Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 3,00 €
  • Gebundenes Buch

Lange Zeit wünschte ich den Tod meiner Eltern. Ich liebte sie, und ich schämte mich für diesen Wunsch. Seine Erfüllung aber schien dem Mädchen, das ich war, die einzige Rettung für unsere Familie. Ich dachte, wenn sie tot wären, würden wir glücklich sein und ihre Sorgen hätten ein Ende. Wer sind meine Eltern gewesen, bevor sie meine Eltern wurden? Ich habe mir die Frage zu spät gestellt.Etwas stimmte mit ihnen nicht. Sie waren nicht einverstanden mit ihrem Leben. Da war diese Unruhe im Haus. Unglück in den Augen meiner Mutter. Zorn in der Stimme meines Vaters. Ihr Mund. Sein Blick. In mir ein…mehr

Produktbeschreibung
Lange Zeit wünschte ich den Tod meiner Eltern. Ich liebte sie, und ich schämte mich für diesen Wunsch. Seine Erfüllung aber schien dem Mädchen, das ich war, die einzige Rettung für unsere Familie. Ich dachte, wenn sie tot wären, würden wir glücklich sein und ihre Sorgen hätten ein Ende. Wer sind meine Eltern gewesen, bevor sie meine Eltern wurden? Ich habe mir die Frage zu spät gestellt.Etwas stimmte mit ihnen nicht. Sie waren nicht einverstanden mit ihrem Leben. Da war diese Unruhe im Haus. Unglück in den Augen meiner Mutter. Zorn in der Stimme meines Vaters. Ihr Mund. Sein Blick. In mir ein diffuses Schuldgefühl. Etwas schien nicht zusammenzugehen. Ich spürte das. Sie quälten sich. Aber ich wusste nicht womit.'Die Protagonistin in Barbara Bongartz' autobiografischem Roman erhält eines Tages einen versiegelten Brief, in dem ihr mitgeteilt wird, dass ihr eigentlicher, leiblicher Vater in wenigen Tagen in Paris auf dem Friedhof von Passy beerdigt wird. Nur kurz zögert sie, begibt sich dann auf den Weg nach Frankreich.Eine aufregende Suche nach den eigenen und zugleich fremden familiären Wurzeln, nach einer neuen Identität, beginnt. Immer wieder nimmt die Geschichte für die Protagonistin und für den Leser eine unvorhergesehene, überraschende Wendung, immer vielschichtiger zeigt sich der Weg in die Vergangenheit.In schnörkelloser, klarer Sprache gelingt Barbara Bongartz ein sehr leiser, eindringlicher Roman, der die Frage nach der eigenen Identität stellt, die der Leser aber am Ende doch für sich selbst beantworten muss.
Autorenporträt
1957 in Köln geboren. Studium der Theater- und Filmwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie in Paris, München, Köln. Lebte in Düsseldorf und New York, seit 2003 in Berlin. Veröffentlichungen: Von Caligari zu Hitler - von Hitler zu Dr. Mabuse, Eine psychologische Geschichte des Deutschen Films von 1948-62, 1990. Das Böse möglicherweise, Erzählungen, 1994. Stücke fürs Herz, Erzählungen, 1995. Eine der Geschichten aus Donner & Sturm, 1997. Örtliche Leidenschaften - Compilationes, 1997. Herzbrand - Der Fall Cordelia Richter, 1999. Die Amerikanische Katze, 2001. Inzest oder Die Entstehung der Welt, Roman in Briefen von Barbara Bongartz und Alban Nikolai Herbst, 2002. Auszeichnungen u.a.: Förderpreis und Arbeitsstipendium der Stadt Düsseldorf 1998. Akademie Schloß Solitude 1999/2000. Arbeitsstipendium Künstlerhaus Lucas, Ahrenshoop 2001.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.07.2007

