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Heidi Klum hat es geschafft: Das Thema Topmodel ist in aller Munde. Barbara Bongartz hat das Phänomen erforscht: »Ich wollte wissen, wer diese Ikone der Massen wirklich ist. Meine Porträtanfrage wurde von Günter Klum abgelehnt. Also begann ich, bei Castings, Modeschauen und Shootings zu recherchieren. Und stellte fest: Die Totalität des Traums, über einen Laufsteg zu schweben, auf einer Plakatwand zu flattern, das Gesicht einer Marke zu sein, erwischt alle. Es war schon immer mein Traum, mit Kleidern zu posieren, schrieb eine Leserin dem Frauenmagazin Brigitte, die ab 2010 ihre Fotostrecken nur noch mit Leserinnen bestreitet. Das Casting hat begonnen.…mehr

Produktbeschreibung
Heidi Klum hat es geschafft: Das Thema Topmodel ist in aller Munde. Barbara Bongartz hat das Phänomen erforscht: »Ich wollte wissen, wer diese Ikone der Massen wirklich ist. Meine Porträtanfrage wurde von Günter Klum abgelehnt. Also begann ich, bei Castings, Modeschauen und Shootings zu recherchieren. Und stellte fest: Die Totalität des Traums, über einen Laufsteg zu schweben, auf einer Plakatwand zu flattern, das Gesicht einer Marke zu sein, erwischt alle. Es war schon immer mein Traum, mit Kleidern zu posieren, schrieb eine Leserin dem Frauenmagazin Brigitte, die ab 2010 ihre Fotostrecken nur noch mit Leserinnen bestreitet. Das Casting hat begonnen.
Autorenporträt
Bongartz, Barbara
Barbara Bongartz, 1957 in Köln geboren, Studium u.a. der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Paris, München, Köln. Assistentin am Theaterwissenschaftlichen Institut, Universität Köln. Nach "Die Amerikanische Katze"und "Der Tote von Passy" erschien 2009 der Roman "Perlensamt" bei weissbooks.w, gefolgt von "TOPmodel" im Jahr 2010. Die Autorin lebt in Berlin und Duschanbe._
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2010

Der Krieg der Blonden gegen die Brünetten

Wo mit Blut, Schweiß und Tränen für das Glücksversprechen gezahlt wird: Barbara Bongartz hat über eine Model-Casting-Show eine hübsche Erzählung verfasst.

Der Catwalk ist antikes Erbe. Göttinnen, selbst wenn sie zunächst in unscheinbarer Gestalt erschienen, wurden vom Helden an ihrer Art des Gehens erkannt; meist indes zu spät, im Augenblick ihres Entschwindens. Und wie erst Venus, die Göttin der Schönheit! "Von ihm gewandt, erstrahlt sie mit rosigem Nacken, / Und vom ambrosischen Haar umhaucht den erhabenen Scheitel / Göttlicher Duft; das Gewand fließt tief hinab zu den Füßen, / Und im Gange verrät wahrhaft sie als Göttin sich." So schildert Vergil die Erscheinung, die dem Aeneas zuteil wird.

Auch die Schriftstellerin Barbara Bongartz schaut in ihrer kleinen Erzählung über die Models der Casting-Shows auf den Gang, und hellsichtig erkennt sie die kommende Königin Sasha, als diese noch ganz wie Aschenputtel bloß Hilfsdienste bei den Aufnahmen leistet und in Jeans, T-Shirt und Lederjacke (alles abgetragen) so gar keinen Glanz ausstrahlen will. Und doch: Da ist etwas noch nicht definierbar Besonderes, nicht nur in den Zügen oder in dem tiefschwarzen Haar, das so rätselhaft mit der hellen Haut kontrastiert, sondern im Bewegungsbild; nicht nur in der Physiognomik, sondern in der Expression - und sei es nur im schnellen, spontanen Sprung, mit dem sie die Absperrung überwindet. Der immer neue Blick auf Sasha, die Russin, ist eigentlich der Leitfaden des ganzen Buches.

