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"Nun musste alles auf eine Karte gesetzt werden." "Die schreckliche Trauer, die von ihnen ausging." "Dro cho no son..." "Ich darf mich nicht verraten!" "Tsitt tsitt, tsött tsött, plöck plock, plock plöck." "Die Berge aber!" Sechs Sätze aus sechs Erzählungen der "Büchner"-Preisträgerin Brigitte Kronauer, die Sascha Hommer in Bildgeschichten übersetzt hat. Sie handeln von der Magie von Anfang und Ende. Von kindlichen Geheimwelten, eleganten Damen, tropfender Melancholie und dem befremdlichen Vorgang, der Wahrnehmung heißt. DRI CHINISIN ist ein eindrucksvoller Beleg der Möglichkeiten, die dem Zusammenspiel von Literatur und Comic innewohnen.…mehr

Produktbeschreibung
"Nun musste alles auf eine Karte gesetzt werden." "Die schreckliche Trauer, die von ihnen ausging." "Dro cho no son..." "Ich darf mich nicht verraten!" "Tsitt tsitt, tsött tsött, plöck plock, plock plöck." "Die Berge aber!"
Sechs Sätze aus sechs Erzählungen der "Büchner"-Preisträgerin Brigitte Kronauer, die Sascha Hommer in Bildgeschichten übersetzt hat. Sie handeln von der Magie von Anfang und Ende. Von kindlichen Geheimwelten, eleganten Damen, tropfender Melancholie und dem befremdlichen Vorgang, der Wahrnehmung heißt. DRI CHINISIN ist ein eindrucksvoller Beleg der Möglichkeiten, die dem Zusammenspiel von Literatur und Comic innewohnen.
Autorenporträt
Sascha Hommer, 1979 lebt als Comiczeichner in Hamburg. Er ist Mitherausgeber der Anthologie ORANG. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen INSEKT, VIER AUGEN und der Comic-Strip IM MUSEUM (mit dem Autor Jan-Frederik Bandel).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2011

