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Mortimer Griffin hat sein Leben beschaulich eingerichtet. Er ist glücklich verheiratet, hat einen aufgeweckten Sohn und arbeitet als Lektor in einem angesehenen Londoner Verlag. Doch dann brechen die Swinging Sixties über England herein und mit ihnen die zweifelhaften Wonnen der sexuellen Revolution. Mortimers heile Welt gerät über Nacht aus den Fugen seine Frau Joyce muss er plötzlich mit seinem besten Freund teilen, sein kleiner Sohn Douglas weiß bald mehr über Sex als er, und als sein Verlag von einem legendenumwitterten Hollywood-Tycoon namens »Star Maker« übernommen wird, steht auch noch…mehr

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Produktbeschreibung
Mortimer Griffin hat sein Leben beschaulich eingerichtet. Er ist glücklich verheiratet, hat einen aufgeweckten Sohn und arbeitet als Lektor in einem angesehenen Londoner Verlag. Doch dann brechen die Swinging Sixties über England herein und mit ihnen die zweifelhaften Wonnen der sexuellen Revolution. Mortimers heile Welt gerät über Nacht aus den Fugen seine Frau Joyce muss er plötzlich mit seinem besten Freund teilen, sein kleiner Sohn Douglas weiß bald mehr über Sex als er, und als sein Verlag von einem legendenumwitterten Hollywood-Tycoon namens »Star Maker« übernommen wird, steht auch noch sein Job auf dem Spiel. Aber erst als sich im Umfeld des Verlags eine Serie eigenartiger Todesfälle ereignet, tritt Mortimer die Flucht nach vorne an und kommt dem Geheimnis des Star Makers auf die Spur: dem abgründigen Projekt »Goj-Boy«, das ewige Jugend und lebenslangen Erfolg verspricht ...
Autorenporträt
Mordecai Richler wurde 1931 in Montreal, Kanada, als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer geboren. Er lebte in Paris, London und New York und arbeitete als erfolgreicher Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor, bis es ihn wieder zurück nach Kanada zog. Mordecai Richler starb im Juli 2001 in Montreal.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2008

Gut Kind will Keile haben
Mordecai Richlers bittere Hippie-Satire "Cocksure"

Der vor knapp sieben Jahren verstorbene Mordecai Richler nahm in seinen Kolumnen und Romanen gern diejenigen aufs Korn, die er aus nächster Nähe kannte: die kanadischen Nationalisten, die jüdischen Emigranten und, wie jetzt zu lesen, die linkspolitisch "Befreiten" der sechziger Jahre. Über den Streit um Götz Alys These, wonach die Achtundsechziger verkappte Faschisten waren, hätte der 1931 in Montreal geborene Nachkomme russisch-jüdischer Einwanderer nur milde gelächelt, hat er selbige These doch schon vor vierzig Jahren vertreten, wenngleich in Form einer Roman-Satire. Diese wurde erstmals 1968 unter dem doppelsinnigen Titel "Cocksure" veröffentlicht: Bedeutet "cocksure" einerseits "todsicher", so spielt es andererseits auch an auf die Minderwertigkeitskomplexe des Helden Mortimer Griffin, Lektor beim renommierten Verlag Oriole Press in London, der sich ständig fragt, ob nicht sein Penis zu klein geraten ist.

In "Cocksure" regiert die brutale Ideologie eines politisch korrekten Gutmenschentums, das selbst noch die Intimsphäre von Kindern unter dem Deckmantel der sexuellen Aufklärung ausleuchtet und Erwachsenen als Vorwand dient, andere bei Spießerverdacht skrupellos zu denunzieren. Es reicht die Vermutung, jemand verheimliche sein Judentum oder führe ein zu eintöniges Sexualleben. Der gutmütige Mortimer gibt da eine besonders willkommene Zielscheibe ab, schon physiognomisch, trägt er doch "ein unverbrauchtes Gesicht, wie die alten Filmhelden (...), scharf geschnitten, unverkennbar eine Mischung aus Weiß, angelsächsisch, protestantisch", ja, "ein Spießergesicht".

Auch sonst ist Richlers Hauptfigur ein einziger Schwiegermuttertraum: Mortimer arbeitet gewissenhaft, gilt als aussichtsreichster Nachfolgekandidat für den Posten des Verlagschefs, sorgt sich um seinen achtjährigen Sohn Douglas und seine für die Anti-Apartheid-Liga engagierte Frau Joyce und hält außerdem freiwillig öffentliche Vorträge über "die Lust am Lesen". Kurzum: Mortimer ist ein netter, verantwortungsvoller und intelligenter Kerl von zweiundvierzig Jahren, einer, den sich eigentlich jeder Verlag, jede Ehefrau und jede Gesellschaft nur wünschen kann.

