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Der Berliner Schriftsteller Jochen Schmidt hat zu jedem Buchstaben des Alphabets aus einem handelsüblichen Duden sieben Wörter im Abstand von jeweils vierzig Einträgen herausgeschrieben. Zu jeder der sechsundzwanzig alphabetischen Wortgruppen sucht er sich dann einen mit demselben Buchstaben beginnenden Vornamen aus, nach dem der Protagonist heißt, und formt daraus einen Zyklus winziger Erzählungen. Und dann kommt Line Hoven ins Spiel. Aus Schabekarton, in dem sie Weiß unter Schwarz freilegt, kratzt sie dazu eine Illustration, die die Anmutung eines sorgfältig gearbeiteten Holzschnitts hat.…mehr

Produktbeschreibung
Der Berliner Schriftsteller Jochen Schmidt hat zu jedem Buchstaben des Alphabets aus einem handelsüblichen Duden sieben Wörter im Abstand von jeweils vierzig Einträgen herausgeschrieben. Zu jeder der sechsundzwanzig alphabetischen Wortgruppen sucht er sich dann einen mit demselben Buchstaben beginnenden Vornamen aus, nach dem der Protagonist heißt, und formt daraus einen Zyklus winziger Erzählungen.
Und dann kommt Line Hoven ins Spiel. Aus Schabekarton, in dem sie Weiß unter Schwarz freilegt, kratzt sie dazu eine Illustration, die die Anmutung eines sorgfältig gearbeiteten Holzschnitts hat. Damit sorgt sie für eine inhaltliche Fortschreibung der Geschichte. Denn plötzlich haben Schmidts Protagonisten ein Gesicht, einen Habitus, eine Persönlichkeit. Und so erreicht der Begriff der Bildergeschichte eine neue Dimension - er wird zur Graphic Novel.
Autorenporträt
Line Hoven, geboren in Ost-Westfalen, hatte ihre Premiere bei Reprodukt bereits 2005 mit einer Kurzgeschichte in der Anthologie "Klassenfahrt". Nach Beiträgen in Magazinen wie "Orang" und "Strapazin" ist "Liebe schaut weg" ihre erste Buchveröffentlichung, die als Diplomarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg entstand.

Jochen Schmidt studierte Informatik, Germanistik und Romanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1999 erhielt er den Open-Mike-Literaturpreis der Literaturwerkstatt Berlin. Im selben Jahr gründete er die Lesebühne Chaussee der Enthusiasten mit. 2002 wurde er mit dem Publikumspreis des Steirischen Herbstes ausgezeichnet und 2004 mit dem Förderpreis zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. 2007 wurde er für den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nominiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.09.2011

