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Europa steht am Scheideweg. Im Süden entfaltet der von Brüssel und Berlin verordnete Sparzwang verheerende Wirkungen auf breite Gesellschaftsschichten. Dabei wird die Demokratie systematisch übergangen oder gleich ausgehöhlt. Europas Bevölkerungen verlieren dramatisch an Ein?uss und büßen soziale Rechte ein. Obwohl diese Politik die Eurokrise weiter verschärft hat, soll sie auf europäischer Ebene verewigt werden.
Das Instrument hierzu ist mit dem Fiskalpakt auf Drängen der Bundesregierung und unter Umgehung des Europaparlaments längst geschaff en worden. Mit Spar- und Kürzungsprogrammen
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Produktbeschreibung
Europa steht am Scheideweg. Im Süden entfaltet der von Brüssel und Berlin verordnete Sparzwang verheerende Wirkungen auf breite Gesellschaftsschichten. Dabei wird die Demokratie systematisch übergangen oder gleich ausgehöhlt. Europas Bevölkerungen verlieren dramatisch an Ein?uss und büßen soziale Rechte ein. Obwohl diese Politik die Eurokrise weiter verschärft hat, soll sie auf europäischer Ebene verewigt werden.

Das Instrument hierzu ist mit dem Fiskalpakt auf Drängen der Bundesregierung und unter Umgehung des Europaparlaments längst geschaff en worden. Mit Spar- und Kürzungsprogrammen werden die Folgen der ökonomischen Turbulenzen auf die Bevölkerungen des Kontinents abgewälzt. In der schwersten Krise des Kapitalismus seit der Großen Depression erlebt Europa einen autoritären Schwenk. Diesen vorgeblich alternativlosen und unpolitischen Kurs beschreibt Steff en Vogel als Revolution von oben. Sie dient der Vorwärtsverteidigung jenes Status Quo, der in den vergangenen Jahrzehnten die oberen zehn Prozent immer reicher und mächtiger werden ließ. Die tonangebenden Krisenpolitiker handeln nach dem Motto, dass alles sich ändern muss, damit alles bleiben kann wie es ist.

Dabei radikalisieren sie den Neoliberalismus, dessen Rezepte maßgeblich zum Entstehen der Krise beigetragen haben. Aber der Umbau Europas ist weder abgeschlossen noch unangefochten. Der dominante Kurs hat geradewegs in die Rezession geführt, die soziale Spaltung verschärft und das politische System instabiler werden lassen. So könnte das Scheitern der Revolution von oben die Geburtsstunde eines 'sozialen Europas' sein - oder gar jener 'wahren Demokratie', die in den Zeltstädten auf Europas Plätzen gefordert wird.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Will man dem Kind einen Namen geben, muss es "Bankenkrise" heißen, meint Rudolf Walther und findet Bestätigung in Steffen Vogels Buch "Revolution von oben". Es ist keine Euro-Krise, weil ihre Ursachen zunächst herzlich wenig mit der gemeinsamen Währung zu tun haben, das so oft angerufene Nord-Süd-Gefälle begründet höchstens, warum bestimmte Länder in der Bankenkrise früher einbrechen. Es ist auch keine Staatsschuldenkrise, stimmt der Rezensent Vogel zu, weil der enorme Schuldenzuwachs das Ergebnis der Verstaatlichung privater Schulden, nämlich der Banken, ist. Vogels Buch liefert nicht nur eine übersichtliche "Chronologie der Krise", sondern erklärt auch hervorragend, wie das verquere Paradigma einer "marktkonformen Demokratie" zu eigentlich demokratiefeindlichen politischen Entscheidungen führt, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.11.2014

