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Das beste Tennismatch aller Zeiten. Niemals in der Geschichte des Tennis stand so viel auf dem Spiel Der weltbeste Tennisspieler gegen die Nummer zwei. Amerika gegen Deutschland. Demokratie gegen Faschismus. Das Daviscup-Match zwischen Gottfried von Cramm und Don Budge trug die Züge eines Titanenkampfes. Doch die Wahrheit war - wie so oft - weniger einfach. In Marshall Jon Fishers meisterlicher Darstellung des legendären Finalspiels treffen Sport und Geschichte, Politik und persönliches Schicksal unausweichlich aufeinander.

Produktbeschreibung
Das beste Tennismatch aller Zeiten. Niemals in der Geschichte des Tennis stand so viel auf dem Spiel
Der weltbeste Tennisspieler gegen die Nummer zwei. Amerika gegen Deutschland. Demokratie gegen Faschismus. Das Daviscup-Match zwischen Gottfried von Cramm und Don Budge trug die Züge eines Titanenkampfes. Doch die Wahrheit war - wie so oft - weniger einfach. In Marshall Jon Fishers meisterlicher Darstellung des legendären Finalspiels treffen Sport und Geschichte, Politik und persönliches Schicksal unausweichlich aufeinander.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2009

Der Herr mit dem Twist
Als der Baron dem sommersprossigen Arbeitersohn unterlag: Ein Tennisthriller um Gottfried von Cramm, das Dritte Reich und die Männerliebe Von Alexander Kissler
Ein symbolträchtiger Tag war der 20. Juli bereits 1937. Sieben Jahre, bevor das Attentat auf Adolf Hitler misslang, stand unter ganz anderen Vorzeichen, in ganz anderen Formen dieselbe Frage auf dem Spiel: Gibt es unter dem Druck der Diktatur menschliche, unverdorben lautere Reaktionsweisen? Am 20. Juli 1937 kämpfte auf dem Rasen von Wimbledon Gottfried von Cramm gegen Don Budge. In der Vorschlussrunde des Daviscups stand es zwei zu zwei. Wer dieses Spiel gewänne, hätte seiner Mannschaft den Titel gesichert. Im Finale warteten die als chancenlos geltenden Briten. Von Cramm spielte für Deutschland, Don Budge für die Vereinigten Staaten. Der Baron von Schloss Brüggen, gelegen „im herrlichen Leinetal am Fuße der Sieben Berge”, war kein Freund der Nationalsozialisten. Parteimitglied wurde er nie, von seinem Vater hatte er die Begeisterung für englische Lebensart übernommen. Bei einer Niederlage aber in diesem Match müsste er um sein Leben bangen. Die Gestapo hatte ihn schon einmal vorgeladen, er wurde beobachtet. Der Punkt, der ihn angreifbar machte, lag keineswegs offen zutage. Von Cramm war homosexuell.
In versunkene Zeiten führt das akribisch recherchierte Buch von Marshall Jon Fisher zurück. Damals war Tennis eine Angelegenheit für Amateure, man trug lange Hosen, hielt hölzerne Griffe, bei den Seitenwechseln nippte man am Earl Grey, und wenn kein Spiel unmittelbar bevor stand, ließen sich Champagner, Zigaretten und jede Menge Steaks problemlos in den Tagesablauf integrieren, knapp vor oder deutlich nach Mitternacht. So zumindest hielt es jener Mann, der „aus einem vornehmen Zeitvertreib für Adlige einen Wettkampf für Weltklasseathleten” gemacht hatte und von dem zuerst die Rede sein muss, William Tilden, genannt Big Bill.
Der Avantgardist einer neuen Ära saß an jenem 20. Juli 1937 auf der Tribüne und drückte dem deutschen Außenseiter die Daumen. Tilden teilte nicht nur die sexuelle Orientierung des 16 Jahre jüngeren Barons; „kaum jemand war bekannt, dass er mit den Deutschen trainierte”. Tildens große Zeit lag hinter ihm, die verborgene Trainertätigkeit war ein willkommenes Zubrot. Die zwanziger Jahre waren sein Jahrzehnt gewesen. Er blieb von 1920 bis 1926 praktisch ungeschlagen. Die Roaring Twenties schienen auch aus einem anderen Grund wie gemacht für den schlaksigen Dandy mit dem Hang zur Inszenierung. Ebenso globalhistorisch belegt wie individualbiographisch verbürgt sind „Weltmüdigkeit, Ablehnung althergebrachter Sitten und marktschreierischer Reklamerummel.”
