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Einmal haben sie sich nur getroffen, 27 Jahre lang verkehrten sie schriftlich miteinander: die Journalistin Margret Boveri (1900 - 1975) und der Schriftsteller Ernst Jünger (1895 - 1998). Boveri schätzte die Lektüre Jüngerscher Werke, als habe für sie "ein neues Leben begonnen". Jünger traf in Boveris Büchern so viele Bekannte, daß er "bald nach rechts, bald nach links zu grüßen" hatte. Dass Conrad Wilhelm Röntgen in Jüngers Geburtsjahr 1895 die nach ihm benannten Strahlen entdeckt hatte und zeitweilig Boveris Vormund gewesen war, war ein verbindendes Moment nach Jüngers Geschmack. Sie…mehr

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Produktbeschreibung
Einmal haben sie sich nur getroffen, 27 Jahre lang verkehrten sie schriftlich miteinander: die Journalistin Margret Boveri (1900 - 1975) und der Schriftsteller Ernst Jünger (1895 - 1998). Boveri schätzte die Lektüre Jüngerscher Werke, als habe für sie "ein neues Leben begonnen". Jünger traf in Boveris Büchern so viele Bekannte, daß er "bald nach rechts, bald nach links zu grüßen" hatte. Dass Conrad Wilhelm Röntgen in Jüngers Geburtsjahr 1895 die nach ihm benannten Strahlen entdeckt hatte und zeitweilig Boveris Vormund gewesen war, war ein verbindendes Moment nach Jüngers Geschmack. Sie diskutierten den Siegeszug der Naturwissenschaften, die Gefahren moderner Öffentlichkeit, probate Haltungen im Zeitalter totaler Politik und immer wieder Verrat und Widerstand im Dritten Reich: Orientierungsversuche in einem Biedermeier namens Bundesrepublik. - Der Band enthält neben dem Briefwechsel Boveris Rezensionen Jüngerscher Werke sowie korrespondierende Briefe von Armin Mohler, Paul Scheffer u. a.: "Ein ebenso beispielhaftes wie beispielloses Zeugnis des deutschen Konservativismus der Nachkriegsära". (Die Herausgeber)
Autorenporträt
Margret Boveri, geboren 1900 in Würzburg als Tochter des bekannten Biologen Theodor Boveri und der amerikanischen Biologin Marcella O'Grady, gestorben 1975 in Berlin. Studium an der Deutschen Hochschule für Politik und Promotion bei Hermann Oncken. 1934 bis 1937 Tätigkeit für das Berliner Tageblatt, ab 1938 für die renommierte Frankfurter Zeitung. 1935 kurze Haft im Gestapo-Hauptquartier. Korrespondentin in Stockholm und New York; nach ihrer Ausweisung aus den USA 1942 für kurze Zeit in Lissabon und Madrid. Ab 1945 freie journalistische Tätigkeit. Boveri verfaßte Berichte aus dem geteilten Berlin bzw. journalistische Arbeiten für die Badische Zeitung, den Kurier, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (ab 1956), Die Welt und Die Zeit.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.09.2008

