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Die Bilder der Aburteilung und Hinrichtung der Ceausescus am 25. Dezember 1989 gruben sich als düsteres Negativ der samtenen Revolutionen tief ins kollektive Unbewusste mehrerer Generationen westlicher Fernsehzuschauer. Das International Institute of Political Murder - IIPM nahm dieses Ereignis zum Anlass umfangreicher Recherchen vor Ort. Die mit dem General, der die Ceausescus verriet, dem Soldaten, der sie erschoss und vielen weiteren Zeitzeugen geführten Gespräche ergeben ein Panorama des Untergangs eines der zugleich absurdesten und totalitärsten Regimes der Weltgeschichte. Die daraus…mehr

Produktbeschreibung
Die Bilder der Aburteilung und Hinrichtung der Ceausescus am 25. Dezember 1989 gruben sich als düsteres Negativ der samtenen Revolutionen tief ins kollektive Unbewusste mehrerer Generationen westlicher Fernsehzuschauer. Das International Institute of Political Murder - IIPM nahm dieses Ereignis zum Anlass umfangreicher Recherchen vor Ort. Die mit dem General, der die Ceausescus verriet, dem Soldaten, der sie erschoss und vielen weiteren Zeitzeugen geführten Gespräche ergeben ein Panorama des Untergangs eines der zugleich absurdesten und totalitärsten Regimes der Weltgeschichte. Die daraus entstandene Re-Inszenierung dieses letzten europäischen Schauprozesses wurde im Rahmen der rumänischen Voraufführungen kontrovers diskutiert."Die letzten Tage der Ceausescus" versammelt neben dem Prozesstransskript und den Gesprächsprotokollen zur rumänischen Revolution eine Fülle an Dokumenten aus Recherche und Inszenierung. Der reich bebilderte Band wird komplettiert von Theorie- und Sachbeiträgen von Friedrich Kittler, Andrei Ujica, Heinz Bude, Gerd Koenen, Ion Iliescu u. a. Das International Institute of Political Murder - IIPM (www.international-institute.de) wurde im Jahr 2007 mit Sitz in Berlin und Zürich gegründet, um den Austausch zwischen Theater, bildender Kunst, Film und Forschung auf dem Gebiet des Reenactments - der Re-Inszenierung geschichtlicher Ereignisse - zu intensivieren und theoretisch zu reflektieren.
Autorenporträt
Das International Institute of Political Murder IIPM (www.international-institute.de) wurde im Jahr 2007 mit Sitz in Berlin und Zürich gegründet, um den Austausch zwischen Theater, bildender Kunst, Film und Forschung auf dem Gebiet des Reenactments der Re-Inszenierung geschichtlicher Ereignisse zu intensivieren und theoretisch zu reflektieren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2010

Ein Wegschau-Prozess vor Fernsehkameras
Der Regisseur Milo Rau hat Material zu den letzten Tagen der Ceausescus zusammengetragen

Im April 1990, nur vier Monate nach dem gewaltsamen Tod Nicolae und Elena Ceausescus, fand in Budapest ein internationales Symposion statt, das sich mit der Rolle des Fernsehens in der rumänischen Revolution beschäftigte. Peter Weibel, der die Beiträge herausgab ("Von der Bürokratie zur Telekratie. Rumänien im Fernsehen", Merve Verlag 1990), stellte damals fest, dass sich ein neues Regime selten "so unverfroren der Massenmedien bedient (hat), um seine militärisch-politischen Ziele zu verfolgen: totalitäre Videokratie im Namen der Freiheit. Das Militär besetzte sogar die TV-Station, um dort seine militärischen Operationen zu koordinieren."

Dass der Machtwechsel nicht durch eine Revolution zustande kam, sondern durch einen mit Hilfe des Fernsehens durchgeführten Putsch eines Teiles der Nomenklatura, der Securitate und der Armee, um die Familiendiktatur Ceausescus zu beenden und dem Verlust der eigenen Macht vorzubeugen, wird heute nur noch von jenen bestritten, die es bestreiten müssen: von Ion Iliescu, Victor Stanculescu, Gelu Voican Voiculescu, Petre Roman, Virgil Magureanu und ihren Komplizen in der sogenannten "Front der Nationalen Rettung".

Jedes Jahr im Dezember wiederholt der rumänische Militärstaatsanwalt Dan Voinea, der dem "Prozess" gegen die Ceausescus beigewohnt hatte und seither vergeblich versucht, die Urheber der im Zuge des gewaltsamen Machtwechsels begangenen Verbrechen vor Gericht zu stellen, vor der Presse sein Mantra: Hinter den Massakern im Dezember 1989, vor und nach der Flucht und der Ermordung Ceausescus, standen dieselben Leute, die im Januar 1990 die Schlägerbrigaden der Bergarbeiter nach Bukarest holten, um die demokratische Opposition und die Studentenbewegung niederzuknüppeln. Nur einer von ihnen, der von Ceausescu noch am 22. Dezember 1989 zum Verteidigungsminister ernannte Stanculescu, befindet sich seit eineinhalb Jahren dort, wo er hingehört, nämlich im Gefängnis. Eine rückhaltlose gerichtliche Klärung und eine Bestrafung der Täter kann von der korrupten und politisch gegängelten rumänischen Justiz nach mehr als zwanzig Jahren systematischer Vertuschung nicht erwartet werden.

