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Am Ende seines Lebens bricht Aschmann noch einmal auf, um Graf Ohrenberg zu begegnen. Jahrzehnte, nachdem Zufall und politische Wirren sie zusammengeführt und wieder auseinander gespült haben, nähert er sich jenem Funkturm im Thüringer Bergland, auf dem Ohrenberg zurückgezogen lebt. In Erwartung ihres Wiedersehens definieren, konstruieren und verorten sie sich, wetteifern Aschmann und Ohrenberg um Realien des Wunders und die Homunkuli ihres »elefantischen Daseins«, das erfüllt ist von den Hinterlassenschaften eines kaum erst vergangenen Jahrhunderts, die sie bewohnen.
Ausgezeichnet mit dem
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Produktbeschreibung
Am Ende seines Lebens bricht Aschmann noch einmal auf, um Graf Ohrenberg zu begegnen. Jahrzehnte, nachdem Zufall und politische Wirren sie zusammengeführt und wieder auseinander gespült haben, nähert er sich jenem Funkturm im Thüringer Bergland, auf dem Ohrenberg zurückgezogen lebt.
In Erwartung ihres Wiedersehens definieren, konstruieren und verorten sie sich, wetteifern Aschmann und Ohrenberg um Realien des Wunders und die Homunkuli ihres »elefantischen Daseins«, das erfüllt ist von den Hinterlassenschaften eines kaum erst vergangenen Jahrhunderts, die sie bewohnen.

Ausgezeichnet mit dem Kranichsteiner Förderpreis des Deutschen Literaturfonds 2004 und dem Heimrad-Bäcker-Förderpreis 2006!

»Die beiden vermessen die Welt mit den nicht geringen Mitteln ihrer fabelhaften Hirne. Hochkomisch ist das manchmal, ganz hohe Literatur außergewöhnlich häufig, hochlyrisch ist es immer.« Elmar Krekeler, Die Welt
»ein Feuerwerk von Assoziationen und wortgenauen Bildern …« Nicole Henneberg, Frankfurter Rundschau

Autorenporträt
Steffen Popp, geboren 1978 in Greifswald, aufgewachsen in Dresden, lebt seit 2001 in Berlin. Studierte Literatur und Philosophie, schuf nebenher Aphorismen und als Stipendiat des Berliner Senats 2002 das epische Sonderwerk 'Ohrenberg oder der Weg dorthin'. 2004 veröffentlichte er bei kookbooks den Gedichtband 'Wie Alpen'. Für seine Arbeiten wurde Steffen Popp unter anderem mit dem Kranichsteiner Förderpreis des Deutschen Literaturfonds 2004 und von der Akademie Graz 2003 ausgezeichnet. 'Ohrenberg oder der Weg dorthin' ist sein erster Roman.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Vor dem "ehrgeizigen Projekt", das Steffen Popp mit seinem ersten Roman auf die Beine gestellt hat, hat Rezensentin Nicole Henneberg durchaus Respekt; dennoch kann sie das Ergebnis nicht hundertprozentig gutheißen. Popp schickt seine Protagonisten, einen Grafen und dessen Sekretär "auf die Reise ins Innere der Wahrnehmungen" und versucht dabei, "eine lyrische, zum Teil sogar gereimte Erfassung der Welt". Der Graf und sein Begleiter erfahren das Exil in der Schweiz, eine Reise nach Ägypten und das wirtschaftliche Aus ihrer einst wohlhabenden Familie. Die vielen Bilder, die der Autor geschickt aneinanderreihe, findet die Kritikerin zwar beeindruckend, jedoch geht die "hochkonzentrierte Erzählarbeit" für ihren Geschmack auf Kosten des eigentlichen Erzählens, der Leser ermüde angesichts dieser Sätze, die eine "enorme Strahlkraft" haben, mitunter "rastlos und heftig" daherkommen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2006

Der Sender, das bin ich
Hirnfunk: Das Prosadebüt von Steffen Popp

Firma Horch und Guck" nannte der Volksmund in der DDR das Ministerium für Staatssicherheit. Das Observieren, Protokollieren, Abhorchen fremder Existenzen ist dabei durchaus eine Tätigkeit, die an der Oberfläche mit jener des Literaten auf eigentümliche Weise verschwistert ist - weswegen es von der Stasi besonders perfide war, die sozusagen professionell geschärfte Wahrnehmung von Künstlern für Spitzeldienste heranzuziehen. Jeder Schriftsteller ist seinem Wesen nach Spion in eigener Sache, ausgestattet mit überfeinem Abhörgerät, mit Spezialoptik, mit Richtantennen. Und wo sein Sensorium an Grenzen stößt, da setzt er seine Geheimwaffe ein: die Einbildungskraft.