Ein wenig fassungslos
Margret Boveri schreibt an Ernst Jünger
Einem Riesen nähert man sich auf Zehenspitzen. Von diesem kindlichen Gedanken beseelt, bewahrte sich die Publizistin Margret Boveri, berühmt in Nachkriegsdeutschland, bis zum Tod eine dankende Bewunderung für Ernst Jünger. Sein Werk habe ihr das eigene Leben entschlüsselt. Als sie ihn 1947 erstmals rezensierte, pries sie Jüngers Tiefenblick auf die „Umrisse von Ordnungen, wo die Mehrheit noch in heilloser Verwirrung lebt”. Das einzige Treffen der beiden, drei Jahre später, geriet zur Katastrophe. Sie war enttäuscht, er verstimmt. Wie überlebt man den Tod einer Begeisterung, von der man nicht lassen kann?
Dass Ernst Jünger im Tagebuch und im Brief fast alle geistesgeschichtlichen Felder des 20. Jahrhunderts weit ausschritt, zeigt sich etwa in den Korrespondenzen mit Stefan Andres, Gerhard Nebel, Carl Schmitt. Männer waren sie allesamt und keine Kritiker, keine Journalisten. Insofern hatte die 1900 geborene Tochter des Biologen Theodor Boveri, 1933 mit einer Arbeit über die britische Außenpolitik promoviert, einen schweren Stand. Der „erwählte Meister”, der eine „gar nicht zu ermessende Bereicherung und Verwandlung ihres Lebens”, so Boveri 1947, bewirkte, teilte ihr in souveräner Ironie mit: „Immer häufiger begegnet man jetzt unheimlich klugen Frauen – das ist auch ein Zeichen für die rapide Veränderung, in der wir begriffen sind – ob aber ein günstiges?”
Da schrieb man das Jahr 1954, es war der erste Brief nach einem sechsjährigen Schweigen Jüngers. Zwischen der Journalistin und dem Dichter stand mittlerweile der Schatten eines Nachmittags mit Mohrenköpfen und Schillerlocken. Bei diesem Gebäck hatten Herr und Frau Jünger Margret Boveri empfangen, Anfang 1950 in Ravensburg. Gravierendes fiel nicht vor, doch eben dieses enttäuschende Parlieren gestaltete Boveri breit. Sie verfasste einen Rundbrief über das Treffen. Einer der wenigen Adressaten aus ihrem Freundeskreis zeigte die Schilderung dem Chicagoer Verleger Henry Regnery, der sie veröffentlichen wollte. Boveri fragte bei Jüngers an und kam in allerschlimmste Wetter.
Privatsekretär Mohler war entsetzt, dass „Sie in undiplomatischer Weise Dinge weitergegeben haben, die als Hinweis unter vier Augen gedacht waren”. Ehefrau Gretha bekräftigte, „es wurde ein Fehler begangen insofern, als ein privater Brief an die Freunde durch die Weitergabe an Regnery in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde”. Man sei „ein wenig fassungslos”. Boveri antwortete sofort, selbstredend werde es zu keiner Veröffentlichung kommen.
Der Riese ließ also empfindlich reagieren. Er stutzte sich zurecht auf Menschenmaß. Verdenken kann man es ihm kaum. Der nun erstmals komplett abgedruckte Rundbrief, eine feine Ausgrabung aus der Berliner Staatsbibliothek, zeichnet kein schmeichelhaftes Porträt. Jünger, mit Augen „wie von vergeistigten Juden”, strahle eine „konzentrierte Schärfe” aus, der jede „füllende, ausgleichende Substanz” fehle – „so wie Salzheringe oder Sardellenpaste, man braucht viel Brot und Butter dazu, dann wird es ausgezeichnet, aber allein ist es nicht gut erträglich.” Sein „Hang zum lehrhaft-Katalogisierenden” trug dazu bei, dass „zwischen uns kein Funken übergesprungen ist”. Vielleicht müsse man „Mitleid mit ihm haben , es fehlt ihm der unmittelbare Kontakt zu den Menschen; er tut sich, glaub ich, schwer”. Beim Abschied von Ravensburg denkt Boveri, „der erfreulichere Besuch sei doch der des morgens gewesen, und der, der zu einer echten menschlichen Beziehung geführt habe”. Sie hatte bei dem Reformpädagogen Georg Picht gefrühstückt.
Ins menschlich Bedenkliche abermals abgeschoben: So wollte Jünger, der seit 1949 wieder in Deutschland publizieren konnte, nicht dargestellt werden. Ganz abbrechen ließ er den Kontakt aber nicht – auch dann nicht, als Boveri nach der Rundbrief-Affäre neue, sanft kritische Töne in ihren Briefen fand. Man sandte sich weiterhin die neuen Schriften, tauschte sich aus über Kirsch- und Mispelbäume, erkundigte sich nach dem Befinden, was Jünger die Gelegenheit gab, gegenüber der oft kränkelnden Boveri als Ausbund an Virilität zu erscheinen.
