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'Weiter im Blues' lautet eine Szenenanweisung in Peter Handkes Stück Die Fahrt im Einbaum; in seinem Drama 'Zurüstungen für die Unsterblichkeit' von 1997 wird der 'alte Mitternachtsblues' mit der neuen Verfassung einer andalusischen Enklave gleichgesetzt.Früh schon hat Peter Handke den 'Text des rhythm-and-blues' gemocht und immer wieder neu buchstabiert: Im weitesten Sinn entspricht Handkes Blues einer Lebensform, wie er sie in Anlehnung an Wittgenstein auch in der 'Kunst des Fragens' entworfen sieht. Schreiben und Lesen als eine Lebensform könnte als existenzielles Kürzel für sein…mehr

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Produktbeschreibung
'Weiter im Blues' lautet eine Szenenanweisung in Peter Handkes Stück Die Fahrt im Einbaum; in seinem Drama 'Zurüstungen für die Unsterblichkeit' von 1997 wird der 'alte Mitternachtsblues' mit der neuen Verfassung einer andalusischen Enklave gleichgesetzt.Früh schon hat Peter Handke den 'Text des rhythm-and-blues' gemocht und immer wieder neu buchstabiert: Im weitesten Sinn entspricht Handkes Blues einer Lebensform, wie er sie in Anlehnung an Wittgenstein auch in der 'Kunst des Fragens' entworfen sieht. Schreiben und Lesen als eine Lebensform könnte als existenzielles Kürzel für sein umfangreiches, vielgestaltiges Werk gesetzt werden.Die Studien und Texte des vorliegenden Bandes erkunden diesen Werk-Kontinent - von den 'Hornissen' bis zur 'Morawischen Nacht' - auf vielen Spuren, auf Saumpfaden und von den Rändern her, mit einem Blick für sich ändernde Konstellationen, neue Traditionsbildungen und in Abweichung von den eingespielten Ritualen der Handke-Kritik.Karl Wagner, der an der Universität Zürich Germanistik lehrt, hat seit den 1970er Jahren das Werk Handkes schreibend begleitet und kommentiert. Nun liegen seine Aufsätze, Essays und Rezensionen zu Peter Handke erstmals gesammelt vor.Der Band enthält darüber hinaus auch unpublizierte Studien und ein erstmals veröffentlichtes Gespräch über seine Handke-Lektüren, das Karl Wagner mit Klaus Nüchtern, Feuilletonchef der Wiener Stadtzeitung 'Falter', geführt hat.
Autorenporträt
Karl Wagner, geb. 1950 in Steyr (Oberösterreich). Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität Wien, dort Dozent und ab 1997 a. o. Professor. Seit 2003 Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Forschungsschwerpunkte: Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Gegenwartsliteratur; Literaturtheorie, Editionstechnik, Wissenschaftsgeschichte, Literaturkritik. Hrsg. mit Klaus Amann und Fabjan Hafner: 'Peter Handke. Poesie der Ränder. Mit einer Rede Peter Handkes' (2006).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2010

Auf dem Weg ins andere Österreich
„Weiter im Blues“: Karl Wagners Aufsätze über Peter Handke
Karl Wagner, Germanist an der Universität Zürich, legt hier seine Handke-Arbeiten aus dreißig Jahren vor, oder er „legt“ genau genommen gar nichts „vor“, sondern seine Freunde und Kollegen haben Wagners verstreute Aufsätze eingesammelt und zum Druck befördert. Das haben sie wahrscheinlich auch deshalb getan, weil sie Handke mögen und Wagners Blick auf Handke. Über diesen Blick lässt sich sagen, dass er anfangs ein kritischer war. Im frühesten Aufsatz des Bandes, aus dem Jahr 1979, kritisiert Wagner Handkes „Rückzug in den geschichtslosen Augenblick“. „Schwer frustriert“, wie er später bekennt, vom Siebziger-Jahre-Handke und dessen Hang zum (damals sagte man so) Eskapismus, vermisst er bei Handke die Bereitschaft zur (noch ein Wort aus jener Zeit) literarischen Intersubjektivität.
Entweder hat sich Handke seit damals geändert oder Wagner, jedenfalls bekunden Wagners spätere Aufsätze eine große Sympathie für Handke. Unkritisch sind sie deshalb nicht, vor allem wenn es um Handkes öffentliche Einlassungen geht. Einem Journalisten etwa hat Handke gesagt, journalistische Sprache bestehe aus „vorgefertigte(n) Sätzen“, „man weiß immer schon vorher, was drin steht“. Das will Wagner so nicht gelten lassen, aber Handke hat es vielleicht so auch nie gemeint. Man kann mit ihm schwer in eine Erörterung darüber eintreten, was journalistische Sprache gegebenenfalls mehr und anderes wäre als „vorgefertigte Sätze“. Deswegen wird Wagners Hinweis, Handkes öffentliche Äußerungen unterschritten bisweilen sein eigenes „Reflexionsniveau“, auch kaum Einfluss auf Handkes Äußerungen haben. Zwischen Handkes poetischem Zorn und der moderaten Gemütslage einer argumentativen Literaturwissenschaft ist das Gespräch manchmal erschwert.
Für Wagner ist Handke, wie es aussieht, der allerwichtigste deutschsprachige Gegenwartsautor, und dies aus mindestens zwei Gründen: Handke weist der Literatur einen Weg hinaus aus der in Konvention erstarrten Avantgarde; es ist nicht der Weg der „Postmoderne“ oder einer simplen Rückkehr zu den Rezepturen des klassischen Realismus, sondern einer, der ältere, vormoderne und vorbürgerliche Weisen des literarischen Singens und Sagens behutsam wieder aufgreift.
Der andere Grund ist ein sozusagen innerösterreichischer: Handke hat, vor allem mit von Wagner und anderen als dessen opus maximum gepriesenen Roman „Die Wiederholung“ (1986) ein „anderes Österreich“ literarisch konstruiert, eine, wie Wagner schreibt, „ebenso filigrane wie dezidierte Alternative zu der imperialen Vergangenheit und zum nationalsozialistischen Gewaltzusammenhang“. Handkes Österreich-Phantasie bezieht sich auf einen geographischen und Erfahrungsraum, der nicht an Österreichs Grenzen endet (deshalb war man in Slowenien über Handke nicht immer froh), und sie geht von Figuren aus wie dem Partisanen, dem Kleinbauern oder der Magd. Eine andere Sozialdemokratie könnte, das deutet Wagner an, in Handke einen Verbündeten haben, aber so weit wird es wohl doch nicht kommen.
Wagner ist ein gründlicher und subtiler Leser von Handkes Büchern und liegt mit seinen Beobachtungen fast immer richtig. Ein wenig neigt er dazu (was man ihm nicht verübeln muss), Handke zu mythologisieren: er ist bei Wagner schon fast zur Legende geworden, wie ein alter fahrender Bluessänger, oder wie Handkes eigene Idole Van Morrison und Bob Dylan.
Wagner sieht Handke wie Dylan auf einer „Never Ending Tour“: der alte Zorn ist verraucht (aber nicht ganz), die wichtigen Bücher sind geschrieben und die, die noch kommen, werden das schon Geschriebene „wiederholen“ (aber noch lässiger). Aber die Tour geht weiter, mit dem einen Unterschied zu Dylan, dass wir ihn fast jede Woche live hören können, wenn wir wollen, und Handke nicht. „Weiter im Blues“ heißt Wagners Buch. Also dann.
CHRISTOPH BARTMANN
KARL WAGNER: Weiter im Blues. Studien und Texte zu Peter Handke. Weidle Verlag, Bonn 2010. 312 S., 21 Euro
Durch Handkes Universum
ziehen die Partisanen,
die Kleinbauern und die Mägde
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christoph Bartmann erkennt in den gesammelten Aufsätzen des Zürcher Germanisten Karl Wagner zu Peter Handke eine Entwicklungslinie. Lauscht er den frühen Texten aus den 70er Jahren noch tiefe Skepsis ab, wird im Lauf der Zeit für den Rezensenten die "Sympathie" des Autors für den österreichischen Schriftsteller immer spürbarer. "Kritisch" allerdings bleibe Wagner auch dann noch, betont der Rezensent und hebt genüsslich dessen Äußerung hervor, dass Handkes "öffentliche Äußerungen" nicht das gleiche "Reflexionsniveau" aufweisen wie seine poetischen Texte. Auf jeden Fall schätzt Bartmann den Autor als "gründlichen und subtilen Leser" Handkes und attestiert ihm, dass er mit seinen Textbeobachtungen selten daneben liegt.

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