Anhand von Aufstieg und Fall des William Tilden verschränkt der Publizist Marshall Jon Fisher überzeugend die Mikro- mit der Makrogeschichte, den privaten Rausch und die epochale Hybris. Der schauspielerische Weltzugang des Tennischampions, der mehrfach am Broadway auf der Bühne stand, wird zur Signatur einer trügerischen Zeitenwende. Was aber kam nach dem „Kanonenaufschlag” des exaltierten Selbstdarstellers aus Philadelphia, der noch auf der Highschool den Berufswunsch „Clown” angegeben hatte?
Die dreißiger Jahre brachten neue Helden. Plastisch lässt Fisher, der in seinen ausführlichen historischen Exkursen häufig Sebastian Haffner zitiert, das präfaschistische Berlin auferstehen. Es war die undeutscheste, die ausschweifendste aller deutschen Städte. Tilden fühlte sich hier wohl, von Cramm genoss fein dosiert. Berlin wartete Ende der zwanziger Jahre mit über 600 Nachtclubs auf, von denen 85 eine dezidiert lesbische Kundschaft anzogen. Das „grenzenlos offene, pansexuelle Nachtleben” bot auch ein Etablissement, das „von dicken alten Männern in Schuluniformen oder engen Matrosenanzügen aufgesucht wurde,” und ein anderes, das angeblich „nur Aktienhändler mit schütterem Haar bewirtete, die ihre bezaubernden Abende mit ,fein herausgeputzten Tunten’ verbrachten”. Fisher schließt knapp: „Homosexualität war in Berlin zu einer Mode geworden.”
Davon ist zu reden und auch von Don Budge, dem Jüngsten im Bunde, denn das Buch heißt im Original sehr zu Recht „A terrible splendor – Three extraordinary men”. Für die deutsche Ausgabe, die einige Kürzungen durchaus vertragen hätte, wurde von Cramm in den Fokus gerückt. Das trotz überbordender Detailfreude temporeiche Buch – wir erfahren sogar die Grasmischung von Wimbledon, „Poa pratensis oder Wiesen-Rispengras, Horst-Rot-Schwingel und Rot-Straußgras” – ist weder die Biographie des deutschen Tennis-Gentlemans noch ein Kapitel interkontinentaler Sportgeschichte. Es ist die Rekonstruktion eines Dreiecks, eines Beziehungsgeflechts, gemacht aus Ehrgeiz, Fleisch und Weltpolitik.
Zum Helden taugt durchaus Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt von Cramm. „Es gab auf dem ganzen Erdball keinen beliebteren Tennisspieler”, weiß Fisher, „entspannt, elegant, souverän”. Während der Autor seinen beiden Landsleuten vor allem den „Kanonenaufschlag” nachrühmt und ihm an Tildens Schiedsrichter- und Zuschauerschelte einiges missfällt, bleibt von Cramm tadellos. Seine „sagenhaften Stoppbälle”, der „berühmte Twist”, der „berühmte Kick-Aufschlag” und die „prachtvollen langen Schläge” machten aus dem Spiel des Barons ein Fest für Ästheten. Sein Gegner an jenem 20. Juli 1937, das sommersprossige Arbeiterkind mit der „monumentalen Rückhand”, war ein Widersacher von Format. Schnell zwar führte von Cramm mit zwei zu null Sätzen. „Zu den schwierigsten Aufgaben in einem Tennismatch gehört es, auch dann noch mit vollem Einsatz und unbändigem Siegeswillen anzugreifen, wenn man bereits mit zwei Sätzen führt.”