Boveris Hauptwerk, die vierbändige Geschichte des „Verrats im 20. Jahrhundert”, fand Jüngers Anerkennung. „Der Verrat”, bemerkte er im August 1956, „gehört zu unserer theologischen Situation. Das böse Gewissen ebenfalls. Und hinterher die Gewalt.” Treu blieb er seiner Briefgefährtin wohl auch deshalb, weil diese ihr Jünger-Bild 1932 beginnen ließ, mit dem „Arbeiter”, und so ihm jene Treue zu sich selbst bestätigen konnte, die eher Wunschbild denn Faktum war. In keine ihrer Rezensionen gelangte damit Jüngers soldatischer Nationalismus der zwanziger Jahre, die Glorifizierung des Frontsoldatentums und des deutschen Stoßtruppkämpfers als eines neuen Menschenschlags, dem Jünger 1925 attestierte, ein „neues, führendes Geschlecht in Europa” werden zu können, „furchtlos und fabelhaft, ohne Blutscheu und rücksichtslos”. Der „Arbeiter” löst beide Idealtypen ab und begründet Jüngers übernationales, ja planetarisches Denken im Zeichen von Mythos und Imperium – und seine endgültige Ablehnung des Nationalsozialismus. Diese Zäsur nimmt Boveri offenbar als Anfang, wenn sie zu Jüngers siebzigstem Geburtstag schreibt, er habe lebenslang sein „Schiff auf geradem Kurs gesteuert”.
Neben der Leidenschaft für Baum und Strauch, für ferne Länder und für Ordnungen jedweder Art eint Boveri und Jünger ihr „Doppelleben”. Boveri hatte das ihre eher harmlos im November 1957 beschrieben. Das Familiengut im fränkischen Höfen bei Bamberg bewohne nicht dieselbe Person, die den Rest des Jahres „das allgemein sichtbare Leben in Berlin” führt. In der Provinz, ohne Strom und ohne Wasserleitung, sei sie selbst „im Wesen, im Aussehen, im Gang sogar, ganz anders als in Berlin”. Jünger radikalisiert die Beobachtung zum Habitus. Man müsse „sich selbst objektivieren und zum Fetisch machen. Während die anderen sich damit beschäftigen, sitzt man behaglich in seinem Interieur und tut sich was Gutes an.”
Erkundung einer Leerstelle
Diese radikale Scheidung von inszeniertem Fremd- und verborgenem Selbstbild führt ins Zentrum der Jüngerschen Welterfahrung, wie sie Martin Tielke entwickelt. Der Germanist aus Aurich nimmt Boveris Leerstelle in den Blick, das Dritte Reich. Sie, die den Endkampf um Berlin bewusst in der Hauptstadt, die Zeit davor aber in New York, Lissabon, Madrid erlebt hatte, blendet die Hitler-Jahre weitgehend aus. Tielke untersucht sie anhand einer Frage, die Jüngers „Wendungen und Brüche” einbezieht und die ein neues Licht wirft auf den Streit um den Rundbrief: Wie privat darf eine politische Existenz sein?
In seinem behutsam argumentierenden, von kritischer Sympathie getragenen Essay entfaltet Tielke die Geschichte einer weiteren Freundschaftskrise, jener von Carl Schmitt und Ernst Jünger. Des „Kronjuristen” Propagandadienste für die Nationalsozialisten trübten das Verhältnis schon im August 1933, als Jünger ihm zur Emigration riet. Die Eskalation ereignete sich nach dem Krieg. Jüngers „Heliopolis” wurde 1949 als „privat und streckenweise öd belanglos” besprochen. Schmitt erschreckte darüber weit mehr als Jünger: „Dieses ,Privat‘ ist ein böses Stichwort. Ich verstehe etwas davon. Es hat mich tief beunruhigt.”
Diese Beunruhigung war Jüngers Sache nicht. Er hatte bekanntlich sein „Interieur”, in das dieser Vorwurf nicht eindrang, weil er es allem Äußerlichen überlegen wähnte. Schmitt hingegen, so Tielke, sah „nur darin, dass er nicht in die reine Privatheit absank, die Bedingung der Möglichkeit seines Überlebens in der Diktatur”. Der „Rest staatlicher Öffentlichkeit, wie pervertiert auch immer, konnte ihn retten”; der „Preußische Staatsrat” Schmitt blieb eine öffentliche Person trotz seines „beredten Schweigens” von 1936 an. Indem Jünger mit „Heliopolis”, seiner Parabel auf die Diktatur, öffentlich privat werden konnte, bestätigte er laut Tielke die „Hohlheit dieses Öffentlichen”, an dem Schmitts Leben hing.
Tielkes Verdienst ist die scharfe Konturierung einer „wechselseitigen Blindheit”. Schmitt hielt den ästhetisierten Rückzug des „militärisch verkleideten Intellektuellen” ins Innere für eine Flucht aus der Wirklichkeit. Jünger begriff nicht, weshalb der Jurist Kontakt halten musste zu einer verkehrten Öffentlichkeit, um vor ihr nicht ganz zu kapitulieren. Ihrer beider Freundschaft war damit Geschichte. Diese aber lässt sich nun – wie auch die Fortschreibung Jüngers durch Boveri – neu lesen: als dreifach verschiedene Antwort auf die Frage, welche Öffentlichkeit das politische Individuum herzustellen und welche es hinzunehmen hat. ALEXANDER KISSLER
MARGRET BOVERI, ERNST JÜNGER: Briefwechsel aus den Jahren 1946 bis 1973. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Vorwort versehen von Roland Berbig, Tobias Bock und Walter Kühn. Landtverlag, Berlin 2008. 334 Seiten, 34,90 Euro.
MARTIN TIELKE: Der stille Bürgerkrieg. Ernst Jünger und Carl Schmitt im Dritten Reich. Landtverlag, Berlin 2008, 144 Seiten, 24,90 Euro.
Auch ein recht abenteuerliches Herz: Margret Boveri Foto: oh
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2008

