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Als der künftige französische Ministerpräsident, der jüdische Sozialist Léon Blum, 1935 seine Erinnerungen an die Dreyfusaffäre niederschrieb, ahnte er, daß er über das Wetterleuchten einer Katastrophe schrieb, die Europa noch bevorstand. Dieses kleine Buch, spannend wie ein Thriller, enthält eine der seltenen intellektuellen Heldengeschichten. Die Affäre führte Frankreich an den Rand eines Bürgerkriegs. Aus der Mitte des Orkans stammen diese Erinnerungen eines großartigen Zeitzeugen.

Produktbeschreibung
Als der künftige französische Ministerpräsident, der jüdische Sozialist Léon Blum, 1935 seine Erinnerungen an die Dreyfusaffäre niederschrieb, ahnte er, daß er über das Wetterleuchten einer Katastrophe schrieb, die Europa noch bevorstand. Dieses kleine Buch, spannend wie ein Thriller, enthält eine der seltenen intellektuellen Heldengeschichten. Die Affäre führte Frankreich an den Rand eines Bürgerkriegs. Aus der Mitte des Orkans stammen diese Erinnerungen eines großartigen Zeitzeugen.
Autorenporträt
Léon Blum, geboren 1872, wurde von der Dreyfusaffäre politisch geprägt und gehörte 1902 zu den Mitbegründern der Sozialistischen Partei. Als Gegner nationalistischer Politik protestierte er in den Zwanziger Jahren gegen die französische Ruhr-Besetzung. 1936 wurde er Ministerpräsident der "Volksfront" und setzte zahlreiche soziale Reformen durch, vor allem das Recht auf bezahlten Urlaub. 1940 ließ das Vichy-Regime Blum verhaften und 1943 an Deutschland ausliefern. Er überlebte Buchenwald und Dachau und wurde 1946, nach der Befreiung, erneut französischer Ministerpräsident. Blum starb 1950.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005

Charakterprüfung
Ein elektrisierender Thriller in Staatsbürgerkunde: Léon Blum frischt die Affäre Dreyfus auf / Von Michael Jeismann

Nach dem Abenteuer des nahezu unverhohlenen, verfassungswidrigen Plebiszits, das der Kanzler Gerhard Schröder mit der Auflösung des Bundestags anstrebte, nach der starräugigen Zustimmung des Bundespräsidenten und des Bundesverfassungsgerichts hat die Öffentlichkeit schließlich noch ein dumpfes Gefühl der Manipulation - auch wenn sie davon überzeugt war, daß die Neuwahl notwendig und heilsam sei und sich deshalb willig an die Urnen begab. Da die große Mehrheit mit dem Verfahren einverstanden war, hat es die Republik scheinbar unberührt gelassen. Aber wie fragil erschienen doch mit einem Mal die Institutionen unserer Demokratie, wie mächtig die Stimmung des Augenblicks. Und wie groß war nicht zuletzt die Überraschung über das Ergebnis.

Da ist es ein Glück, das soeben ein Buch erscheint, das dem Leser einen lebendigen Eindruck der Prüfungen wahrer Demokraten vermitteln kann. Die 1935 erschienenen Erinnerungen Léons Blums an die Dreyfus-Affäre, an die Protagonisten des Kampfes und an die Achterbahn von Verzweiflung, Schmach und Zuversicht wirken eigentümlich nah, auch wenn alle Umstände einer gänzlich anderen Zeit angehören. Man kann diese Erinnerungen als fortdauernde Mahnung lesen, aber auch als Psychogramm eines kollektiven Widerstands, das seinesgleichen sucht. Das Buch liest sich wie ein Thriller in Staatsbürgerkunde und in der knappen Form, in der wunderbar lebendigen Sprache, in seiner Mischung aus erinnerter Jugendlichkeit und Altersweisheit und mitsamt seinen biographischen und Milieuskizzen - unter anderen Jean Jaurès, Clemenceau, Maurice Barrès - ist es die beste Einführung in diese erste große Demokratie-Prüfung.