Doch er lebt eben in einer übersteigerten Variante der wilden Sechziger und ist geschlagen mit einer Gattin, die jede Karikatur einer selbstgerechten Aktivistin übererfüllt. Nicht genug, dass Joyce schon beim Obstkauf penibel darauf achtet, bloß keine Früchte aus "reaktionären" Staaten zu kaufen, und Händler mit Fragen nervt wie: "Haben Sie keine kubanische Ananas?" Sie liest ihrem kleinen Sohn Douglas zudem als Gute-Nacht-Geschichte Raul Hilbergs "Vernichtung der europäischen Juden" vor. Kaum bekommt der Achtjährige Albträume und will im Bett der Eltern schlafen, bescheidet ihm Joyce nur: "Du wünschst, mit mir Geschlechtsverkehr zu haben. Du möchtest deinen Vater verdrängen." Kaum überraschend, dass sie auch Mortimer bei erstbester Gelegenheit betrügt.

Ein zynisches Porträt der Swinging Sixties also: Alles, was normalerweise als unmoralisch gilt, steht hier im Ruf, avantgardistisch zu sein: Kindesvernachlässigung, Ehebruch, Drogenkonsum, Lügen und Betrug. Wer als unverklemmter Intellektueller und Künstler im Roman auf sich hält, lässt keines solcher Laster aus und vermeidet tunlichst das, was "Spießer" wie Mortimer kennzeichnet: ein soziales Gewissen. Diese Pointe ist vierzig Jahre nach 1968 natürlich nicht mehr besonders originell. Gehört der von Freiheit schwadronierende, aber Verantwortungslosigkeit meinende Hippie doch längst zur Standard-Lachnummer.

Zum Lesevergnügen wird Richlers Satire dennoch, und zwar aus einem anderen Grund. Um seine Diagnose eines linkspolitisch motivierten Werteverfalls gegen null nämlich noch bunter auszumalen, setzte Richler dem Flower-Power-Kosmos, der Mortimer umgibt, einen fiesen, klischeehaften Großkapitalisten entgegen, der nun so wunderbar böse, schmierig und amerikanisch-imperialistisch auftritt, dass man seinen Intrigen gebannt folgt.

"Star Maker" heißt diese Ausgeburt des profitgierigen Bösen und ist ein Hollywood-Mogul, der gleich zu Beginn des Romans Oriole Press aufkauft, um Mortimers Verlag nach Quoten-Gesichtspunkten umzustrukturieren. Was wie eine Mafia-Geschichte beginnt, noch irgendwie wirklichkeitsverwandt, steigert sich zur bizarr-futuristischen Horrorvision eines totalitären Regimes, die Klassikern der politischen Science-Fiction wie "1984", "Brave New World" oder "Fahrenheit 451" alle Ehre macht. Denn wie alle größenwahnsinnigen Tyrannen-Tycoons strebt auch "Star Maker" nach Unsterblichkeit. Und er tut das in Frankenstein-Manier durch Selbsterhebung zum Demiurgen: Statt lebendige Leinwandstars zu fördern, stellt er lieber künstliche Kinohelden im Labor her. Richlers menschenverachtender Studioboss avanciert so zum Synonym für die eigentliche Bedrohung der Zeit, die manipulative Medienmacht, die Joyce und ihre Mitstreiter aber glatt übersehen, weil sie viel zu sehr mit ihren kleinen, hedonistischen Freiheitsgefechten beschäftigt sind. So muss sich schließlich ausgerechnet der brave Mortimer zum Heldentum aufschwingen. Dessen aussichtloser Kampf gegen die wirkliche Übermacht liest sich dann allerdings so beunruhigend zeitgemäß, dass sich die zweite und fast schon vergessene Titelbedeutung "todsicher" von dieser Seite her wieder vor das Satirehafte setzt.

GISA FUNCK

Mordecai Richler: "Cocksure". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Morawetz. Liebeskind Verlag, München 2008. 256 S., geb., 19.80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2008

