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Seit 1989 ist der 9. November für die Deutschen ein Tag der Freude. Doch für Adolf Hitler stand er im Mittelpunkt seines antisemitischen Wahns. »Die Juden würden bei uns vernichtet«, sagte er im Januar 1939 zu einem ausländischen Gast. »Den 9. November 1918 hätten die Juden nicht umsonst gemacht. Dieser Tag würde gerächt werden.« Anhand dieser und vieler anderer Quellen zeigt Joachim Riecker in seinem Buch, dass Hitler die Juden vor allem deshalb ermorden ließ, weil er davon überzeugt war, dass sie für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg verantwortlich waren. Seit dem Frühjahr 1919…mehr

Produktbeschreibung
Seit 1989 ist der 9. November für die Deutschen ein Tag der Freude. Doch für Adolf Hitler stand er im Mittelpunkt seines antisemitischen Wahns. »Die Juden würden bei uns vernichtet«, sagte er im Januar 1939 zu einem ausländischen Gast. »Den 9. November 1918 hätten die Juden nicht umsonst gemacht. Dieser Tag würde gerächt werden.« Anhand dieser und vieler anderer Quellen zeigt Joachim Riecker in seinem Buch, dass Hitler die Juden vor allem deshalb ermorden ließ, weil er davon überzeugt war, dass sie für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg verantwortlich waren. Seit dem Frühjahr 1919 glaubte er, Deutschland habe den Krieg verloren, weil die Juden das deutsche Volk von innen »vergiftet« hätten. Bereits am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls auf Polen, kündigte Hitler in seiner Reichstagsrede vor der deutschen Öffentlichkeit an, dass er die Juden mit Giftgas ermorden lassen werde: »Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft!« Mit der Ausrottung des europäischen Judentums wollte er den Zusammenbruch vom November 1918 sowohl rächen als auch rückgängig machen"
Autorenporträt
Joachim Riecker, geboren 1963 in Wuppertal, arbeitet als Journalist und Historiker in Berlin. Er ist leitender Redakteur der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« in Potsdam und berichtet daneben regelmäßig fur die »Neue Zürcher Zeitung« uber die politische Entwicklung in Deutschland. 2004 promovierte er uber antike Vorbilder in der amerikanischen Außenpolitik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2010

Raumdenker oder Edelmenschträumer?
Bücher über den frühen Hitler mit vielen Ungenauigkeiten und vagen Hinweisen

In die trüben Gewässer der frühen Hitler-Forschung kommt Bewegung. Nachdem Ralf Georg Reuth Anfang 2009 mit der These, dass Hitlers Judenhass erst im München des Jahres 1919 ausgebrochen sei, für einige Aufregung gesorgt hatte, kommen nun die Anschlussdelikte. Joachim Riecker bietet als Schlüsseldatum den 9. November an, die deutsche Niederlage. Die Begründung überzeugt nicht, denn er folgt zwar Reuth mit der These, es gäbe "nicht einen einzigen glaubwürdigen Hinweis, dass Hitler die Juden bereits vor 1919 gehasst hat" und dass Hitler sogar der Revolution zunächst "positiv gegenüberstand", kann aber nicht einsichtig machen, wie zu gleicher Zeit die Niederlage so verheerend auf ihn gewirkt haben soll. Eher beiläufig wird mitgeteilt, dass während der Revolution "Juden eine wichtige Rolle gespielt hätten"; schließlich sei er "durch die Wirrnisse der Räterepublik auf brutale Weise enttäuscht" worden. Sorgfältig vermeidet Riecker die Frage, wie auf Hitler die immer aberwitziger werdende Münchner Entwicklung unter jüdischem Vorzeichen - von dem Feuilletonisten Eisner über die Schwabinger Boheme von Landauer und Genossen bis zu den russischen Berufsrevolutionären Leviné und Axelrod - gewirkt habe. Es wird zwar viel in diesem Buch psychologisiert. Es ist aber unverständlich, dass auf diese Frage nicht näher eingegangen wird. Will er den engen Zusammenhang zwischen der in Europa grassierenden Furcht vor dem - zumeist jüdisch konnotierten - Bolschewismus und dem Anschauungsunterricht in München leugnen? Denn bis zur "Befreiung" durch Reichswehr und Freikorps hatten Ablehnung und Hass ein solches Ausmaß angenommen, dass selbst Thomas Mann sich für "standrechtliche Kürze gegen diesen Menschenschlag" aussprach.

Mit der Niederschlagung der Räterepublik endete keineswegs nur eine possenhafte Episode. Es war der Auftakt für einen beispiellosen Rechtsruck, der das liberal-konservative Bayern zur "Ordnungszelle" umwandelte. Fast gleichzeitig wurden die Friedensbedingungen bekannt. Beides verschaffte dem Hetzredner Hitler seine einmalig günstige Ausgangsposition. Bolschewismus und Plutokratie gingen für ihn eine explosive Mischung ein, und erst in diesem Kontext konnte den Juden auch die Schuld an der Niederlage zugeschoben werden. Es geht aber nicht nur um die Bestimmung von Ursache und Wirkung. Mehr als fragwürdig ist die These, dass Hitlers antijüdischer Wahn "tief in der kollektiven Psyche der Deutschen wurzelte". Das ist eine denunziatorische Behauptung ohne historische Begründung. Sie soll zum Ausdruck bringen, dass Hitler nur den psychischen Defekten der Deutschen entsprochen habe. Das ist der Grundzug des Buches - gespickt mit vielen Ungenauigkeiten.

Immer wieder geht es darum, den Judenhass Hitlers auf die Niederlage zurückzuführen. Aber schon die Koordinaten stimmen nicht. Es habe nur ein demokratisches und ein nationalistisches Lager in Deutschland gegeben, von dem Hitler der radikalste Vertreter gewesen sei. Das ist eine unzulässige Vereinfachung der Parteienstruktur, deren ideologisch bedingte Vielfalt eine solche Lagerbildung verhindert hat. Der Wille zur Verzeichnung bleibt dominant. So passt Riecker die erstaunliche Tatsache nicht, dass Hitler in seinen Reden vor einem Massenpublikum seit 1930 auf die gewohnte Judenhetze verzichtete und stattdessen die Deutschen mahnte, wieder so kraftvoll zusammenzustehen wie in den Jahren des Weltkrieges. Die von ihm auch damals verwendete Phrase, dass das deutsche Volk "mehr Raum" brauche - nach dem Bestseller "Volk ohne Raum" rhetorisches Kleingeld -, wird als Ankündigung eines Eroberungskrieges gedeutet und den Wählern Hitlers unterstellt, sie hätten gewusst, wen und was sie wählten. Historisch gesehen, ist das eine spekulative Überreaktion.

Dirk Bavendamm will etwas Neues vorlegen - nichts weniger als eine Biographie des jungen Hitler. Der Autor hat in vielen Archiven geforscht und manche interessanten Details zutage gefördert. Wichtige neue Quellen hat er indes nicht gefunden. Es bleibt also in der Hauptsache bei den problematischen Zeugnissen von Hitler selbst und seinen Gefährten Kubizek und Hanisch, die ausgiebig befragt und noch ausgiebiger interpretiert werden. Damit glaubt der Autor imstande zu sein, nicht nur die Biographie im engeren Sinne mit viel Schwung erzählen, sondern auch das Verhältnis Hitlers zur Habsburger Monarchie wie auch zu den geistigen Größen der Epoche ermitteln zu können. Wenn die Quellen nichts hergeben, bedient er sich anderer Möglichkeiten. Um die Entwicklungsprobleme des Jünglings auf den Begriff bringen zu können, stützt er sich beispielsweise auf die Theorie eines marxistischen Psychoanalytikers, der mit Hitler nichts zu tun hat, aber ihn befähigt, Hitler eine "genialische Pubertät" zu attestieren.