Falsch gezeugt
Camouflage: Barbara Bongartz und ihr Roman „Der Tote von Passy”
Wohl jedes Kind kommt irgendwann einmal auf die Idee, seine Eltern seien gar nicht die wirklichen Eltern. Ein faszinierender Gedanke, denn was bedeutet er anderes als die erste Erfahrung davon, dass nicht nur die Dinge, sondern auch menschliche Verhältnisse anders sein können, als sie aussehen? Was, wenn man ein Prinz wäre oder eine Prinzessin? Doch es bleibt ein Spiel, das die Phantasie stärkt, sich aber durch elterliche Intervention leicht begrenzen lässt.
Ganz anders ist das im autobiographischen Roman von Barbara Bongartz. Das genuin literarische Motiv ist in diesem Fall bitterer Ernst. Die Eltern des Kindes, das den Namen der 1957 geborenen Autorin trägt, setzen jahrelang alles daran, die Tatsachen seiner Herkunft zu verschleiern. Und als sie endlich ausgesprochen werden, erfährt das Mädchen nur die halbe Wahrheit. Fragen werden nicht geduldet, und man lädt ihm auch noch die Bürde auf, mit keinem Menschen darüber zu sprechen.
„Der Tote von Passy” ist ein spannender Roman, der als Vatersuche beginnt und sich zum Psychogramm einer Adoptiv-Familie auswächst. Wäre er reine Fiktion, würde man der Autorin leichten Herzens den Vorwurf machen, sie habe zu dick aufgetragen. Vermutlich um dem vorzubeugen, hat sie in Interviews bekannt, dass die Eckdaten der Geschichte „authentisch” sind. Das ist verständlich, ob nun aus reinem Bekenntnisdrang oder aus dem Wunsch, ihr Buch zu schützen. Aber nützt es etwas? Müsste eine versierte Autorin wie Barbara Bongartz nicht wissen, dass das keine gute Idee ist: sich gegen Kritik zu wehren, indem man sagt, so sei es eben gewesen?
Die geborgte Spannung
Denn ganz offensichtlich war es nicht so. Der Gestaltungswille ist vom Crescendo des ersten Satzes – „Lange Zeit wünschte ich den Tod meiner Eltern” – bis hin zur Dramaturgie in jedem Moment erkennbar. Man kann und muss dieses Buch also als Kunstwerk lesen. Und als solches hat es einen erheblichen handwerklichen Mangel: Zugunsten der Spannung opfert es die Logik der Handlung und die psychische Integrität seiner Hauptfigur. Denn Barbara Bongartz versucht auf zwei Klaviaturen gleichzeitig zu spielen. Doch das Leben und die Kunst folgen nicht den gleichen Regeln.
Die Ich-Erzählerin bekommt eines Tages einen rätselhaften Brief. Am kommenden Freitag werde ein Mann namens Alphonse Steiner in Paris beigesetzt. Der anonyme Schreiber gehe davon aus, dass es sich bei diesem Mann um den Vater der Erzählerin handle. Also fährt sie los, nimmt an der Beerdigung teil, spekuliert über mögliche Verwandtschaften und stellt sich vor, dass ihre Mutter in den fünfziger Jahren ein Verhältnis mit diesem Mann hatte, der ihr, distinguiert, jüdisch, mildtätig, wie er offenbar war, als der ideale Vater erscheint. Die erwachsene Frau erinnert sich an die immer bedrückte und unglückliche Mutter ihrer Kindheit, die inzwischen, vom Vater längst geschieden, in einem Zürcher Stift lebt. Endlich fällt ein bisschen Glanz auf ihr freudloses Leben. Das liest sich gut.
Bis wir erfahren, dass die Erzählerin, seit sie vierzehn ist, weiß, dass sie von beiden Eltern adoptiert wurde, weil ihre Mutter keine Kinder bekommen konnte. Die Phantasie ihrer Zeugung ist also getürkt. Der Leser wurde, um Spannung zu erzielen, betrogen. Damit verfällt der Kredit, den man der Autorin gewährt hatte, die mit dem Pathos einer Marguerite Duras ihre Lebensgeschichte mythisiert, nur ohne das handwerkliche Geschick ihres Vorbilds.MEIKE FESSMANN
BARBARA BONGARTZ: Der Tote von Passy. Roman. Dittrich Verlag, Berlin 2007. 200 Seiten, 19,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als rein fiktionales Produkt wäre die Geschichte, die Barbara Bongartz in ihrem Roman über eine Adoptiv-Familie erzählt, zu überzogen, meint Meike Fessmann, aber dass die Autorin versichert, dass das Buch im Wesentlichen autobiografisch sei, macht die Sache nicht wirklich besser. Durch entschiedenen "Gestaltungswillen" behauptet das Buch seinen Kunst-Status, als solche befriedigt es dann aber nicht, kritisiert die Rezensentin. Sie beschwert sich, dass um der Spannung willen Handlungslogik und psychologische Glaubwürdigkeit der Ich-Erzählerin vernachlässigt werden. Und der Erzähltrick, die Leser zunächst auf eine reine Fantasie der Hauptfigur über ihre Herkunft hereinfallen zu lassen, die erst später als solche aufgelöst wird, scheint Fessmann sogar verärgert zu haben. Mit Marguerite-Duras-Pathos zudem, so Fessmann weiter, versuche Bongartz, aus ihrer Biografie einen Mythos zu machen. Insgesamt, macht die Rezensentin deutlich, überzeugt sie dieser Roman nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH