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Schon einmal hat "der Westen" versucht, einem islamischen Land seinen Way of life aufzuzwingen. 1885 marschierte der englische General Gordon an der Spitze einer Eingreiftruppe nilaufwärts in den von einem islamischen Prediger, dem "Mahdi" gegen die britische Weltmacht aufgestachelten Sudan. Der von christlichem Sendungsbewusstsein befeuerte Abenteurer fiel ebenso wie seine bis auf den letzten Mann abgeschlachteten Soldaten. Dafür wurde er zum Märtyrer aller von der Sendung des Abendlands überzeugten Imperialisten. Lytton Stracheys mit Witz und Wut im Bauch geschriebene Chronik dieses bizarren…mehr

Produktbeschreibung
Schon einmal hat "der Westen" versucht, einem islamischen Land seinen Way of life aufzuzwingen. 1885 marschierte der englische General Gordon an der Spitze einer Eingreiftruppe nilaufwärts in den von einem islamischen Prediger, dem "Mahdi" gegen die britische Weltmacht aufgestachelten Sudan. Der von christlichem Sendungsbewusstsein befeuerte Abenteurer fiel ebenso wie seine bis auf den letzten Mann abgeschlachteten Soldaten. Dafür wurde er zum Märtyrer aller von der Sendung des Abendlands überzeugten Imperialisten. Lytton Stracheys mit Witz und Wut im Bauch geschriebene Chronik dieses bizarren Abenteuers entstand als Kampfansage gegen alles, was kritischen Geistern schon damals missfiel: Uniformen, moralische Heuchelei, imperiale Arroganz. Parallelen zur Gegenwart sind rein zufällig.
Autorenporträt
Lytton Strachey, geboren 1880, gestorben 1930, ist von den als "Bloomsbury" bekannt gewordenen Freigeistern um Virginia Woolf und J.M. Keynes wahrscheinlich der freieste. Er wurde mit einem Schlag berühmt als Autor einer Sammlung von vier Kurzbiographien über englische Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts mit dem Titel "Eminent Victorians", von denen "General Gordons Ende" die umfangreichste ist. Der Kritiker Cyrill Conolly nannte es "ein revolutionäres Lehrbuch über die bürgerliche Gesellschaft".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.07.2005

Tod am Nil
Lytton Stracheys Schilderung von General Gordons Ende
Berenberg ist unter den Verlagen das, was bei Jane Austen der wohlwollende Mister Bennet ist: Der sagt nicht viel, aber wenn er spricht, vernimmt der Leser es mit Lust. Der junge Verlag hat einige handwerklich sehr schön gefertigte Bücher über biographische und kulturgeschichtliche Themen publiziert, die ihren Weg machen. Dazu kommt nun auch eine Ausgabe der Schilderung Lytton Stracheys von General Gordons Ende im Sudan.
Die britische Ironie, die bei Jane Austen noch eine liebenswürdige und manchmal scheinheilige Färbung hatte, war hundert Jahre später ins offen Mokante ausgetrieben. In seiner Sammlung „Eminent Victorians”, die 1918 erschien, setzte Lytton Strachey dem verflossenen Zeitalter ein vernichtendes Denkmal. So niederschmetternd war sein Urteil über die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts, dass seine Porträts bis heute zum großartigsten und amüsantesten gehören, was die erzählende Essayistik hervorgebracht hat.
Die „Gordon-Krise” war das letzte, was die Regierung des liberalen Premierministers Gladstone im Jahr 1884 brauchen konnte. Die geplante britische Wahlrechtsreform erhitzte die Gemüter. Man hatte Ärger mit den Russen in Afghanistan, die es damals schon nicht schätzten, wenn andere Mächte sich in ihre Einflusssphäre einmischten. Das seit kurzem britisch bestimmte Ägypten stand vor dem Bankrott, konnte aber nicht sich selbst überlassen werden, weil das Empire Wacht am Suezkanal halten musste. Ägyptische Selbstverwaltung kam schon deshalb nicht in Frage, weil man die halbwegs zur Zusammenarbeit bereite konstitutionelle Bewegung des Landes soeben blutig niedergemacht hatte. Und als wäre das nicht genug, hatte sich im Sudan ein islamisch inspirierter Kriegsfürst, der Mahdi, gegen die ägyptisch-britische Fremdherrschaft erhoben. Er war eine Art sudanesischer Chomeini und hatte viele Anhänger. Zu den erfolgreichsten Mitteln seiner politischen Überzeugungskunst gehörten Rhinozerospeitschen.
Kämpfer für die Freiheit
Im fernen London sah man dieses mit Besorgnis und nicht ohne Realismus. Gladstone stellte fest: „Diese Leute kämpfen für ihre Freiheit, und sie kämpfen zu Recht für ihre Freiheit.” Es war allerdings die liberale Partei damals gespalten: Lord Hartington, zuständiger Minister für Indien, und andere Männer von Gewicht suchten das britische Heil nicht in weniger, sondern in mehr Imperialismus. Und weil diese Ansicht auch in der Presse Freunde hatte, wurde General Charles George Gordon ins Spiel gebracht, als der starke Mann, von dem Hartingtons Faktion sich insgeheim erhoffen mochte, er werde diesen gordischen Knoten der britischen Politik im Handstreich lösen.
Lytton Stracheys Darstellung der Gordon-Krise kümmert sich wenig um die Aufdröselung der britischen politischen Gemengelage. Strachey interessiert sich für Gordon, dem es bei all seinen militärischen Erfolgen gelang, auch als Sonderling in die Geschichte einzugehen. Gordon war sehr gläubig, wie nicht wenige seiner Zeitgenossen verband er religiöse Inbrunst mit dilettierendem Forschertum. 1883, als er einmal nicht zur Niederschlagung eines Aufstandes auf einem entlegenen Kontinent verpflichtet war, reiste er nach Jerusalem, um die einstige Lage des Garten Eden oder doch wenigstens den Schauplatz der Kreuzigung ausfindig zu machen.
Gordon hatte eine besondere Beziehung zur göttlichen Vorsehung, als deren Werkzeug er sich sah. Roy Jenkins, der verstorbene Doyen der modernen Liberal Party, hat in seiner Gladstone-Biographie 1995 bemerkt, dass der General nicht anders empfand als der Premierminister: „Allerdings schien es, dass die beiden in Bezug auf ihre Verwendung unterschiedlicher Offenbarungen teilhaftig geworden waren.” Gladstone beschloss also, dass Großbritannien sich unverzüglich aus dem Sudan zurückziehen solle: Das Empire hatte dort moralisch nichts verloren und politisch nichts zu gewinnen. Die Presse hingegen, die - wie sich bei dieser Gelegenheit zeigte - eine politische Macht geworden war, entfesselte die Volksmeinung: „We don’t want to fight, but - by Jingo! - if we do . . . !” Getragen von dieser Stimmung, erreichte Hartington, dass Gordon mit der Mission beauftragt wurde. Genauer gesagt: Gordon sollte in den Sudan reisen, um Bericht zu erstatten. Mehr nicht. Dass er in einem Zeitungsinterview erklärt hatte, ein Rückzug aus dem Sudan komme nicht in Frage, machte dem alten Gladstone zwar Kopfzerbrechen, was sich bei ihm oft als Diarrhöe äußerte, änderte aber nichts mehr.
Lytton Stracheys Schilderung der Akteure in diesem Drama, lässt an keinem ein gutes Haar. Sie alle sind Vertreter des ridikülen viktorianischen Typen-Ensembles. Der Dramatik halber gewinnt nur einer allmählich an Statur: General Gordon, der bald nach seiner Ankunft im sudanesischen Khartum von den Kämpfern des Mahdi belagert wurde und aushielt bis zum Tod. Natürlich hatte er nichts dafür getan, den Abzug der Briten und der von ihnen abhängigen Bevölkerung zu organisieren. Stattdessen ließ er sich einkesseln und brauchte dann Hilfe. Das war die „Gordon-Rettungsaktion”, über die in London viele Monate lang beraten wurde. Die Schwerfälligkeit dieses Entscheidungsprozesses beschreibt Strachey mit einer hinhaltenden Intensität, wie später Hitchcock sie in seinen Krimis inszenierte.
Der Telegraph war damals am oberen Nil schon angekommen. Gordon war zwar eingeschlossen in Khartum, aber durchaus nicht abgeschnitten von London. Im Gegenteil: Je bedrängter seine Lage, desto mehr Kabel setzte er ab. Strachey findet darin viele sarkastische Funken. Gladstone fand sie nur zunehmend irrsinnig. Als die Entsatztruppen Anfang Februar 1885 Khartum endlich erreichten, hatten die Mahdisten die Stadt schon überrannt. Den Briten bot sie schauderhafte Anblicke.
Stracheys Darstellung ist nicht ganz richtig. Vieles überzeichnet er bewusst. Anderes konnte man zu seiner Zeit noch nicht wissen. Darauf kommt es in diesem grandiosen Essay aber nicht an, der anlässlich seiner ersten deutschen Ausgabe 1932 von Hans Reisiger übersetzt wurde, einem der größten Übersetzer ins Deutsche, dessen Sprache Stracheys Englisch wenigstens ebenbürtig ist. Auf dem Einband der Berenberg-Ausgabe ist zu lesen: „Schon einmal hat ,der Westen’ versucht, einem islamischen Land seinen ,Way of Life’ aufzuzwingen.” Die Parallelen zum Irak-Krieg sind in der Tat unübersehbar.
Allerdings: Bush wollte seinen Krieg. Gladstone hingegen wollte das sudanesische Abenteuer nicht. Aufgrund seiner Unwilligkeit beging er dann politische Fehler. Heutige Jingoisten vom Schlage Rumsfelds könnten aus der Gordon-Krise auch folgern, dass nur halbherziger Imperialismus schlechter Imperialismus sei. Bemerkenswerterweise haben die USA diesen Schluss nicht gezogen und versuchen, den Irak mit kleinem Einsatz zu befrieden. Und noch einen zweiten Unterschied gibt es: Der Sudan hatte für das Britische Empire keine Bedeutung. Die USA hingegen pflegen heutzutage eigene Interessen im Irak.
Seit Monaten wird die schwarzafrikanische Bevölkerung der Region Darfur im südlichen Sudan von islamischen Freischärlern grausam verfolgt. Bisher haben die Vereinigten Staaten nur halbherzige Versuche unternommen, das Massenmorden zu unterbinden. Am südlichen Sudan sind sie heute so wenig interessiert, wie es einst die Briten waren. Diese unglückliche Region, Darfur, war übrigens einst das Zentrum der Mahdi-Herrschaft.
FRANZISKA AUGSTEIN
LYTTON STRACHEY: General Gordons Ende. Aus dem Englischen von Hans Reisiger, mit einem Nachwort v. Reinhard Blomert. Berenberg Verlag, Berlin 2005. 143 Seiten, 19 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Franziska Augstein preist zunächst den Berenberg Verlag für seine "handwerklich sehr schön gefertigten" Publikationen, wovon auch dieses Werk über den britischen General Gordon keine Ausnahme darstellt. Das Porträt General Gordons ist 1918 in der Reihe "Eminent Victorians" erschienen, worin der Autor Lytton Strachey verschiedenen Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts ein "vernichtendes Denkmal" setzte, und sie gehören zu den "großartigsten und amüsantesten" Porträts, die die Essayistik "bis heute" zu bieten hat, preist die Rezensentin überzeugt. Im Porträt von General Gordon, der 1884 in den Sudan geschickt wurde, das sich gegen die Fremdherrschaft auflehnte, und der dort unter Belagerung der Mahdi-Armee 1885 starb, interessiert sich der Autor weniger für die die damalige Zeit bewegende "Gordon-Krise" als für den General selbst, erklärt die Rezensentin. Strachey stellt Gordon als "Sonderling" und religiösen Schwärmer dar, der sich als "Werkzeug der göttlichen Vorsehung" sah, so Augstein fasziniert. Dennoch beschreibt er die Vorgänge im Sudan und das politische Gerangel in England mit einer "hinhaltenden Intensität", die an Hitchcock erinnert, begeistert sich die Rezensentin. Übersetzt wurde der Essay 1932 von Hans Reisiger, einem der "größten Übersetzer ins Deutsche", schwärmt Augstein weiter, die ihn sprachlich der britischen Vorlage gegenüber als "wenigstens ebenbürtig" preist.

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