Aus einem Historiengemälde, auf dem ferne und fremde Akteure zu betrachten sind, wird wieder eine lebendige Nahaufnahme. Das liegt sowohl an dem von Joachim Kalka exzellent eingeleiteten, kommentierten und übersetzten Band selbst - als auch an der Gegenwart, so wie sie ist. Das Glossar am Ende des Bandes ist im Kern die Skizze des Konflikts und zugleich eine Rollenanweisung wie im Theater.

Wie oft hat man ihn nachgemacht, wie oft ihn aus nichtigen Anlässen nachgeäfft bis zur Karikatur: Die Anklage, die der Schriftsteller Emile Zola dem französischen Militär, dem Parlament und Teilen der Gesellschaft im Jahr 1898 mit seinem Zeitungsartikel "J'accuse" entgegenschleuderte, bildete nicht nur einen Wendepunkt in der Affäre um den wegen Hochverrats verurteilten jüdischen Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus. Emile Zola, Ende des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seines Ruhms, riskierte die Ruhe und Sicherheit seiner bürgerlichen Existenz und stach mit seiner Streitschrift mitten in ein übles Komplott, dessen Kern eine kaum verhohlene Kampfansage an die junge Republik war. Im Namen des Patriotismus, der Ordnung und nationalen Sicherheit deckten hohe Militärs einen gewissenlosen Hasardeur, um im Juden und Elsässer Dreyfus einen Schuldigen vorweisen zu können, der dem grassierenden Antisemitismus und dem Deutschenhaß weiter Teile der politischen Klasse und der Bevölkerung eine scheinbar schlagende Rechtfertigung bot.

In jedem Geschichtsbuch kann man lesen, wie die Dreyfus-Affäre die französische Gesellschaft bis in ihre Fundamente erschütterte, wie alte Freundschaften an ihr zerbrachen und neue sich knüpften. Die Dreyfus-Affäre gilt nicht zu Unrecht als die Geburt des Intellektuellen als öffentlicher Figur. Schriftsteller, Bibliothekare, Anwälte und Studenten wurden zu Helden in einem Drama, das zum demokratischen Lehrstück wurde. Gegen die Macht des Staatsapparats, gegen das Kartell der Nationalisten und der Schweiger war ein Sieg errungen worden, der emblematisch werden sollte. Je strahlender die Erinnerung, desto klarer wurden im nachhinein die Fronten, desto mehr stand der Sieg der guten Sache von vorneherein fest.

So liegt die Dreyfus-Affäre einbalsamiert im Sarkophag der Geschichte, wohlerhalten, aber leblos. Gewiß, ein Unschuldiger wurde verurteilt, und man hat so lange gekämpft, bis er wieder freikam und die wahren Schuldigen entlarvt waren. Die Nationalisten und Reaktionäre erlitten eine schwere Niederlage. Vive la République!

Aber hinter diesem Abziehbild der Affäre, das im Gedächtnis klebt, steckt eine Geschichte der Charakterprüfung und des Muts, eine Geschichte des Leidens und der Hoffnung und des Zweifels. Mit anderen Worten: Die Affäre wurde zum Schicksal, sie entschied darüber, wie man dachte und fühlte und wurde zum Erkennungszeichen, zum Codewort einer Epoche, mit dem der Zeitgenosse sich zu erkennen gab und der Nachgeborene Partei ergriff. Die Affäre, die sich immerhin von der Verurteilung Dreyfus' im Jahr 1894 bis zu seiner vollständigen Rehabilitierung 1906 hinzieht, hat alle, die sie durchlitten haben, verwandelt.