Zum Kaffee beim Fetisch

Ernst Jünger und die deutsche Journalistin Margret Boveri sind sich im Leben nur einmal begegnet. Dafür schrieben sie sich zwischen 1946 und 1973 Briefe. Jetzt liegt die aufschlussreiche Korrespondenz als Buch vor.

Immer häufiger begegnet man jetzt unheimlich klugen Frauen - das ist auch ein Zeichen für die rapide Veränderung, in der wir begriffen sind - ob aber ein günstiges?" Schade, dass die scharfsinnige Margret Boveri auf diesen nur halb ironischen Spruch Ernst Jüngers nichts erwidert hat. Er entstammt der Korrespondenz zwischen 1946 und 1973, die jetzt im Landtverlag erschienen ist. Es handelt sich um den ersten als Buch veröffentlichten Briefwechsel Jüngers mit einer Frau, auch um den ersten mit einer Journalistin.

Margret Boveri (1900 bis 1975) arbeitet während des Zweiten Weltkriegs unter anderem als Korrespondentin der "Frankfurter Zeitung" in Stockholm, New York und Lissabon. Die liberal geprägte Biologentochter ignoriert Ernst Jüngers Werk zunächst bewusst. 1941 jedoch, während einer vorübergehenden Internierung in Amerika als Angehörige einer Feindnation, liest sie die mystische Widerstandserzählung "Auf den Marmorklippen", wenig später den prophetisch-technokratischen "Arbeiter" sowie "Gärten und Straßen". Unter dem Eindruck der Lektüre und ihrer Erlebnisse vollzieht Boveri eine geistige Wende. Diese wird von den Herausgebern Roland Berbig, Tobias Bock und Walter Kühn im Vorwort allerdings nur unscharf konturiert. Als patriotische Konservative kehrt Boveri 1944 in Erwartung der Kapitulation nach Berlin zurück.

Nach dem Krieg wünscht sie wie Jünger einen deutschen Weg, der von den feindlichen Ideologien in Ost und West unabhängig ist. Während die Journalistin gegen die Teilung des Landes in zwei Staaten anschreibt, hält der metaphysische Weltdeuter jedoch Abstand zur Tagespolitik. Zudem ist er bis 1949 mit Publikationsverbot belegt. In dieser Lage sendet Boveri ihm 1946 ihre gerade veröffentlichte "Amerika-Fibel für erwachsene Deutsche". Die renommierte Außenpolitikexpertin nähert sich dem fünf Jahre älteren Schriftsteller als unterwürfige Bewunderin: Seine Bücher hätten ihr "ein neues Sehen beigebracht", in dem sie freilich "immer ein bescheidener Anfänger bleiben werde". "Ich würde also am liebsten täglich einen fast kultischen Lob- und Dankgesang an Sie anstimmen." Der demütige Tonfall der ersten Briefe ist vermutlich ebenso aufrichtig wie taktisch. Einerseits bietet die Absenderin dem vielfach angegriffenen Autor ihre Unterstützung "als Mitglied des Fußvolks" an. Andererseits hofft sie, "dass Sie einmal direkte Losungen ausgeben". Ernst Jünger springt auf diesen Versuch einer politischen Aktivierung nicht an, reagiert aber wohlwollend. Er nutzt die "Amerika-Fibel" zum Studium des "Maschinenmenschen in seinem optimalen Lebensraum" und verkündet: "Ich stelle Ihr Bändchen in meine Bücher ein."