Noch problematischer ist der Abschnitt des Buches, in dem der prägende Einfluss "großer" Persönlichkeiten ermittelt wird. Die Liste reicht von Kaiser Franz Joseph über Nietzsche bis zu Karl May. Am Letzteren lässt sich die Methode Bavendamms besonders deutlich aufzeigen, die darin besteht, dass Aussagen nicht durch Hinweise auf Quellen bestenfalls wahrscheinlich gemacht, sondern als gesicherte Erkenntnisse suggeriert werden. Im Falle Karl Mays erhält der Hinweis besondere Bedeutung, dass Hitler Winnetou, beiläufig eine "Rothaut", wegen seines "Edelmutes" bewundert habe. Das hat einen tieferen Sinn. Hitler habe in dem Häuptling der Apachen "höchstwahrscheinlich gleichnishaft das Schicksal der Deutschösterreicher verkörpert gesehen". Kein Beleg macht diese Behauptung wahrscheinlich.

Der "Edelmut" fasziniert Bavendamm, und so kommt er schließlich auf die "Friedensrede" von Karl May in Wien 1912 zu sprechen. Sein Thema lautete: "Empor ins Reich des Edelmenschen". Was hat diese Hoffnung nun mit Hitler zu tun? Folgen wir unserem Autor - sehr viel. Er stellt fest: "Niemand weiß, ob der junge Hitler an dieser Versammlung ... tatsächlich teilgenommen hat." Es sei aber keineswegs auszuschließen. Weit wichtiger ist aber die Gegenfrage: "Was aber, wenn der junge Hitler tatsächlich 1912 zu Karl Mays Zuhörern gehört hätte ... wenn die Erlösung der Menschheit durch ein utopisches ,Dschinnistan' die Essenz seiner eigenen Reichsidee gewesen wäre?" Beide Fragen ließen sich weder eindeutig bejahen oder verneinen, sie seien also möglich. Zweiflern wird entgegengehalten: "Nur eines steht fest: Der junge Deutschnationalist dachte ebenfalls in manichäischen Kategorien. Auch er träumte von einem ,Reich des Edelmenschen'." Hier wird die Frage unvermeidlich: Will Bavendamm eine besondere Klientel bedienen?

Im Epilog, in dem der Hitler der Revolutionszeit noch in den Blick kommt, wird eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen ihm und dem "Volkstribunen" Eisner konstruiert. Eisner habe nichts anderes getan, "als jene Ziele zu verwirklichen, von denen Hitler bis 1918 nur geträumt hatte: die revolutionäre Gründung einer Republik, hinter der zunächst nicht viel mehr als eine Rednergabe stand". Für Bavendamm steht außer Frage, "dass sich die Positionen, die Hitler zu Kultur, Gesellschaft und Staat einnahm, Eisner in wesentlichen Punkten zumindest sehr nahe kamen". Hier hebt der Autor ab. Seine Methode, aus vagen Hinweisen Gewissheiten zu konstruieren und damit alles Mögliche beweisen zu wollen, führt zur Beliebigkeit. So kommt man nicht weiter.

HENNING KÖHLER

Joachim Riecker: Hitlers 9. November. Wie der Erste Weltkrieg zum Holocaust führte. WJS Verlag, Berlin 2009. 294 S., 19,95 [Euro].

Dirk Bavendamm: Der junge Hitler. Korrekturen einer Biographie 1889-1914. Ares Verlag, Graz 2009. 592 S., 29,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auf die Frage, wann Hitler begann, die Juden zu hassen, findet Henning Köhler in diesem Buch keine befriedigende Antwort. Joachim Rieckers These, die Hitlers antijüdischen Wahn auf die kollektive Psyche der Deutschen zurückführt, möchte der Rezensent lieber nicht folgen. Bar jeder historischen Begründung erscheint ihm dieser Versuch, Hitlers Judenhass mit der deutschen Niederlage zu begründen. Zumal der Autor laut Köhler auch noch mit Ungenauigkeiten und Unzulässigkeiten arbeitet, etwa der Vereinfachung der Parteienstruktur zu einem demokratischen und einem nationalistischen Lager.

© Perlentaucher Medien GmbH