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In "Tod im Paradies" übernimmt Alberto Dines die Rolle eines sorgfältigen Reporters, sensiblen Schriftstellers, erfahrenen Historikers und aufmerksamen Psychologen. Kritisch und mitfühlend zugleich zeichnet er das Port-rät eines Humanisten, der sich den Anforderungen seiner Zeit nicht gewachsen sah. Er dokumentiert mit be-sonderer Ausführlichkeit die letzten Lebensjahre dieses erstklassigen Schriftstellers in Brasilien, beschreibt dessen Liebe zu diesem Land und geht ausführlich auf die beiderseitigen Missverständnisse ein, die zu einem tragischen Ende führten. Es ist zugleich die Biografie…mehr

Produktbeschreibung
In "Tod im Paradies" übernimmt Alberto Dines die Rolle eines sorgfältigen Reporters, sensiblen Schriftstellers, erfahrenen Historikers und aufmerksamen Psychologen. Kritisch und mitfühlend zugleich zeichnet er das Port-rät eines Humanisten, der sich den Anforderungen seiner Zeit nicht gewachsen sah. Er dokumentiert mit be-sonderer Ausführlichkeit die letzten Lebensjahre dieses erstklassigen Schriftstellers in Brasilien, beschreibt dessen Liebe zu diesem Land und geht ausführlich auf die beiderseitigen Missverständnisse ein, die zu einem tragischen Ende führten. Es ist zugleich die Biografie über einen Biografen, der bis heute in Europa unverges-sen ist. Sein Schreib- und Lebensstil prägte folgende Generationen nachhaltig; zu seinen Freunden zählten u.a. Sigmund Freud, Romain Rolland und Joseph Roth. Detailliert und kenntnisreich liefert Dines Hintergrundwissen über die Situation und Atmosphäre in Brasilien in der damaligen Zeit. Die Ursachen der Entwicklung von der zunächst überschwänglichen Verliebtheit in dieses Land nach seiner ersten Brasilienreise bis zur allmählichen Enttäuschung und Vereinsamung sind vielschichtig. Dines schreibt mit großer Empathie und Einfühlungsvermögen, die es dem Leser ermöglichen, die Tragödie dieses Todes in ihrem ganzen Ausmaß und in einer Intensität zu erfahren, die keinen unberührt lassen kann. Der Selbstmord des österreichischen Autors jüdischer Herkunft wird in seiner ganzen Tragweite vermutlich nie ganz zu verstehen sein, doch Dines trägt mit den brasilienbezogenen Aspekten viele neue Erkenntnisse zu einem umfassenderen Gesamtbild bei.
Autorenporträt
Alberto Dines, geboren 1932 in Rio de Janeiro, ist Filmkritiker und Drehbuchschreiber. Er gehört zu den namhaftesten Journalisten Brasiliens und ist Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher. Dines ist Gründer und Redak-teur von "Observatório da Imprensa" (wörtl. Beobachtungsstelle der Presse) und Präsident der Gesellschaft "Casa Stefan Zweig", die sich um die Einrichtung eines Museums in Petrópolis bemüht. 2005 wurde er in Brasi-lien mit dem Prêmio Imprensa Estrangeira als "Persönlichkeit des Jahres" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2007

Ich will nur freien Kopf
Tucholsky mochte ihn nicht: Stefan Zweig in Biographien

An kritischen Stimmen wie jener Kurt Tucholskys hat es Stefan Zweig nie gefehlt: "Frau Steiner war aus Frankfurt am Main, nicht mehr furchtbar jung, ganz allein und schwarzhaarig; sie trug Abend für Abend ein anderes Kleid und saß still an ihrem Tisch und las feingebildete Bücher. Ich will sie ganz kurz beschreiben: Sie gehörte zum Publikum Stefan Zweigs. Alles gesagt? Alles gesagt."

Vielen erschienen Zweigs Werke, vornehmlich Novellen und historische Biographien, als zu leicht, substanzlos und blumig, was seinem geradezu beispiellosen Erfolg beim zeitgenössischen Publikum keinen Abbruch tat. In den zwanziger und dreißiger Jahren gehörte er zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern, dessen Werk in zahllosen Übersetzungen kursierte.

Zum 125. Geburtstag des Autors liegen nun drei Publikationen vor, die zur Begegnung mit seiner Biographie einladen. 1881 als Sohn eines jüdischen Textilunternehmers in Wien geboren, verschrieb sich Stefan Zweig früh der Literatur. Abnabelungskämpfe von seiner Familie und materielle Sorgen blieben ihm erspart. Von Anfang an konnte er es sich leisten, mehrmals jährlich quer durch Europa zu reisen und ein Netzwerk an Kontakten und Freundschaften zu knüpfen, das sich ständig ausweitete. Seine Korrespondenz ist uferlos und erfasst fast alle Literaturgrößen jener Jahre. Nebenher wachsen sein Werk und sein Bekanntheitsgrad mit geradezu mechanischer Gleichmäßigkeit, nachdem er nach ersten tastenden Versuchen die ihm gemäße Form gefunden hat.