Steffen Popp, der 1978 in Greifswald geboren wurde, in Dresden aufgewachsen ist, ist zu jung, als daß er die DDR bewußt als Überwachungsstaat hätte erleben und erleiden können. Doch hallt in den Texten dieses Nachgeborenen die deutsche Katatrophengeschichte des vergangenen Jahrhunderts nach, so, wie Astronomen aus dem All Bilder längst untergegangener Sonnen empfangen. Graf Ohrenberg, die greise Hauptfigur von Popps erstem Roman, bewohnt einen von den Russen zurückgelassenen Funkturm am Rande des Thüringer Walds, aus dem das Sowjetimperium den Feind abhörte. Nach der Wende wurde das Sperrgebiet dem Dorf eingemeindet; der Handlanger durfte "dank guter Verbindungen zum westlichen Überbau" im Turm wohnen bleiben und als ehrenamtliches Faktotum und harmloser village idiot, "der hin und wieder Ideen aus seinem Gehirn pastoral hinfaselt", seinen privaten Phantastereien nachgehen.

Doch Ohrenberg - Hirnphysiologe, Kunstsammler, Widerstandskämpfer, Philosoph, ist kein verkalkter Altkader, kein greises Relikt eines untergegangenen Weltreichs, sondern ein Partisan in allerhöchster, freilich selbsternannter Mission, Elitekader und Chefideologe seiner Einmann-Partei in einem, Außenposten und Kommandozentrale: Von seinem Turm aus sendet er Botschaften ins Nichts, in die flache, postmetaphysische Gegenwart, während sein Hirnapparat selbst ein ewig plappernder radiohead ist. In Endlosschleife sendet er seine Quintessenz des ideologischen Jahrhunderts, der Revolutionen und Evolutionen, in denen dann etwa die Kakerlake zum "erdgeschichtlichen Boten", zum "Protokoll versunkener Äonen" werden kann. "In diesem Sinne fühlt er sich ihr nah, wenn nicht verwandt: kündet dieses Wesen nicht vom Streben der Natur, zeigt seine sinnvolle Gestalt bereits die Echse an, den Säuger, den Primaten, führt nicht des Weltgeists Spur von ihm zur freien Hand, zum ersten Keil, über das torreiche Theben direkt nach Bonn?" Bonn als Telos der Geschichte - Schlimmeres kann einem eingefleischten Hegelianer kaum widerfahren.

Diesen überdrehten inneren Monolog, der an den Fürsten in Thomas Bernhards "Verstörung" denken läßt, hat Popp in eine narrative Konstellation überführt: Die Botschaft des Grafen hat einen Empfänger gefunden - in Gestalt seines einstigen Weggefährten aus dem Exil und Sekretärs Aschmann, der zuletzt als kaum weniger verschrobener Sternengucker in Finnland gestrandet war. Der Roman beginnt mit der Überfahrt Aschmanns per Fähre nach Norddeutschland; sein Kommen hat er dem Edel-Eremiten per Telegramm angekündigt. In abwechselnden Gedankenströmen setzt Popp die aberwitzigen Biographien zusammen, wie ein absurdes Theaterstück auf zwei Bewußtseinsnebenbühnen. Bennsches Großdenker-Pathos, funktionslos in die Gegenwart ragend, kollidiert auf durchaus komische, mitunter slapstickhafte Weise mit den Alltagswidrigkeiten zweier alter Männer, wenn etwa Ohrenberg mitten im Gedankenstrom gegen einen profanen Wandschrank donnert.

Die Rahmenhandlung besteht in der in Aschmanns "Fahrtenbuch" dokumentierten Annäherung, die noch einmal als Travestie jene massenhaften Odysseen des zwanzigsten Jahrhunderts wiederholt, die auch die beiden Männer trennte. (Gleich zu Beginn bindet Aschmann einen betrunkenen Mitreisenden auf der Fähre fest wie Odysseus bei den Sirenen.) Doch liegt das Ziel der Reise, die Begegnung der beiden einander als einzige Gegenüber verbliebenen Geschichtsmonaden wie ein Fluchtpunkt außerhalb des Bildes; die Handlung bricht mit einem als Vision erlebten Sonnenaufgang ab. Vielleicht ist der alte Freund nur eine weitere Spaltung in Ohrenbergs schizoidem Geist; ständig schwankt die Erzählhaltung zwischen erster und dritter Person. Oder Aschmann, das legt der Name nahe, ist ein Todesbote, der ganze Roman das Porträt eines Sterbenden, mit dem eine einzigartige, wenn auch wahnhaft verzerrte Version der Geschichte für immer verlorengeht.

Das Vorurteil, daß Lyriker nicht erzählen könnten, wird durch Gegenbeispiele - von Bachmann bis Hilbig und von Grass bis Marcel Beyer - nicht zu erschüttern sein. Auch bei den Jüngeren gibt es bemerkenswerte Doppeltalente, etwa Marion Poschmann oder Michael Lentz. Steffen Popp hat mit "Wie Alpen" 2004 eines der wichtigen Lyrikdebüts vorgelegt. Die dichte, bilderreiche Sprache und der übersprudelnde Gedankenreichtum dieses Romans beweisen erneut das außergewöhnliche Vermögen eines jungen Autors.

Steffen Popp: "Ohrenberg oder der Weg dorthin". Roman. Kookbooks Verlag, Idstein 2006. 144 S., Abb., geb., 17,90 [Euro].

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