Quappen und Quirlverleiher
„Dudenbrooks“ – Jochen Schmidt erzählt und Line Hoven illustriert „Geschichten aus dem Wörterbuch“
Dämlack, Bakschisch, Quappe, Waldesdunkel. Es gibt Wörter, auf die man unter normalen Umständen nie stoßen würde. Es sei denn, man spielt ein Spiel. Dieses hier zum Beispiel: „Jede Geschichte enthält sieben Wörter desselben Anfangsbuchstabens, wie sie im Abstand von jeweils 10, 20, 30 oder 40 Wörtern im Duden stehen.“ Eine Regel, die man wahlweise als ulkig, verrückt oder auf verschrobene Art als tiefsinnig bezeichnen könnte. In der Literatur- und Kunstgeschichte war traditionellerweise für so einen explosiven Mix der Surrealismus zuständig. Und tatsächlich bezieht sich das zitierte Spiel auf eine postsurrealistische Gruppe, die sich Anfang der 1960er den mysteriösen Namen „Oulipo“, die Abkürzung von „L' Ouvroir de Littérature Potentielle“, gab und der Größen wie Raymond Queneau, Italo Calvino und Oskar Pastior angehörten. Ihr berüchtigtster Text ist vielleicht Georges Perecs „La Disparition“, ein Roman, der gänzlich ohne den Buchstaben „E“ auskommt.
Möglich, dass der 1970 geborene Schriftsteller und studierte Romanist Jochen Schmidt deshalb einen besonderen Sinn für solchen höheren Sinn produzierenden Nonsens hat, weil er in einem inzwischen verschwundenen Land aufwuchs, in dem der Surrealismus in gewisser Weise zum Alltag gehörte: in der DDR; ein Land, in dem die Not zwangsläufig erfinderisch machte. DDR und Oulipo: In Schmidts Vorwort zu seinen Bildgeschichten um das Alphabet, das wunderbar poetisch aus der eigenen Biografie eine Poetologie entwickelt, ergibt sich dieser Zusammenhang wie von selbst. Und mit derselben Leichtigkeit schlägt der Autor nun aus dem sich selber auferlegten engen Wortkorsett Kapital. Aus seinen 26 Kürzesttexten aus drei, vier Sätzen, die um die aus dem Duden zufällig ausgewählten Wörter kreisen, hat er eine schräge Genealogie gebastelt: Jeder Buchstaben-Text handelt von einer Person, von Majoren, Quirlverleihern oder Schönheitsköniginnen mit Paparazzi-Problemen, deren Namen als Kapitelüberschrift dienen, von A wie Adam bis Z wie Zarah. Manchmal entstehen dabei kleine Romane: „Zarah. Die einen wollten den Zerlumpten in Zement werfen, die anderen dachten an Zervelatwurst. Aber dann traf Zarah ein, die Chefin des Kellnersyndikats, die so gerne aus der Bewirtungsverordnung zitierte. Sie zog an ihrer Zigarette und spielte mit der Kette aus Zechprellerzähnen, die ihren weißen Hals schmückte.“ Aber obwohl dieser angenehme absurd-groteske Humor alle Geschichten prägt, gäben die meisten dann doch nur, für sich genommen, wenig mehr als einen Gag her – wären da nicht die ganzseitigen Bilder Line Hovens, die die Texte begleiten.
Bereits mit ihrem Debüt-Comic „Liebe schaut weg“ sorgte Line Hoven 2007 für Aufsehen, was besonders an ihrer ungewöhnlichen Schabtechnik liegt, durch die ihre Bilder sowohl etwas von mittelalterlichen Holzschnitten als auch von der Eleganz von Werbegrafiken aus den 1950er Jahren haben. Erst durch Hovens Illustrationen werden hier die skizzenhaften Text-Gerippe zum Leben erweckt. Mal hält sich die Zeichnerin streng an die Geschichte, wenn man in einer Szene den von Jochen Schmidt beschriebenen depressiven Major auf seiner Couch unter Jagdtrophäen erblickt; mal gibt sie der Vorlage eine neue Wendung, etwa wenn bei Schmidt lediglich davon die Rede ist, dass „Franziska" für ihre „Fashion“ an der Werkbank arbeitet – und dann auf der entsprechenden Illustration ein Mädchen in einer unheimlichen Kruzifix-Fabrik sinnend eine Feile betrachtet.
In Anspielung an Thomas Mann heißt dieser Katalog von seltsamen Existenzen „Dudenbrooks. Geschichten aus dem Wörterbuch“. Für seine Lektüre muss man diese Art von absurdem Wortspiel mögen, hinter dem so mancher Abgrund lauert. Lässt man sich allerdings darauf ein, wird man von einem geradezu ideal gelungenen Zusammenspiel von Wort und Bild belohnt, wie man es äußerst selten findet.
THOMAS VON STEINAECKER
JOCHEN SCHMIDT / LINE HOVEN: Dudenbrooks. Geschichten aus dem Wörterbuch. Jacoby & Stuart, Berlin 2011. 64 Seiten, 19,95 Euro.
Ein geradezu ideal
gelungenes Zusammenspiel
von Wort und Bild
„Das Kantinenessen war heute ungenießbar, der neue Koch, ein Fanatiker mit einem Faible für Fenchel, machte Franziska fertig. Sie nahm sich ihre Feile und ging wieder an die Werkbank, heute würde sie keine Faxen machen. Sie brauchte das Geld für ihre Fashion.“ Abb. aus dem besprochenen Band
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

An die zwischen Nonsens, höheren Sinn und Absurdität pendelnden Texte der postsurrealistischen Gruppe Oulipo fühlt sich Thomas von Steinaecker bei der Lektüre von Jochen Schmidts "Geschichten aus dem Wörterbuch" erinnert. Die 26 nur aus zwei, drei Sätzen bestehenden Kurztexte des vorliegenden Bandes, die auf zufällig aus dem Duden ausgewählten Wörtern basieren, bieten in seinen Augen einen Reihe von schrägen biografische Skizzen über Majore, Quirlverleiher oder Schönheitsköniginnen. Diese zeichnen sich für Steinaecker zwar durch "angenehm absurd-grotesken Humor" aus, blieben aber ohne die Illustrationen von Line Hoven oft im Bereich des Gags. Mit großen Lob bedenkt er dann auch Hovens Illustrationen, die den Texten erst wirkliches Leben einhauchen.

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