Oliver Matuschek nähert sich Zweigs Biographie unter der Prämisse eines dreigeteilten Lebenslaufs. Er unterscheidet die Kindheit und literarischen Anfänge Zweigs in Wien, die mit dem Ersten Weltkrieg ihr Ende finden, von dem Leben des in Salzburg residierenden Erfolgsschriftstellers der Zwischenkriegszeit. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus, dessen Auswirkungen Zweig spätestens mit einer Hausdurchsuchung 1934 auch in Österreich zu spüren bekommt, beginnt die dritte Periode, die Zweig als rastlos Getriebenen zeigt, der seinem Leben schließlich 1942 im brasilianischen Exil ein vorzeitiges Ende setzt.

So überzeugend diese Struktur auf der Makroebene ist, so wenig macht sie sich Matuschek für die Durchdringung seines Stoffes wirklich zunutze. Er referiert Zweigs Leben in getreu chronologischer Manier Jahr für Jahr, was seiner Biographie über weite Strecken ein diffuses und dabei monotones Erscheinungsbild verleiht. Sein Verfahren funktioniert nur dort, wo es Bruchstellen in Zweigs Leben gibt. Den Wandel vom Sympathisanten Deutschlands zum überzeugten Pazifisten während des Ersten Weltkriegs macht Matuschek etwa äußerst anschaulich. In den zwanziger Jahren aber, als ein ewiges Einerlei von Buchproduktion und Reisen Zweigs Leben bestimmt, verschwimmen die großen Linien zugunsten zusammenhangloser Details.

Nach der Lektüre von Matuscheks äußerst sprödem Stil wirkt die schwungvolle Herangehensweise von Alberto Dines wie eine Wohltat. Dines kann schreiben, keine Frage, und er konzentriert sich im Gegensatz zu Matuschek auf wenige Leitlinien. Gibt dieser einen annähernd gleichmäßigen Überblick über das Leben Zweigs mit dem Schwerpunkt auf seinen Anfängen, so rückt Dines ganz entschieden dessen letzte Jahre ins Zentrum seiner Darstellung. Ihn interessieren zuvörderst die brasilianischen Erfahrungen Zweigs und die Beweggründe für seinen Selbstmord. Die Entwicklung des Pazifisten und Moralisten Zweig sowie dessen Bezugnahmen auf seine jüdische Herkunft sind weitere Leitthemen seiner Darstellung.

Zweigs Verhältnis zu Brasilien erscheint wie eine Kette von Missverständnissen. Seine erste Reise durch das Land war 1936 eine beispiellose Triumphfahrt und prägte seine Wahrnehmung bis zum Ende. Aus einem zunehmend feindlichen Europa kommend, nahm er in Brasilien nur das Positive wahr. Das Land erscheint ihm als "Paradies", wo "Juden und Christen" friedlich zusammenleben und es keine "Rassenfragen" gibt. Die diktatorischen Züge seines Gastgebers, des Staatspräsidenten Vargas, und die gegenüber Juden rigorose Immigrationspolitik übersieht er ebenso, wie er das massenhafte Elend als exotische Anspruchslosigkeit und Einfachheit verklärt. Kein Wunder, dass er sich dieses Paradies einige Jahre später als Rückzugsort wählt, nachdem sein englisches Exil vom Krieg bedroht ist und die Vereinigten Staaten ihm nicht die nötige Ruhe bieten. Von intellektuellen Freunden und Büchern isoliert und von den kriegerischen Entwicklungen aufgeschreckt, wird das Paradies aber schnell zur Hölle, aus der sich Zweig freiwillig zurückzieht: "Ich bin glücklich, eine grausam und verrückt gewordene Welt verlassen zu können."

Dines' Versuch, dieses Leben ganz von der Perspektive seines gewaltsamen Endes her zu lesen, ist zweifellos eindrucksvoll. Er gibt seinem Buch damit einen Spannungsbogen, der indes kaum siebenhundert Seiten lang durchzuhalten ist. Schwerer wiegen die weihevollen, fast schon hagiographischen Töne, die sein Werk dadurch an manchen Stellen gewinnt, sowie gewisse Einseitigkeiten in der Darstellung. So zeigt er sich insgesamt doch sehr von jenem Bild beeinflusst, das Zweigs erste Frau Friderike von ihrem Mann, seiner zweiten Frau Lotte und dem gemeinsamen Selbstmord entworfen hat. Matuscheks quellenkritische Einleitung kann in diesem Punkt als Korrektiv dienen. Dass Dines' ungemein materialreiche Darstellung, deren erste Fassung 1981 in Brasilien erschienen ist, für den deutschen Markt um einige gute Dutzend Seiten hätte gekürzt werden können, fällt ebenfalls ins Auge.

Ein großer Liebender war Zweig eher nicht. Der Lieblingsschriftsteller der Damenwelt war an unverfänglichen amourösen Abenteuern und dem Fortschreiten seines Werks interessiert, kaum an gefühlsintensiven Bindungen. Friderike von Winternitz, Zweigs erste Frau, hätte jedenfalls wissen können, auf wen sie sich einlässt. Jahrelang hat die verheiratete Mutter zweier Kinder den um ein Jahr älteren Schriftsteller umworben und ihm geradezu demutsvoll ihre Dienste angeboten. Als nach vielen Hindernissen ihre Ehe 1920 schließlich förmlich besiegelt wurde, hatte sie sich zwar materielle Sicherheit und einen berühmten Gatten erworben, aber wohl nur selten häusliches Glück. Von erotischen Abenteuern ließ sich Zweig so wenig abhalten wie von seinen zahllosen Reisen, auf denen man ihn selten an der Seite Friderikes sieht. Dass sie sich mehr als einmal auf die Rolle einer "Wirtschafterin und Sekretärin" reduziert sah, verwundert kaum.

Bei aller Egozentrik des Erfolgsschriftstellers wirft die erweiterte Neuausgabe des Briefwechsels, den Friderike nach Zweigs Tod stark zensiert publiziert hatte, aber auch ein neues Bild auf diese Ehe und Friderikes Rolle darin. Die Unterschiede der beiden Partner liegen von Anfang an auf der Hand. Während er seinen Alltag möglichst störungsfrei organisieren möchte, ist sie an Repräsentanz interessiert. Seine Reisen tragen zunehmend den Charakter einer Flucht vor den häuslichen Verhältnissen. Politische Kontroversen kommen hinzu. Ist ihm Salzburg und Österreich bald unerträglich, so lässt sie sich nach dem Verkauf des gemeinsamen Domizils erneut dort nieder, in der "größten Nazi-Stadt, die mich erniedrigt hatte", wie Zweig gegenüber Romain Rolland beklagt.

Mit geradezu beängstigender Konsequenz und Härte betreibt Zweig in den dreißiger Jahren seine völlige Loslösung von Österreich und Friderike, ja von seinem ganzen früheren Leben, nachdem er in seiner Sekretärin Lotte Altmann eine neue Gefährtin gefunden hat: "Ich muss ja die alte Correspondenz abräumen oder verbrennen! Photographien etc., all diese Sachen müssen ja weg oder vernichtet werden. Ich hänge an gar nichts, will nur freien Kopf." So klischeehaft dieser "Wechsel" auch anmutet: Über Lotte gibt es von ihm nie jene Klagen, wie sie sich in seiner Korrespondenz über Friderike finden, mit der er, nach der Scheidung wieder versöhnlich gestimmt, bis zu seinem Tod einen intensiven Briefkontakt pflegt.

Alle drei Bücher zeigen eindringlich, wie Zweig mit dem Erfolg des Nationalsozialismus seinen Halt verliert und sein Leben ständig umzustrukturieren versucht, ohne noch einmal Heimat und Ruhe zu finden. Dass der nach wie vor erfolgreiche und gut verdienende Schriftsteller dabei zunehmend neurotisch reagiert und sich als direkt Verfolgter fühlt, obschon ihm unter den jüdischen Flüchtlingen ein wahrhaft privilegierter Status zukommt, ist kaum zu übersehen.

Sein Werk indes bleibt von diesen Wirrungen scheinbar unberührt. Immerhin, in der postum erschienenen Autobiographie "Die Welt von Gestern" versichert er sich fern der Heimat seiner geistigen Wurzeln, die unwiederbringlich verloren sind, und in der "Schachnovelle" setzt er sich direkt mit den Folgen des nationalsozialistischen Terrors auseinander. Ob jedoch weitere Teile seines Werks die Zeiten zu überdauern vermögen, beantworten die Publikationen nicht. Sie erhellen das aus dem Ruder laufende Leben eines Erfolgsschriftstellers, sind aber an literarischen Wertungsfragen uninteressiert. Das Verdikt Tucholskys bleibt somit vorerst bestehen.

THOMAS MEISSNER

Oliver Matuschek: "Stefan Zweig. Drei Leben - Eine Biographie". S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2006. 406 S., geb., 19,90 [Euro].

Alberto Dines: "Tod im Paradies". Die Tragödie des Stefan Zweig. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Marlen Eckl. Edition Büchergilde, Frankfurt a. M. 2006. 725 S., geb., 29,90 [Euro].

Stefan Zweig / Friderike Zweig: "Wenn einen Augenblick die Wolken weichen". Briefwechsel 1912-1942. Herausgegeben von Jeffrey B. Berlin und Gert Kerschbaumer. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2006. 434 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zunächst fühlte sich Thomas Meissner von der Lektüre von Alberto Dines' Stefan-Zweig-Buch recht beschwingt. "Ein Biograf, der schreiben kann!", jubelt er und delektiert sich an der einfachen Struktur des Textes, der Zweigs brasilianische Jahre und seinen Freitod ins Zentrum der Darstellung rückt. Als weitere Themen erkennt Meissner Zweigs Judentum und dessen Pazifismus. So weit, so gut. Leider ist das Buch zu dick, um den durch das Erzählen vom Ende her erreichten Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Dem müde gewordenen Rezensenten gehen plötzlich die Schönheitsfehler des Buches auf die Nerven: "Hagiografische Töne", die starke Beeinflussung durch bestehende Zweig-Literatur. So tüchtig Dines Material sammelt, so kürzungsbedürftig erscheint Meissner das Buch.

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