Historisch aber sind die Vorgänge im Dezember 1989 längst geklärt, und deshalb wundert es, dass die Ermordung des Ehepaars Ceausescu bisweilen immer noch als der Kulminationspunkt einer revolutionären Entwicklung missverstanden wird. Sogar von einem Schauprozess ist häufig die Rede, obwohl es sich viel eher um einen Wegschau-Prozess handelte. Das in einem kleinen Raum in einer Kaserne in Târgoviste tagende Militärtribunal machte sich nicht einmal die Mühe, Beweise zu fälschen. Es ging lediglich darum, einen politischen Doppelmord für die Zwecke des Fernsehens zu camouflieren. Dieselben Leute, die vor Ceausescus Flucht aus Bukarest und in seinem Auftrag auf die demonstrierenden Bürger geschossen hatten, übernahmen nun die Macht.

Der Nachweis, dass der Diktator tatsächlich tot war, musste rasch erbracht werden, weil sich die Putschisten über die Kräfteverhältnisse in der Armee und in der Securitate nicht im Klaren waren und einem Gegenschlag zuvorkommen wollten. Nach diesem Mord aber musste noch mehr Blut fließen, damit sich die neuen Machthaber vor den TV-Kameras als "Retter der Nation" erweisen konnten. Die offizielle Opferbilanz der rumänischen Revolution weist 1104 Todesopfer und 3352 Verwundete aus. 942 starben und 2251 wurden allerdings erst verwundet, nachdem Ceausescu und seine Frau am 22. Dezember aus Bukarest geflohen waren. Seinen eigenen Terror schrieb das neue Regime anonymen Terroristen zu.

Der Schweizer Regisseur Milo Rau hat die letzten Tage Ceausescus 2009 als "reenactment" inszeniert und das "Gerichtsverfahren" detailgetreu nachspielen lassen, halb als sozialtherapeutische Familienaufstellung, halb als posthistorisches Oberammergau, und das Ganze mit theoretischen Diskursen garniert, die jahrelange Beschäftigung mit unverdaulichen Texten vermuten lassen. Unter dem Titel "Die letzten Tage der Ceausescus" legt er dazu nun ein Buch vor. "Die Geschichte ist eine Schlange, sie kriecht vorwärts, in die Zukunft. Was sie zurücklässt, sind bloß Häute, Bilder, leere Hüllen, bewohnt von redseligen Ameisen", liest man da gleich schon zu Anfang.

Wer sich von solchen Sätzen nicht abschrecken lässt, wird belohnt, denn Rau hat gut recherchiert und wertvolles Material zusammengetragen. Schwerpunkt des Buches ist das Protokoll des "Gerichtsverfahrens" in Târgoviste. Ihm stellt Rau die Aussagen von zwei Protagonisten des demokratischen Widerstandes zur Seite, der Schriftstellerin Ana Blandiana und des Schauspielers Ion Caramitru, aus denen unter anderem hervorgeht, wie sich die "Front der Nationalen Rettung" ihrer bediente, um den Staatsstreich zu maskieren. Der Kasernenkommandant, einer der Fallschirmjäger, die das "Urteil" exekutierten, und Victor Stanculescu erzählen ihre Version der Ereignisse. Das Bild ändert sich dadurch nicht, aber ist nun reicher an Details und schärfer konturiert.

KARL-PETER SCHWARZ

Milo Rau: "Die letzten Tage der Ceausescus". Texte und Materialien. Verbrecher Verlag, Berlin 2010. 272 S., Abb., br., 13,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Detailreicher und konturenschärfer gerät dem Rezensenten das Bild der rumänischen Revolution und der Machenschaften der "Front der Nationalen Rettung" beim Lesen dieses Bandes des Schweizer Regisseurs Milo Rau. Für Karl-Peter Schwarz steht außer Zweifel, dass sich hinter dieser Front Militärs und Securitate-Leute verbargen, die das Diktatorenpaar Ceausescu nach einem "Wegschau-Prozess" ermorden ließen, um sich selbst an die Macht zu putschen. Dass der Text als Buchfassung zu Raus Re-Enactment der letzten Tage der Ceausecus und in teilweise schwer verdaulicher gewundener Sprache daherkommt, schreckt den Rezensenten nicht ab. Belohnt wird er mit gut recherchiertem Material zum Prozess gegen das Diktatorenpaar und mit von Rau dokumentierten Aussagen vonseiten des demokratischen Widerstandes über die Maskierungen des Staatsstreiches durch die "Front".

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