Austeritätspolitik – eine „gefährliche Idee“
Der schottische Politikwissenschaflter Mark Blyth hat eine fulminante Analyse der europäischen Bankenkrise veröffentlicht
Er beschreibt souverän und klug, wie die Länder der EU sich kaputtsparen. Nun ist sein Buch auch auf Deutsch erhältlich
VON STEFFEN VOGEL
Die Debatte über die richtige Wirtschaftspolitik nimmt in der EU an Fahrt auf. Europäische Politiker verschiedener Parteifamilien fordern seit dem Spätsommer verstärkt milliardenschwere Investitionsprogramme – so wollen sie eine Deflation abwenden. Hingegen lehnt die Bundesregierung die dazu nötige Schuldenaufnahme ab. Gerade auf ihr Betreiben dominiert in der Euro-Zone seit Krisenbeginn ein anderer Kurs. Lohnsenkungen, Ausgabenkürzungen und Defizitabbau sollen das Vertrauen der Unternehmer und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft steigern, nicht zuletzt, um Investitionen zu ermuntern.
  Landläufig gilt dies als Sparpolitik. Genauer spricht man von Austerität, und dieser „gefährlichen Idee“ widmet sich Mark Blyth in „Wie Europa sich kaputtspart“. In seinem neuen Buch argumentiert der Politikwissenschaftler pointiert und souverän gegen das Spardogma. Blyth betrachtet ebenso die praktische Umsetzung dieses Konzepts wie dessen theoretische Begründung vom klassischen Liberalismus bis heute.
  Ein zentrales Argument für die Austerität lautet, die hohen Staatsschulden seien für die ökonomischen Turbulenzen in der Euro-Zone verantwortlich. Dem widerspricht Blyth vehement. Die Krise, betont er, begann im Privatsektor. Europas Banken waren seinerzeit – und sind es noch – schlichtweg zu groß für eine Rettung. Daher mussten sie von den Regierungen gestützt werden.
  Blyth untermauert dies mit eindrucksvollen Zahlen. So beliefen sich in Frankreich 2008 die Gesamtaktiva der drei größten Banken auf mehr als das Dreifache der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes und lagen 2011 immer noch rund beim Zweieinhalbfachen. In der Bundesrepublik stiegen die Aktiva der Geldhäuser im selben Zeitraum von 114 auf 117 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, davon entfiel der Löwenanteil auf die Deutsche Bank. Und in Großbritannien brachten es die vier größten Institute 2011 zusammen auf stolze 394 Prozent des BIP.
  Einen großen Posten bilden dabei Schuldtitel peripherer Euro-Staaten wie Spanien. Diese Anlagen wurden zudem stark gehebelt, also künstlich aufgebläht, sodass schon kleine Wertverluste eine Bank in die Insolvenz treiben können. Abhilfe soll die Europäische Bankenunion schaffen, sie ist jedoch hoffnungslos unterkapitalisiert und wird erst in einigen Jahren einsatzfähig sein. Bis dahin müssen notfalls die Staaten als Stoßdämpfer einspringen – und dazu Geld aufnehmen können. Damit die Zinsen dabei im vertretbaren Rahmen bleiben, dürfen ihre Schulden nicht zu hoch sein. Europas Regierungen sparen, so Blyth, um auf weitere Schocks im Bankwesen antworten zu können.
  Wir haben es, schreibt der Politikwissenschaftler, mit einer „sorgfältig verschleierten Bankenkrise“ zu tun. Die Austerität ist „der Preis, den die Banken andere bezahlen lassen“. Nutznießer ist zudem jenes politisch sehr einflussreiche knappe Drittel der Bevölkerung, dessen Sparvermögen gemeinsam mit den Finanzinstituten geschützt wird – zulasten der weniger Wohlhabenden, die stärker auf sozialstaatliche Leistungen angewiesen sind.
  Eine solche Politik führt also nicht nur zu einer höchst ungleichen Lastenverteilung, weshalb sie in einer Demokratie auf die Dauer nicht durchzuhalten ist. Überdies erreicht die Austerität ökonomisch genau das Gegenteil ihrer proklamierten Ziele: Die Wirtschaft schrumpft statt zu wachsen, während die Staatsschulden weiter steigen. Blyth demonstriert dies überzeugend an Fallbeispielen aus den vergangenen hundert Jahren. Vermeintliche Erfolgsgeschichten erweisen sich entweder als empirisch schwach untermauert oder nicht verallgemeinerbar. Zur zweiten Kategorie zählt der Autor das oft bemühte Beispiel der baltischen Staaten. Die Austerität, unterstreicht Blyth, wird auch in der EU nicht funktionieren. Ohne Kurswechsel drohen weitere Verarmung, Deflation und politische Instabilität.
  Doch Blyth weiß um die Attraktivität dieser „gefährlichen Idee“. Sparappelle wirken intuitiv vernünftig und moralisch richtig. Zudem erlauben sie konservativen Kräften, den ungeliebten Sozialstaat zu attackieren. Tatsächlich steht hinter der Austerität eher eine ideologische Haltung denn eine ausgearbeitete ökonomische Theorie. Die zugrunde liegenden Annahmen und Präferenzen haben sich im liberalen Denken seit Jahrhunderten kaum verändert, wie Blyth im prägnanten ideengeschichtlichen Teil seines Buches zeigt. Das gilt für David Humes Überzeugung, der Staat neige zur Verschwendung, wie für Adam Smiths Loblied auf die persönliche Genügsamkeit.
  Jüngere Begründungen für die Austerität stammen nicht zuletzt aus der deutschen ordoliberalen Tradition: Ein steuerndes Eingreifen des Staates ins Wirtschaftsgeschehen lehnt diese Schule ab und setzt stattdessen auf verbindliche Regeln. Diesen Geist atmet etwa der von der Bundesregierung forcierte Fiskalpakt. Auch die eingeschränkten Möglichkeiten der EZB entsprechen ordoliberalen Vorstellungen.
  Als Alternative empfiehlt Blyth unter anderem neue oder höhere Steuern auf Finanztransaktionen und Vermögen. Mit Strukturreformen, die in Portugal oder Griechenland geboten seien, sollte erst im Aufschwung und vor allem aus eigenem Antrieb begonnen werden. Scharf und überzeugend kritisiert Mark Blyth auch hier die deutsche Position, die er für besonders schädlich hält. Sein kenntnisreiches Buch ist wichtig – und obendrein sehr zugänglich. Dafür bürgt neben dem klaren Stil des an der Brown University lehrenden Schotten sein immer wieder aufblitzender britischer Humor.
Mark Blyth: Wie Europa sich kaputtspart. Die gescheiterte Idee der Austeritätspolitik. Aus dem Englischen von Boris Vormann. Dietz, Bonn 2014. 352 Seiten, 26 Euro.
Steffen Vogel publizierte 2013 „Europas Revolution von oben. Sparpolitik und Demokratie in der Eurokrise“ (Laika-Verlag).
Die Einstellung der
Bundesregierung hält Mark Blyth
für besonders schädlich
Die hohen Staatsschulden, so meinen viele, seien für die ökonomischen Turbulenzen in der Euro-Zone verantwortlich. Dem widerspricht der Politikwissenschaftler Mark Blyth. Irrtum, sagt er, die Krise habe im Privatsektor begonnen: bei den europäischen Banken.
Zeichnung: Schopf
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