Aber die Erzählung beginnt zunächst als Dokumentation, und man glaubt auf den ersten Seiten ein Stück des höheren Journalismus zu lesen. Heidi Klum - oder die Sphäre, der sie angehört, die Welt, die sie um sich herum geschaffen hat - steht im Mittelpunkt. Soll man von einem bösen Blick sprechen, den Barbara Bongartz auf diese Frau wirft? Sie beobachtet die unbeholfene Sprachgestalt ihrer Äußerungen ("mehr kreativ als wie die anderen") und die verräterische Versiegelung des Briefes, den sie auf ihre Gesprächsanfrage von Günter Klum erhält: "Rückseitig ist er mit einem dicken, pflaumengroßen, erdbeerroten Siegel aus Kunststoff beklebt. In der Mitte der Plastikmasse ist ein H eingedrückt. H für Heidi."

Man merkt schon an der Beschreibung, dass Barbara Bongartz andere Ideale der Schönheit hat, dass eine kulturkritische Distanz sie leitet. Für die Erzählerin sind es nicht die am Ende um die großen Versprechungen betrogenen Kandidatinnen des Fernsehens, von denen sie ihre Maßstäbe abnimmt, sondern die inzwischen klassisch gewordenen, eleganten, damen- und nicht mädchenhaften Mannequins der siebziger Jahre wie Inès de la Fressange.

Aber Barbara Bongartz ist nicht nur kulturkritisch intelligent, sie ist auch klug. Auf eine sehr merkwürdige Weise. Sie hat, wenn man das so sagen darf, einen Subtext, und dessen heimliches Hauptwort heißt Krieg, Krieg der Blonden gegen die Dunklen, der Kurz- gegen die Langbeinigen, der Russinnen gegen die Deutschen, derer, die ein Schicksal wirklich haben, gegen jene, die Schicksal im vorher abgeredeten Wettbewerb nur simulieren. Man glaubt, Nietzsche und Hitler mitzuhören, wenn es von den Mädchen heißt: "Was sie nicht umbringt, wird sie härter machen. Sie sind zäh"; oder wenn Heidi Klum "die Mädchen stählen will". Es fällt auch der Name Eva Braun. Die hintere Umschlagseite schildert die Szene, "wo mit Blut, Schweiß und Tränen für das Glücksversprechen gezahlt wird", in der Rhetorik Churchills.

Der zweite Teil, "Lilli" überschrieben, gibt eine ganz fiktive Karikatur der heute im Finale gipfelnden Fernsehsendung "Germany's Next Topmodel" und ist in seiner Verzerrung schwächer. Aber im dritten Teil hat Sasha ihren großen Auftritt, und gerade ein Fehler bringt ihre Schönheit zur strahlendsten Vollendung. Sie stürzt auf ihren Plateauschuhen - und erhebt sich in höchster, lässiger Eleganz. "Die Pervertierung des Sturzes, die Verdrehung einer Niederlage in einen Triumph hat sie in die Schlagzeilen gebracht." Man denkt bei dieser Szene an Naomi Campbell, die so stürzte, dass man davon auch dann noch reden wird, wenn es vielleicht keine Catwalks mehr gibt, aber auch an ein antikes Vorbild. Scipio, der Feldherr, der Karthago nehmen will, stürzt, vom Schiff kommend - ein übles Omen, das er wie Sasha in einen Triumph verwandelt, indem er, die Arme weit ausbreitend, ruft: "Teneo te, terra africana" - ich halte (oder gar: beherrsche) dich, afrikanische Erde." Die Rezepte für den wahren Erfolg ändern sich nicht.

LORENZ JÄGER

Barbara Bongartz: "Topmodel". Bruchstücke einer Karriere. Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2010. 95 S. br., 12,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kulturkritische Intelligenz und eine "merkwürdige" Klugheit attestiert Lorenz Jäger Barbara Bongartz angesichts ihrer Erzählung "Topmodel". Die macht er im heimlichen "Subtext" des Buchs aus, das den Modelwahn als "Krieg" inszeniert und an entsprechende Rhetorik anknüpft, wie der Rezensent herausstreicht. Wie eine Reportage komme das Buch zunächst daher, in der die Autorin nicht an hämischer Kritik an Heidi Klums sprachlichem Unvermögen spart. Den zweiten, mit "Lilli" überschriebenen Teil, der so etwas wie eine Model-Casting-Show-Karikatur darstellt, findet er zwar allzu überzogen und deshalb weniger gelungen. Dafür hat er sich dann von dem geradezu antike Größe ausstrahlendem Triumph einer russischen Anwärterin auf den Titel von "Germany's Next Topmodel" faszinieren lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH