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Produktdetails
  • Verlag: RvR KubiK
  • ISBN-13: 9783938265024
  • ISBN-10: 3938265027
  • Artikelnr.: 13601818
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Schaumwellenprosa
Farid Abdelouahab versucht, eine Kulturgeschichte des Reisetagebuchs zu schreiben
Von Hilmar Klute
Titouan Lamazou hält sich für einen der letzten Romantiker des abenteuerlichen Unterwegsseins; er ist ein Mann, der mit seiner Kamera auf Segelschiffen durch die Weltmeere rast und seine Fotografien zu Hause mit Feder, Gouache und Bleistift übermalt. Und weil Lamazou auch Tagebücher von seinen Reisen verfasst, glaubt er, gewissermaßen als Pionier dieser literarischen Form gelten zu dürfen: „Mein erstes Reisetagebuch”, schreibt er im Vorwort zu diesem Buch, „war ein großer Erfolg und trug wohl auch zur hektischen Publikationstätigkeit in diesem Genre bei . . ..” Bei so viel Bescheidenheit ist es kein Wunder, dass Lamazou als eine Art Schutzheiliger für den aufwändig gemachten Bildband „Unterwegs!” fungiert, mit welchem der Kubik Verlag ein Licht auf die Geschichte des Reisetagebuchs werfen will.
Der Künstler und Literat Lamazou fügt sich mit seinem bewegten Leben auf den Schaumwellen ganz selbstverständlich in die Galerie der Porträts großer Reisender und Tagebuchschreiber ein. Und das sind immerhin Forschungsreisende wie James Cook und Alexander von Humboldt, Künstler wie William Turner und die Brüder Goncourt sowie Landvermesser wie Meriwether Lewis und William Clark, deren Karte des Missouri rechts abgebildet ist. Autor Farid Abdelouahab hat ein mit farbiger Exotik illustriertes Bilderbuch aus Naturskizzen, kalligraphischen Kostbarkeiten und ethnologischen Studien vorgelegt. Man liest diese knappen Abrisse über Forschungsreisende vom 17. und 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart und kriegt den Mund wässrig gemacht. Von Hercule Florence, der 1825 durch Brasilien reiste, erfährt man, er habe eindringliche Beschreibungen von Sprachen und Sitten der Eingeborenen vorgelegt. Jetzt möchte man die Stellen gern lesen, um den jeweils individuellen Ton der Aufzeichnungen zu begreifen. Aber Abdelouahab liefert nur Zusammenfassungen, das Ganze liest sich wie ein Katalogtext zu einer Ausstellung, die man nicht zu Gesicht bekommt.
Gleichwohl gibt der Band einen Überblick über das Tagebuch als eigenständige und noch wenig beachtete Form der Reiseliteratur, kurioserweise gerade wegen Abdelouahabs Hang zum Katalogisieren: Er hat die Aufzeichnungen nach ihrer jeweils wissenschaftlichen, politischen oder künstlerischen Natur geordnet. Und man liest daraus, wie verschieden die Absichten der Weltaneignung durch Reisen sind: Enzyklopädisch und vom Stern der Aufklärung geleitet wie bei Humboldt; rassistisch wie bei Hauptmann Rivière, der im späten 19. Jahrhundert durch Indochina reiste. Oder eben schwer romantisch, schaumwellenverliebt und rimbaudesk wie bei Lamazou.
Farid Abdelouahab
Unterwegs! Reisetagebücher aus fünf Jahrhunderten
Kubik/RvR Verlag, Kehl 2005. 224 Seiten, ca. 300 Abbildungen, 29,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Von diesem Buch über die Geschichte des Reisetagebuchs von Farid Abdelouahab ist Hilmar Klute enttäuscht. Dem Leser wird vor allem der "Mund wässrig gemacht", er bekommt dann aber nicht das Erhoffte geboten, beschwert sich der Rezensent. So werde beispielsweise von den Reisebeschreibungen Hercule Florences aus dem 19. Jahrhundert berichtet, er habe "eindringliche Beschreibungen" von Land und Leuten Brasiliens festgehalten, der Leser bekommt aber keine Kostproben dieser Beschreibungskunst zu lesen, so Klute unzufrieden. Überhaupt, indem der Autor lediglich kurze Porträts der Reisenden und knappe Zusammenfassungen ihrer Reisetagebücher bietet, hat man das unbefriedigende Gefühl, man lese einen "Katalog" ohne die "Ausstellung" dazu gesehen zu haben, meckert der Rezensent weiter. Immerhin aber stellt Abdelouahab einen Überblick über das Reisetagebuchs als "eigenständige" Gattung dar, wahrscheinlich nicht zuletzt gerade wegen seines Hangs zum "Katalogisieren", meint Klute trotzdem nicht zufrieden.

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