikerkommission um eine "damnatio memoriae" gehandelt), ändert für Rödder nichts am Verdienst des Autors, hier grundsätzliche Fragen zur Debatte zu stellen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2013

Ein Bericht als Lehrstück des Opportunismus
Daniel Koerfer drischt nicht nur auf die "Großinquisitoren" der Historikerkommission des Auswärtigen Amts ein

"Das Auswärtige Amt war eine verbrecherische Organisation" - mit dieser medienwirksamen Formel legte eine Historikerkommission, die unter Joseph Fischer eingesetzt worden war, im Jahr 2010 ihr Ergebnis über deutsche Diplomaten im "Dritten Reich" vor. "Das Amt und die Vergangenheit", so der Titel des Kommissionsberichts, löste schon vor seinem Erscheinen eine turbulente öffentliche Debatte aus, zumal es nicht nur um die Rolle des AA im Nationalsozialismus ging, sondern ebenso um personelle Kontinuitäten in der Bundesrepublik. Mittäter beim Holocaust, so die Befunde, "hohe personelle Kontinuität mit teils schwer belasteten Diplomaten" nach 1945 und ein Erinnerungskartell, Persilscheine der "Mumien" (der aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Diplomaten) bis in die Gegenwart hinein: die Welle der öffentlichen Empörung über diesen zutage getretenen "Schmutz" (so Fischer) schlug hoch - bis sie unerwartet brach.

Es waren zunächst außeruniversitäre Historiker des "Spiegel" und der F.A.Z. sowie Daniel Koerfer (in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung), die Skepsis gegenüber dem Bericht der Kommission äußerten. Schließlich gelangte auch die institutionelle Fachwissenschaft zu einem zunehmend kritischen Urteil: Moniert wurden konzeptionelle, methodische und handwerkliche Mängel, innere Widersprüche und grundlegende sachliche Fehler (etwa zum Beschluss zur Ermordung der Juden), pauschale Verallgemeinerungen und tendenziöse Moralisierung statt systematischer Analyse - kurzum: "Das Amt" fiel als wissenschaftlich nicht ausreichend durch. Die dahinterstehende Geschichte hat Daniel Koerfer nun unter einem Titel thematisiert, der nicht gerade akademische Abwägung und Zurückhaltung erwarten lässt: "Diplomatenjagd".

Koerfer wurde in den achtziger Jahren mit einer Studie über den Machtkampf zwischen Ludwig Erhard und Konrad Adenauer promoviert und lehrt als Honorarprofessor Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin. Für sein jüngstes Buch sind zwei persönliche Aspekte wissenswert: Erstens steht Koerfer als Enkel des Diplomaten Gerhart Feine - der freilich selbst unbelastet war (vielmehr zur Rettung von ungarischen Juden beigetragen hatte) - in einer gewissen Nähe zu den Diplomaten, die "Das Amt" durchweg negativ beurteilt, ohne dass Koerfer ihnen unkritisch oder gar apologetisch gegenüberstünde. Zweitens ist er als Immobilienunternehmer unabhängig von den fachinternen beziehungsweise wissenschaftsinternen Netzwerken.

Und nun dieses Buch, das vieles in einem ist: Geschichte der Historikerkommission, Gegendarstellung zu ihrem Bericht und Aufarbeitung der Debatte um "Das Amt" - polemisch und subjektiv, zuweilen fehlerhaft und ausschweifend, parteiisch und provokativ, kraftvoll und kenntnisreich -, und es stößt, weit über "Das Amt" hinaus, grundsätzliche Fragen an. Koerfers These, es sei der Historikerkommission um eine "damnatio memoriae" der deutschen Diplomaten gegangen, ist dabei insofern unzutreffend, als es nicht um eine Auslöschung des Andenkens geht, sondern gerade um die öffentliche Ausstellung von Erinnerung. Eher trifft seine scharfe Formulierung von den "Großinquisitoren" ohne anwesende Angeklagte und Verteidiger den allgemeinen geschichtspolitischen Hintergrund, dass nämlich die deutsche Erinnerungskultur nach weitgehendem "Beschweigen" und kontroverser "Bewältigung" in eine dritte Phase der "Aufarbeitung" eingetreten ist, die sich in einem ritualisierten Konsens vollzieht, der zugleich seine eigenen Probleme hervorbringt.

