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Der Teppichknüpfer Mendelmann ist konsterniert, als er feststellen muss, dass der Laden, in dem er seine kunstvollen Arbeiten zu verkaufen pflegte, quasi über Nacht nur noch industriell gefertigte Massenware führt. Im verzweifelten Ringen um einen Abnehmer für seine Teppiche sieht Mendelmann an diesem Markttag nicht nur die Existenz seiner Familie in Gefahr, sondern mehr und mehr auch die eigene Identität In klaren Bildern zeichnet James Sturm ein unsentimentales Porträt jüdischen Lebens im Osteuropa des frühen 20. Jahrhunderts. Zudem gelingt ihm eine zeitlose Erzählung darüber, wie…mehr

Produktbeschreibung
Der Teppichknüpfer Mendelmann ist konsterniert, als er feststellen muss, dass der Laden, in dem er seine kunstvollen Arbeiten zu verkaufen pflegte, quasi über Nacht nur noch industriell gefertigte Massenware führt. Im verzweifelten Ringen um einen Abnehmer für seine Teppiche sieht Mendelmann an diesem Markttag nicht nur die Existenz seiner Familie in Gefahr, sondern mehr und mehr auch die eigene Identität
In klaren Bildern zeichnet James Sturm ein unsentimentales Porträt jüdischen Lebens im Osteuropa des frühen 20. Jahrhunderts. Zudem gelingt ihm eine zeitlose Erzählung darüber, wie gesellschaftliche und ökonomische Zwänge sich im Schicksal jedes Einzelnen niederschlagen.
Autorenporträt
James Sturm, 1965 in New York, ist in den USA durch seine Trilogie JAMES STURM'S AMERICA bekannt geworden. Insbesondere der Band THE GOLEM'S MIGHTY SWING über ein jüdisches Baseballteam in den 1920er-Jahren erhielt breite Beachtung. James Sturm leitet zudem das Center for Cartoon Studies in Vermont.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2011

Knüpfmuster der modernen Zeit
„Markttag“ von James Sturm ist eine kunstvoll gewebte Graphic Novel, die die Arbeitsbedingungen von Künstlern, auch von Comic-Zeichnern, reflektiert
Ökonomie? Im Comic? Ist meistens kein Thema, so sehr sich das Themenspektrum des Mediums mittlerweile auch geweitet haben mag. Dabei sind die Arbeit und ihre Bedingungen zwei entscheidende Determinanten unseres Alltags. Dass eine Graphic Novel auch solche Gegenstände ebenso präzise wie anschaulich darstellen kann, zeigt nun der amerikanische Comic-Künstler James Sturm.
„Markttag“ spielt irgendwo in Osteuropa um 1900. Noch vor Morgengrauen bricht Mendelmann mit seinem Maultierkarren auf, um in der nächsten Stadt die Teppiche, die er geknüpft hat, zu verkaufen. Das tut er schon seit Jahren, aber diesmal ist alles anders. Der Händler, mit dem er seine Geschäfte zu machen pflegte, ist in den Ruhestand gegangen; sein Schwiegersohn, der den Laden nun führt, setzt auf billig produzierte Industrieware. Für künstlerisch anspruchsvolle und mit viel Aufwand hergestellte Arbeiten hat er nichts übrig. Also zieht Mendelmann weiter, von Kaufmann zu Kaufmann – und gerät in Verzweiflung: Für die Ware, die er herstellt, gibt es offenbar keinen Markt mehr.
Wie Massenwaren aufwendig gefertigtes Kunsthandwerk verdrängt, wird hier visuell erfahrbar. Die Handlung entfaltet sich im scharfen Kontrast von Fülle und Leere. Passagen, die wimmelndes Marktleben und ein mit Gütern vollgestopftes Kaufhaus zeigen oder die sprunghaften Gedanken des Teppichknüpfers illustrieren, wechseln ab mit solchen, in denen Mendelmann stumm durch die weite, spätwinterliche Landschaft zieht, vorbei an öden Feldern und kahlen Birken, die an Gerippe erinnern. Die Erschütterungen, die der fortschreitende Kapitalismus auslöst, bildet Sturm im Erleben des sensiblen Mendelmann ab, in dessen Wahrnehmungen und Reflexionen.
Dass historische Comics sich von der Kunst der Zeit, zu der sie spielen, inspirieren lassen, kommt immer wieder vor; oft führt das allerdings nur zu solidem oder geschmäcklerischem Epigonentum. Sturm aber geht geschickter vor. Er orientiert sich zwar dezent an der Graphik des Jugendstils. Zu den zeichnerischen Höhepunkten in „Markttag“ aber zählen die Momente, in denen ein rosa Streifen am frühmorgendlichen Himmel oder der Anblick der vielen Menschen auf dem Markt Mendelmann dazu anregen, sich Knüpfmuster für zukünftige Teppiche zu überlegen. Dann wandeln sich die Bilder vom Figurativen ins Abstrakte und führen zugleich in faszinierender Weise das Wunder künstlerischer Imaginationskraft vor.
Im Verlauf der Graphic Novel wird immer deutlicher, dass sich in ihr zwei Konflikte überlagern. Denn Mendelmanns Selbstverständnis als autonomer Schöpfer wird nicht nur vom Markt bedroht, sondern auch von einem aus vielen Künstlernovellen vertrauten Problem: Früher war Mendelmann allein; jetzt aber hat er eine Frau, die gerade ihr erstes Kind bekommt. Wie kann er mit seiner Kunst eine Familie ernähren? Wie den Anforderungen der modernen Zeit gerecht werden, ohne von seinen handwerklichen Ansprüchen abzulassen? Das bleibt am Ende offen. Unverkennbar ist aber, dass James Sturm in den Nöten seiner Hauptfigur auch auf die schwierige Lage anspielt, in der sich ambitionierte Comic-Zeichner, die keine Mainstream-Superheldenware liefern wollen, in den USA befinden. So ist in „Markttag“ vieles kunstvoll ineinander verwoben, wie in einem wertvollen Teppich.
CHRISTOPH HAAS
JAMES STURM (Text und Zeichnungen): Markttag. Aus dem Amerikanischen von Tina Hohl. Reprodukt Verlag, Berlin 2011. 96 Seiten, 20 Euro.
Die vielen Menschen auf dem Markt inspirieren Mendelmann zu neuen Knüpfmustern. Abb. aus dem bespr. Band
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als überaus "kunstvolle" Reflexion der Arbeitsbedingungen von Künstlern liest Rezensent Christoph Haas diese Graphic Novel von James Sturm. Im Mittelpunkt der irgendwo in Osteuropa um 1900 angesiedelten Geschichte sieht er den Teppichknüpfer Mendelmann, der seine aufwendig hergestellten Teppiche auf dem Markt nicht mehr los wird, weil die Händler auf billig produzierte Massenware setzen, und der darüber zunehmend in Verzweiflung gerät. Wie Sturm die Handlung im Wechsel zwischen regem Marktleben und einsamen Winterlandschaften entfaltet, scheint Haas höchst gekonnt. Besonders beeindruckt haben ihn die Szenen, in denen sich Mendelmann zu neuen Knüpfmustern inspirieren lässt, findet Sturm hier doch Bilder, die das "Wunder künstlerischer Imaginationskraft" vor Augen führen.

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