Léon Blum hat das Buch seinen verstorbenen Freunden gewidmet, geschrieben aber hat er es aus Besorgnis über den Faschismus in Europa. Als junger Jurist und Literat hatte er an dem Kampf um Dreyfus teilgenommen - und so sehr ihn die Ereignisse von damals erschütterten und prägten, so bewußt war er sich bei der Niederschrift der Tatsache, daß die junge Generation mit der ganzen Angelegenheit allenfalls nebulöse Assoziationen verband. Léon Blum war schließlich der Ministerpräsident der Volksfrontregierung, die grundlegende Sozialreformen einführte, unter ihnen den bezahlten Urlaub. Der Politiker, Jurist und Literat Blum verzichtete darauf, ein gelehrtes Buch zu schreiben, gerade weil er die Vergangenheit frisch aus dem Gedächtnis emporheben wollte.

Die Erinnerungen setzen ein mit der Bemerkung, daß der Hauptmann Dreyfus selbst nicht imstande gewesen wäre, die ihm widerfahrene Geschichte zu erzählen. Er war, so Blum, die Personifikation der willigen Unauffälligkeit beim Militär, und es ist zweifelhaft, ob er begriff, in welchen politischen Strudel er geraten war. Der junge Blum aber hatte zunächst gar keine Beziehung zu der Affäre, deren Aufsehen zu Beginn eher mäßig war. Dann aber änderte sich alles, als Lucien Herr, der intellektuell immens einflußreiche Bibliothekar der Ècole Normale Supérieur, im Sommer des Jahres 1897 lakonisch den jungen Juristen fragte, ob er wisse, daß Dreyfus unschuldig sei.

Dreyfus? Das war doch schon drei Jahre her, die Angelegenheit fast verschollen. In dieser Zeit aber hatte der Publizist Bernard Lazare nachweisen können, wie faul die Angelegenheit war. Mit Hilfe von Flugblättern, auf denen das berüchtigte borderau faksimiliert war - die Liste mit den inkriminierten Informationen, die angeblich in der Handschrift Dreyfus' verfaßt war -, kam heraus, daß die angeblichen Beweise für Dreyfus' Schuld gefälscht waren. Ein Bankier, der das Flugblatt gelesen hatte, erkannte darauf sofort die Handschrift eines ganz anderen, nämlich die Handschrift eines seiner Kunden: des Majors Esterhazy, einer singulär korrupten Figur. Und damit beginnt der Bildungsroman der französischen Republik in Form jener Krise, die für Blum in ihrer politischen Wirkung nur mit dem Weltkrieg vergleichbar war. Begierig liest man diesen grandiosen Erinnerungsbericht, der nicht zuletzt durch beunruhigende Einsichten in die politischer Psychologie besticht.