Da Fisher selbst Tennis spielt, kann er so schreiben. Sind aber auch die Sätze und Gedanken legitim, die er seinen drei Hauptfiguren nachempfindet und die zu einer Inflation des Adverbs „wohl” führen und insinuierender Floskeln wie „mag er gedacht haben” oder „durchaus möglich, dass”? Fisher problematisiert seine Methode. Aus der Luft gegriffen sei keine dieser Verlebendigungen, vielmehr „aus anderen Quellen abgeleitet oder zusammengestellt”. Der strenge Historist wird dennoch die Miene verziehen.
Tragisch ist das Ende von Tilden. Bis ins Alter von 53 Jahren bestreitet er, mittellos geworden, Schaukämpfe. Er lässt sich gehen, verwahrlost. Zweimal landet er wegen Pädophilie im Gefängnis. Er stirbt mit 60 Jahren an einem Herzschlag. Budge hingegen ist zweimal verheiratet, wird erfolgreicher Unternehmer und stirbt erst 2000, im Alter von 84 Jahren.
Gottfried von Cramm rechnet nach der unglücklichen Niederlage gegen Don Budge mit dem Schlimmsten. Die Gestapo besucht ihn wieder. Sein Doppelleben gerät ihm, formal mit einer Tänzerin verheiratet, zum Verhängnis. Der Kontakt zu Freund und Liebhaber Manesse Herbst, bekräftigt durch einen Denunzianten, wird als „Sittlichkeitsvergehen” ausgelegt. Der sportliche Ruhm lässt das Strafmaß auf ein Jahr Gefängnis in Moabit sinken. Nach sieben Monaten kommt er frei. Auch die drei Wochen an der Ostfront anno 1942 übersteht er glimpflich.
Vorangestellt sind dieser historischen Improvisation Zeilen aus „Macbeth” und die Hexenfrage, „wann treffen wir drei uns das nächste Mal / bei Regen, Donner, Wetterstrahl?” Shakespeare antwortet mit dem Ende der Schlacht, „noch vor Untergang der Sonnen”. Im Tennis und im wirklichen Leben kann jeder Untergang zur Morgenröte werden. Gottfried von Cramms Leben, halb eine causa victa, halb eine Heldengeschichte, legt davon Zeugnis ab.
Marshall Jon Fisher
Ich spiele um mein Leben
Gottfried von Cramm und das beste Tennismatch aller Zeiten. Aus dem Englischen von Clemens Brunn und Maximilien Vogel. Osburg Verlag, Berlin 2009. 418 Seiten, 22,90 Euro.
„Es gab auf dem ganzen Erdball keinen beliebteren Tennisspieler”: Gottfried von Cramm beim Daviscup-Interzonenfinale am 20. Juli 1937 in Wimbledon. Foto: The Granger Collection, New York / aus dem bespr. Band
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Marshall Jon Fisher zeichnet das Davis-Cup-Halbfinale zwischen dem Amerikaner Don Budge und dem Deutschen Gottfried von Cramm im Jahr 1937 als eine Metonymie, bei der der Wandel der Tennis-Welt gleichsam den der politischen Welt markeirt, konstatiert Rezensent Hans Ulrich Gumbrecht: Hier kristallisiere sich eine veränderte Außenwahrnehmung von NS-Deutschland ebenso wie ein veränderter öffentlicher Umgang mit Homosexualität. Denn der schwule deutsche Tennisstar wurde kurz nach und wohl auch aufgrund seiner Halbfinalniederlage verhaftet. Ein reiches Geschichtspanorama packt Fisher also in seinen Bericht dieser sportlichen Begegnung, lobt der Rezensent. Ein gar zu reiches vielleicht: Die Nacherzählung des Matches wird vom geschichtlichen Kontext ebenso in den Hintergrund gedrängt wie diese von jenem abzulenken droht, beobachtet Gumbrecht. Zudem sei die Aufmerksamkeit des Autors zwischen den Protagonisten - neben von Cramm und Budge kommt Tennislegende Bill Tilden als Betreuer hinzu - höchst ungleich verteilt. Vor allem über Tilden hätte Gumbrecht gern mehr gelesen.

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