Im März 1950 kommt es zur einzigen Begegnung der Briefpartner. Margret Boveri notiert nach ihrem Besuch in Ravensburg: "Es ist zwischen uns kein Funken übergesprungen." Das eigentlich belanglose Treffen bei Kaffee, Schillerlocken und Mohrenköpfen hat ein Nachspiel: Boveri schildert es befreundeten Journalisten in einem Rundbrief und erwägt dessen Veröffentlichung. Der Text enthält für den Gastgeber Unschmeichelhaftes. Jünger strahle eine konzentrierte Schärfe aus, "so wie Salzheringe oder Sardellenpaste, man braucht viel Brot und Butter dazu". Auch heißt es, "dass man vielleicht Mitleid mit ihm haben müsse; es fehlt ihm der unmittelbare Kontakt zu den Menschen; er tut sich, glaub ich, schwer". Boveri beobachtet hier mit dem überfeinen Sensorium einer Verletzten. Einerseits schämt sie sich, im Gespräch mit dem Literaten "versagt" zu haben, andererseits ist sie nach dem Kennenlernen desillusioniert. Ernst Jünger schweigt zu der Sache, seine Frau Gretha und sein Sekretär Armin Mohler hingegen äußern sich pikiert: weniger über den Inhalt des Briefs als darüber, dass die vereinbarte Diskretion nicht eingehalten wurde. Auf Margret Boveris Reue folgt jedoch schnell Verzeihung.

Ihr Verhältnis zu Ernst Jünger hat sich infolge der Begegnung jedoch entscheidend verändert. Der Respekt bleibt erhalten, doch der Hausgott ist vom Altar gestürzt. Das macht sich nicht nur im entspannteren Ton des weiteren Briefwechsels bemerkbar, sondern auch in den Rezensionen, die Boveri - vor allem im "Kurier", im "Merkur" und in dieser Zeitung - über Jüngers Werke publiziert. Die vor dem Besuch verfassten Texte bieten ehrfürchtige Nacherzählungen, die späteren entwickeln kritisches Selbstbewusstsein. Kurz vor ihrem Tod zitiert Margret Boveri zustimmend Eugen Gottlob Winkler: "Jünger kann nicht widerlegt werden, sondern nur überwunden werden." Zugleich betont sie dessen Integrität.

Der vorliegende Band beschränkt sich, was die Anmerkungen betrifft, angenehm auf das Notwendige. Die eigentliche Korrespondenz ist recht umfangarm; siebenundvierzig Beiträge stammen von ihr, fündundzwanzig sind von ihm. Da der Rundbrief, die Rezensionen und Schriftverkehr mit Dritten einbezogen wurden, ergibt sich dennoch ein aufschlussreiches Bild. Gelegentlich widersprechen möchte man allerdings überspitzten Formulierungen im Vorwort. Beispielsweise ist es irreführend, Jünger als "Verfasser von Schriften für die nationalsozialistische Bewegung" zu bezeichnen. Er hat sich in den Zwanzigern wiederholt zustimmend zur NS-Bewegung geäußert, seinen Nationalismus jedoch von ihr abgegrenzt.

Bemerkenswert ist, was Jünger Boveri 1957 über seine Selbstwahrnehmung und -inszenierung als Autor mitteilt: "Man muss es (das Doppelleben) auch insofern führen, als man sich selbst objektiviert und zum Fetisch macht. Während die anderen sich damit beschäftigen, sitzt man behaglich in seinem Interieur und tut sich was Gutes an." Seinen Kritikern und Verehrern ist Jünger bis heute ein Fetisch. Gegenüber Margret Boveri aber versagte dessen Zauberkraft bald.

FELIX JOHANNES KRÖMER

"Margret Boveri und Ernst Jünger: Briefwechsel aus den Jahren 1946 bis 1973". Herausgegeben, kommentiert und mit einem Vorwort versehen von Roland Berbig, Tobias Bock und Walter Kühn. Landtverlag, Berlin 2008. 334 S., geb., 34,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Alexander Kissler hat den Briefwechsel Ernst Jüngers mit Margret Boveri sehr interessiert gelesen. Boveri, eine glühende Verehrerin Jüngers, hatte einen Rundbrief über ein enttäuschendes persönliches Treffen mit Jünger verfasst, der beinahe veröffentlicht worden wäre, weshalb sich Jünger menschlich in ein ungünstiges Licht gerückt sah, erklärt der Rezensent: "Der Riese ließ empfindlich reagieren." Dass der Briefkontakt daraufhin dennoch nicht abbrach, liege sicherlich daran, dass Boveri ihren Jünger erst im Jahr 1932 beginnen ließ, seine Kriegsbegeisterung und seinen "soldatischen Nationalismus" also ausblendete, so Kissler weiter.

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