Léon Blum: "Beschwörung der Schatten". Die Affäre Dreyfus. Aus dem Französischen, mit einer Einleitung und mit Anmerkungen versehen von Joachim Kalka. Berenberg Verlag, Berlin 2005. 118 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Das Wunder der Konspiration
Als nichts zählte außer Wahrheit und Gerechtigkeit: Im Jahr 1935 notierte der Sozialist Léon Blum seine Erinnerungen an die Affäre Dreyfus, jetzt erscheinen sie in deutscher Übersetzung
Von Jörg Später
Es hat ein Wechsel von „Gesellschaft” zu „Gedächtnis” stattgefunden. Wie man in den siebziger Jahren anstelle des „Staates” die „Gesellschaft” entdeckte, so ist das Gedächtnis infolge der kulturalistischen Wende in den Geisteswissenschaften für die Deutung von Vergangenem mittlerweile von überragender Bedeutung. „Remember!” ist ein kategorischer Imperativ, der sich beileibe nicht mehr allein auf den Holocaust bezieht.
Erinnerung und Gedächtnis - das sind auch die Quellen, aus denen Léon Blums 1935 entstandenes und nun übersetztes Buch „Beschwörung der Schatten” über die Affäre Dreyfus schöpft. In jenem Jahr stirbt der jüdische Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus, der um die Jahrhundertwende zu Unrecht beschuldigt worden war, die Deutschen mit geheimen militärischen Informationen versorgt zu haben. Nachdem er degradiert und verbannt worden war, sorgte eine Kampagne nach harten öffentlichen Kämpfen für seine Rehabilitierung.
Léon Blum, geboren 1872, den Mitbegründer der Sozialistischen Partei Frankreichs und späteren Ministerpräsidenten, drängt es, die Ereignisse der Jahre 1896 bis 1898 aufzuschreiben. „Beschwörung der Schatten” ist somit ein Buch mit drei Zeitschichten: der beschriebenen Kernzeit der Affäre (1896-1898), der Entstehung des Textes (1935) und der deutschen Herausgabe von Blums „Souvenirs de l’affaire”.
Im Jahr 1897 ist das Drama um den 1894 verurteilten Dreyfus bereits vergessen, als Blum mit der Frage konfrontiert wird, ob er wisse, dass Dreyfus unschuldig sei. Die nun beginnende Kampagne gegen den Justizirrtum ist die Geburtsstunde des engagierten Intellektuellen. An der Seite jener freigeistigen Intellektuellen kämpfen auch Blums Sozialisten um Jean Jaurès. Sie betrachten die Intrige gegen Dreyfus als eine gegen sich selbst gerichtete - anders als die deutschen Sozialisten. Für Wilhelm Liebknecht ist Dreyfus nur ein Angehöriger der bourgeoisen Militärkaste, für Blum dagegen stehen die Errungenschaften der Französischen Revolution auf dem Spiel. Für die kommenden zwei Jahre, zwei Jahre des intellektuellen Bürgerkrieges, hält fortan das Leben inne, und es zählt nichts angesichts der dringlichen Frage von Wahrheit und Gerechtigkeit im Fall Dreyfus.
Im Jahr 1935 stellt Blum fest, dass Dreyfus’ Geschichte nicht erzählt worden ist und von den Zeitgenossen nicht begriffen wird. Bewusst verzichtet er darauf, seine Erinnerungen anhand von Dokumenten zu verifizieren. Es geht ihm um die Wiederbelebung seiner Initiation in die Politik, seiner damaligen Gefühle: enthusiastisches Erwarten und bittere Enttäuschung, Erregung und Leidenschaft, die das Ringen um Schuld oder Unschuld begleitet hatten. Blums Erinnerungen sind eine subjektive Vergegenwärtigung, ein Appell der Emotionen - um zu verstehen, welcher „Fluch auf die Welt” damals gelegt worden sei.
Ahnte Blum wirklich - wie der Klappentext behauptet -, dass er über das Wetterleuchten einer Katastrophe schrieb, die Europa noch bevorstand, dass die Schatten, die er beschwor, bis in die nahe Zukunft reichen sollten? In seiner Rekonstruktion, wer aus welchen Gründen für oder gegen Dreyfus Partei ergriffen hatte, geht es Blum in erster Linie um die „menschliche Seite des Falles”, nicht um die großen politischen Richtungen und Bekenntnisse. Die Formationen „Linksblock” für und „Kartell” gegen Dreyfus sieht er als Ergebnis des Bürgerkrieges und nicht als ihr konstituierendes Element. Zudem konstatiert Blum, dass sich nach den Jahren der öffentlichen Erregung und nach der Rehabilitierung des Hauptmanns die Gesellschaft genau so wieder gefunden habe, wie sie vor der Affäre gewesen sei - als sei nichts geschehen, das heißt, als sei sie aus dem Gedächtnis gelöscht. Blum will die verlorene Zeit wieder finden.
Gleichwohl zieht Blum einige Parallelen zu seiner Gegenwart. So verweist er auf die französischen Theoretiker des Antisemitismus, die, so wie „heute im Rassismus Hitlers wieder”, den Juden als Fremdkörper im sozialen Organismus wähnten. Oder er stellt infolge ihrer Niederlage eine weitere Verhärtung der Antisemiten, Boulangisten und der monarchistischen wie klerikalen Rechten hin zur faschistischen Reaktion fest.
Was noch entscheidender ist: Mit der Rekonstruktion der Dreyfus-Affäre ist Blum - ohne dies allerdings systematisch zu entwickeln - wesentlichen Elementen in der europäischen Politik des 20. Jahrhunderts auf der Spur: Verschwörung und Wahn. In der Frage, warum sich der Widerstand gegen eine Revision des Justizirrtums so verbissen organisierte, verweist Blum darauf, dass die Boulangisten acht Jahre zuvor die Macht sicher in ihren Händen geglaubt hatten. Wie durch ein „Wunder” sei sie ihnen entglitten. Sie fühlten sich folglich als Opfer einer Verschwörung - und inszenierten selbst eine Konspiration.
Die nationalistische Revolte suchte sich Dreyfus als Objekt ihrer Rache und Revanche, weil sie Juden und ihre Helfershelfer als nationales Unglück ausmachte. Alle Unschuldsbeweise bestätigten dann nur den Wahn eines jüdischen Komplottes gegen die Nation, weil sie als jüdische Fabrikationen galten. In der Affäre Dreyfus siegt am Ende die Wahrheit, nicht der Wahn - aber der Wahn hatte sich im nationalen Antisemitismus so festgeschrieben und organisiert, dass er ähnlich gelagerten und noch radikaleren Bewegungen wie den Nationalsozialismus wie eine Blaupause dienen konnte.
Warum nun die Herausgabe dieses Buches heute? Die Einleitung von Joachim Kalka schildert knapp und nahezu kommentarlos den Lebensweg Blums, die Ereignisse, über die Blum 1935 schrieb, und wie es seinerzeit zu Blums Text kam. Noch vor zwanzig Jahren wäre Blums Schrift als eine antifaschistische oder antitotalitäre gepriesen und mit mahnenden Worten des „Nie wieder” und „Wehret den Anfängen” begleitet worden. Nichts dergleichen heute. Der Verlag setzt allein auf die Kraft der Worte und der subjektiven Gefühle, auf die Wirkung von Spontaneität und - vor allem anderen - den Fluss der Erinnerungen, kurzum: auf Blums Heraufbeschwörung einer verlorenen, aber präsenten Zeit, auf sein Gedächtnis im Schatten des Holocaust.
Léon Blum
Beschwörung der Schatten. Die Affäre Dreyfus
Aus dem Französischen von Joachim Kalka. Berenberg Verlag, Berlin 2005. 120 Seiten, 19 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Wirklich "bemerkenswert" findet der Rezensent Daniel Haufler, was Leon Blum 1935 über die Dreyfus-Affäre schrieb, die er selbst miterlebt hatte und bei der er sich für die Rehabilitierung Dreyfus' engagierte. Hingerissen beschreibt der Rezensent, wie "elegant" und "eloquent" der Mitbegründer der sozialistischen Partei Frankreichs seine Beobachtungen und seine politischen Ansichten formuliert. Warum Blum die Affäre, wie sie damals schlicht genannt wurde, unbedingt ins Gedächtnis seiner Zeitgenossen rufen will, darauf findet der Rezensent eine Antwort im Text: "Die jungen Leute heute, selbst die Erwachsenen, sind wie Dreyfus selbst bei der Rückkehr von der Teufelsinsel - sie kennen die Affäre nicht, und vor allem begreifen sie sie nicht." Wie sich ein intellektueller Widerstand zusammenschloss, der sich schließlich gegen Nationalismus und Antisemitismus durchsetzen konnte, dem gilt Blums besondere Aufmerksamkeit, und so werden seine Aufzeichnungen zu einer Art Lehrstück, zur Inspiration für die Zeitgenossen. "Nach wie vor brisant" findet der Rezensent folgende Analyse der Dreyfus-Affäre: "Wenn ein demokratisches Land so tief gesunken ist, dass es ein Verfahren derart manipuliert - dann es kann nur eine starke Zivilgesellschaft retten." Lobende Worte gehen auch an Joachim Kalkas "hervorragende" Übersetzung und seine zum Leseverständnis "unverzichtbaren Anmerkungen".

© Perlentaucher Medien GmbH
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