Die schrecklichen Umzüge der verwöhnten Kinder
Zur Abwechslung mal eine gelungene Adaption: Sascha Hommers Graphic-Novel-Album „Dri Chinisin“ nach sechs Geschichten von Brigitte Kronauer
Das Adaptionsfieber geht um. Was im Film seit langem gang und gäbe ist, sorgt momentan im Theater für Aufsehen: Kaum ein deutscher Roman aus dem Literaturkanon, der nicht als bühnentauglich erachtet, kaum ein Bestseller, der nicht schon kurz nach Erscheinen dramatisiert werden würde. Und seit der Begriff der Graphic Novel den Comic der Belletristik angenähert hat, hat auch in der sogenannten Neunten Kunst die Bearbeitung bekannter Stoffe zugenommen. Ob freilich auf die jüngsten Graphic-Novel-Versionen von Franz Kafkas „Verwandlung“, Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ oder Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ dasselbe zutrifft, was der Autor und Dramaturg John von Düffel von Theateradaptionen behauptet, sie seien ein „Versuch der Selbstverständigung über gemeinsame Lektüreerfahrungen, gemeinsame Werte, gemeinsame Bildungsauffassungen“, scheint mehr als fraglich. Zu oft drängt sich der Verdacht auf, dass hier nur im Fahrwasser eines erfolgreichen Werkes geschwommen wird; wirken die Ergebnisse doch zumeist wie eine schnelle und oberflächliche Ersatzlektüre des Originals, was letztlich nur ein altes Vorurteil gegenüber dem Comic bedient. Kongeniale Umsetzungen wie Posy Simmonds „Gemma Bovary“ sind rar, das heißt Umsetzungen, die, statt sich werktreu an die Vorlage zu halten, das Spezifische des Comics betonen.
Die Texte Brigitte Kronauers scheinen auf den ersten Blick eine paradoxe Wahl für die Umwandlung in Bildsequenzen zu sein. Was Kronauer so einzigartig macht, ist ja gerade die Gewalt ihrer höchst artifiziellen Sprache, der meisterhafte Mix verschiedenster Stillagen, in dem minutiös beschriebene Bilder und scheinbar bekannte Handlungselemente aufblitzen, bevor sie wieder im rätselhaft Vagen verschwinden. Wie sollte man sich etwa die Visualisierung des folgenden Satzes aus der Geschichte „Die hohen Berge“ vorstellen: „Ich spürte, wie sich der Raum zwischen zwei Bergzügen, ein Hochtal, mit meiner Jugend anfüllte und mit Zeilen, die ich gelernt hatte zu meinem letzten Trost?“
Der 32-jährige Sascha Hommer, der hierzulande zu den engagiertesten und interessantesten Comic-Künstlern seiner Generation gehört, hat sich dieser an sich unmöglichen Aufgabe gestellt und jetzt ein Album nach sechs Geschichten Kronauers gezeichnet. Bereits vor vier Jahren veröffentlichte Hommer im Schreibheft eine Adaption von „Dri Chinisin“, ein abgründiger Kurztext, in dem Kindergartenkinder den Erwachsenen die süßen Kleinen vorspielen, in Wirklichkeit jedoch Böses im Schilde führen. Im Vergleich zur früheren Fassung, die mit starken Nahaufnahmen und Untersichten die Horrorfilmästhetik der Vorlage verstärkte, wirkt die Umarbeitung im vorliegenden Band noch einmal um einiges düsterer. Mit ihren Manga-Kulleraugen sehen Hommers Kinder buchstäblich schrecklich süß aus, wäre da nicht das vermeintlich harmlose „Drei Chinesen“-Lied, das sie hasserfüllt vor sich hinstottern. Die ungemein intensive Bilderzählung Hommers würde hier auch ohne die Begleitsätze aus Kronauers Text funktionieren, die nun, voneinander isoliert, in ihrer Präzision wie Gedichtzeilen wirken.
In jenen Geschichten, die eine lose Handlung erzählen, gelingen Hommer ähnlich überzeugende visuelle Kontrapunkte. Etwa in „Ende für einen Anfang“, wo die Erzählerin im Zoo auf die unglückliche Frau Blöcker trifft. Im Blick durch die Maschen der Käfige verwirren sich die Perspektiven; die Menschen erscheinen wie Cartoon-Figuren, die Tiere dagegen vital realistisch. In „Samstagabend“, einem Text über die Angst vor Konformismus, verwandeln sich in einer abstrakten Sequenz die Bonbons auf dem Fließband, an dem die Erzählerin arbeitet, in eine rollende Bowlingkugel, in ein Symbol für die Unaufhaltsamkeit des Schicksals.
Hommers stark formalisierte Schwarzweiß-Zeichnungen betonen die strenge Kühle des Artifiziellen in Kronauers Sprache und sparen das ironisch Barocke, das ihr auch zu eigen ist, aus. Nicht immer überzeugt dieser visuelle Ansatz. „Die hohen Berge“ ist bei Hommer eine kaum verständliche Wort-Bild-Sequenz, in der die Eindrücke einer Klettertour ziemlich schnell redundant wirken. Liest man die wesentlich komplexere Vorlage, türmt da die Erzählerin ein überwältigendes Wortgebirge auf, gemeißelt aus anrührenden Kindheitserinnerungen und tiefschürfenden metaphysischen Reflexionen. Auch lässt sich zwischen der ersten und letzten Geschichte des Comics kein wirklicher Bogen ausmachen, sodass der Auswahl der Texte etwas Willkürliches anhaftet. Angesichts der intensiven Atmosphäre der Bilder, der man sich nur schwer entziehen kann, fallen diese Schwächen jedoch kaum ins Gewicht. Sascha Hommer ist hier etwas Seltenes gelungen: Eine Adaption, die über weite Strecken neben der Vorlage bestehen kann.
THOMAS VON STEINAECKER
SASCHA HOMMER: Dri Chinisin. Nach Erzählungen von Brigitte Kronauer. Reprodukt Verlag, Berlin 2011. 80 Seiten, 14 Euro.
„Überall war Luft. Sie war zwischen alle Dinge gefüllt und passte sich ihnen so geschmeidig an, dass niemand behindert wurde. Man fühlte sie in der Nähe der Haut und hörte sie zischen.“ – Aus „Dri Chinisin“. Abb. aus d. besprochenen Band
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ole Frahm bricht in seiner durchweg hochgestimmten Kritik zu Sascha Hommers Comic-Adaption von Erzählungen Brigitte Kronauers einmal mehr eine Lanze für die graphische Literatur. Immer noch werde dem Comic Banalität und Kindlichkeit vorgeworfen, glaubt der Rezensent und findet, dass das vorliegende Buch geradezu vorbildlich einen "neuen Raum zwischen Schrift und Bild" öffnet. Wie Kronauers Erzählungen bewahren auch die Zeichnungen ihre Rätselhaftigkeit, ohne in Geraune umzuschlagen, lobt der Rezensent. Insbesondere in den aus kindlicher Perspektive erzählten Geschichten dringe etwas Unheimliches ein, dass Autorin und Zeichner bei aller präzisen Beobachtung in Andeutungen beließen, so Frahm fasziniert. Er findet Hommers Zeichenstil, der mit Rasterpunkten und schematisch-geometrischen Formen mit schraffierenden Überlagerungen arbeitet und damit wirkungsvoll jede Einfühlung in das Geschehen verhindert, sehr dazu angetan, dem Leser ein "intellektuelles" Vergnügen zu verschaffen, wie er betont.

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