Umsturzbesoffen
Endlich auf Deutsch: Mordecai Richlers Roman „Cocksure”
Im Jahr 1968 veröffentlichte der kanadische Schriftsteller Mordecai Richler einen schmalen, bizarren, hellsichtigen Roman, der nun endlich ins Deutsche übersetzt worden ist. Wer im laufenden Erinnerungsjahr, da die Revolte aus den Händen der Akteure in die Obhut der Archivare übergeht, nur ein einziges Buch lesen möchte, das den Furor dieser Zeit in Literatur verwandelt, fährt mit „Cocksure” nicht schlecht. Politischer Umsturz und sexuelle Revolution, antiautoritäre Erziehung und Abrechnung mit den Vätern: Das alles steckt in einem Plot, der mal als Gesellschaftsroman, dann als Science-Fiction, dann wieder politische Satire daherkommt.
Im Strudel dieser Geschichte steht Mortimer Griffin, Lektor und von Anfang an eine Figur, die jedes Mitleid verdient. Jahrelang diente er treu einem zwar etwas verstaubten, in gebildeten Kreisen aber sehr angesehenen Londoner Verlag. Als er kurz vor dem Sprung zum Cheflektor steht, wird dieser Verlag verkauft – an einen Medienkonzern, der unter der Fuchtel eines so zynischen wie charismatischen Tycoons namens „Star Maker” steht. Dem sind die schönen Künste egal. Viel mehr interessiert er sich dafür, wie man in Zusammenarbeit mit zwielichtigen Medizinern „Goj-Boys” produzieren kann, Kunstmenschen, ausgestattet mit ewiger Jugend und Schönheit. Erstaunlich, wie genau Richler die digital erzeugten Filmhelden heutiger Blockbuster vorausahnte.
Der brave Lektor Griffin ahnt zu Recht, dass er sich unter diesen Bedingungen nicht nur von seinem Traum vom Cheflektor verabschieden muss, sondern vielleicht überhaupt eine neue Stelle suchen sollte. Schon geistern die fleißigen Controller aus der Frankfurter Europa-Zentrale durchs Haus, um nach Einsparpotentialen zu suchen. Aber es kommt noch schlimmer. Die sexuelle Revolution greift auf sein bis dato unauffällig-glückliches Familienleben über. Was sein Sohn an Detailkenntnissen über eher minoritäre Sexualpraktiken mit nach Hause bringt, übersteigt nicht nur Griffins eigenes Wissen, sondern sein Vorstellungsvermögen überhaupt. Und ausgerechnet seine Frau, die ihm den ehelichen Sex viele Jahre durch ihren Waschzwang vermiest hat, treibt es jetzt munter mit seinem besten, meist ungewaschenen Freund. Ein schwacher Trost, dass eines Abends, als wäre sie eine Fee, eine langbeinige Bibliothekarin im Verlag auftaucht, die ernsthafte Anstalten macht, Griffin zu verführen.
Sein weiteres Schicksal nimmt derart abenteuerliche Wendungen, dass es in wenigen Sätzen nicht berichtet werden kann. Eine solche Nacherzählung würde einem Roman auch gar nicht gerecht, der es geradezu auf eine – bestimmt von psychedelischen Stoffen inspirierte – Unübersichtlichkeit anlegt, der von wuchernden Nebenhandlungen und atemberaubenden Volten lebt. Richlers Akteure, die diese Abenteuer bestehen müssen, könnten auch in Comics der eher grellen Sorte zum Einsatz kommen – abgesehen von der Hauptfigur Griffin, dessen tragische Durchschnittlichkeit in manchen Episoden geradezu tröstlich wirkt. Zart- besaitete Gemüter, soviel ist hoffentlich deutlich geworden, sollten sich lieber nach anderer Lektüre umsehen.
Verrückt, aber hellsichtig
Aber gerade aus der Distanz von vierzig Jahren entdeckt man in diesem Buch viel mehr als einen absurden und manchmal auch ziemlich derben Spaß. Richler, der während der späten sechziger Jahre selbst in London lebte, verfügte offenbar über die Begabung, sich der damaligen Stimmung vollständig anzuverwandeln, ein Stück weit selbst die Swinging Sixties zu verkörpern – und dennoch ironische Distanz zu wahren. Auf die Idee, dass Griffins Frau dem Sohnemann abends Raoul Hilberg vorliest, um ihn gegen antisemitische Neigungen zu immunisieren, muss man erst einmal kommen. Ob sie in der ironiefreien Zone deutscher Kinderläden seinerzeit besonders gut angekommen wäre, darf man bezweifeln.
Die literarische Verrücktheit Richlers liefert eine wunderbare Perspektive, um sich den Umbruch von 1968 zu vergegenwärtigen. Denn sein Roman ist vollkommen frei vom Zwang zur Heroisierung oder Verdammung. Er lebt vom euphorischen Lebensgefühl dieser Zeit, evoziert seinen ganz eigenen Sound. Und er nennt den neuen Mief und die neuen Zwänge beim Namen, die oft genug der Preis der Revolte waren – und von denen bis heute erstaunlich wenig geredet wird. Nur ungern hätten wir noch länger auf dieses Buch gewartet. TOBIAS HEYL
MORDECAI RICHLER: Cocksure. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Morawetz. Liebeskind Verlag, München 2008. 256 Seiten, 19,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas Leuchtenmüller ist ganz und gar einverstanden damit, dass der Verlag auch für die deutsche Ausgabe den englischen Titel übernommen hat. Ein deutsches Pendant gibt es wohl nicht zu "cocksure", das so schön deutlich macht, was den Helden dieser "wild rotierenden" 68er-Burleske, einen Verlagslektor im swingenden London, umtreibt. Doch so gut sich Leuchtenmüller auch amüsiert hat, treten für ihn auch deutlich die Schwächen zutage, die Mordecai Richler, Vater der kanadisch-jüdischen Literatur, offenbar nie ausräumen konnte: zum Beispiel die "klischeehaften Frauenfiguren" oder die reißerische Schreibe.

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