Das gilt zumal, wenn diese Disposition auf einen entschlossenen politischen Willen trifft, wie es offensichtlich bei Joseph Fischer der Fall war, der mit der Einsetzung der Historikerkommission eine ganz eigene Agenda verfolgte. Fischer, der auf dem Weg vom Systemgegner durch die Instanzen an die Spitze des Auswärtigen Amts eine der bemerkenswertesten bundesdeutschen Karrieren durchlaufen hatte, verband dabei autodidaktische Lernfähigkeit mit unbedingtem Willen zur Macht und legendärer Egomanie. Mit zunehmender Amtszeit häuften sich dabei die Spannungen zwischen dem politischen Alphatier und der diplomatischen Traditionsbehörde. Schon in den ersten Jahren waren drei Konfliktfelder angelegt, die sich am Ende seiner Amtszeit überlagerten. Erstens verfügte Fischer schon 1999/2000, Einreisen aus Osteuropa auf eine Weise zu erleichtern, die kriminellen Praktiken Vorschub leistete und die sich 2005 als Visa-Affäre in einer schweren politischen Krise entlud. Zweitens wurde Fischers eigene politische Vergangenheit in der "Proletarischen Union für Terror und Zerstörung" und sein Verhältnis zur Gewalt zum politischen Thema. Dass er für sich selbst jenes Recht auf politischen Irrtum in Anspruch nahm, das er den Zeitgenossen des Nationalsozialismus nicht zubilligte, verband den Sachverhalt drittens mit der Nachrufpraxis für verstorbene Angehörige des AA.

Ende 2003 hatte Fischer verfügt, dass früheren Mitgliedern der SA, der SS und der NSDAP (also auch Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher) ein "ehrendes Gedenken" vorenthalten werden solle. Als dieser Erlass 2005 öffentlich bekannt wurde und eine viertelseitige Anzeige in der F.A.Z. den "Aufstand der Mumien" gegen Fischer signalisierte, als sich Widerspruch auch im Amt regte und Fischer zugleich mit der Visa-Affäre unter politischen Existenzdruck geriet, griff er zum Befreiungsschlag und setzte eine Unabhängige Historikerkommission mit dem Auftrag ein, die Geschichte des Auswärtigen Dienstes im Nationalsozialismus, den Umgang mit dieser Vergangenheit und die Frage personeller Kontinuitäten nach 1945 zu untersuchen.

Wenn Fischer im Nachhinein bekundete, das Ergebnis der Kommission habe für ihn von vornherein festgestanden, dann läuft dies dem wissenschaftlichen Grundgesetz des Bemühens um vorurteilsfreie Erkenntnis fundamental zuwider. Andererseits hat die eingesetzte Kommission fünf Jahre lang eigenständig, ohne Aufsicht und Einfluss des längst nicht mehr amtierenden Fischer, gearbeitet. Wenn das Ergebnis schließlich ganz in seinem Sinne ausfiel - "Jetzt haben sie den Nachruf bekommen, den sie verdienten", triumphierte Fischer -, stellt sich die Frage: Entspringt dieses Ergebnis solider empirisch-systematischer Analyse? Oder erfüllt es politische Erwartungen? Dass die fachwissenschaftliche Kritik erstere Möglichkeit verneint hat, wirft die noch grundsätzlichere Frage nach dem Verhältnis von politischen Erwartungen und intellektueller Unabhängigkeit auf.

Interesselose Autonomie hat Pierre Bourdieu als Grundlage intellektueller Legitimität herausgestellt. Zugleich ist die Geschichtswissenschaft mit vielfältigen und zunehmenden öffentlichen Erwartungen konfrontiert, für die zudem wachsende Mittel bereitgestellt werden: für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Ministerien, Behörden und Unternehmen, aber auch allgemein durch die wachsende Bedeutung von Drittmitteln, die zur Voraussetzung und Erfolgsprämie von Forschung geworden sind und deren Einwerbung von der Begutachtung durch Fachkollegen abhängt.

Diese Anreizsysteme konfrontieren Wissenschaftler schon in den Anfängen ihrer Forschungsvorhaben mit Erwartungshaltungen in Wissenschaft und Öffentlichkeit. Und es ist soziologisch evident, dass solche Erwartungshorizonte nicht weit offen sind, sondern abgesteckt werden durch das, was allgemein für richtig gehalten wird. Jedenfalls liegt - wie jeder Antragsteller weiß - ein Spannungsverhältnis zwischen der Antizipation von Erwartungen und vorurteilsfreier Erkenntnis. Das Ergebnis ist eine allgemeine Tendenz zur Konformisierung, wie es Gerhard Schulze formuliert: "Ritualisierter Konsens" tritt an die Stelle jener "organisierten Skepsis" gegenüber dem Vorgegebenen, die Wissenschaft eigentlich erst ausmacht und legitimiert.

"Hitlers willige Diplomaten, beschrieben von Fischers willigen Historikern", so lautet Koerfers bitteres, polemisches Urteil. "Das Amt" ist ein Lehrstück des Opportunismus, der auch vor späteren Spitzendiplomaten nicht haltmachte, als die Amtsleitung es im Mai 2012 vorzog, diffamierende Vorwürfe der Historikerkommission gegen das hauseigene Archiv unkommentiert zu lassen. Und dass der sich auftürmende "ritualisierte Konsens" um "Das Amt" vom Rande des disziplinären Fachs her in Frage gestellt wurde, spricht nicht dafür, sich allzu hoch über den Opportunismus der Opportunisten vergangener Zeiten zu erheben. Konformität ist etwas anderes als Integrität.

ANDREAS RÖDDER.

Daniel Koerfer: Diplomatenjagd. Joschka Fischer, seine Unabhängige Historikerkommission und "Das Amt". Strauss Edition, Potsdam 2013. 544 S., 24,90 [Euro].

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