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Kanada, Anfang der achtziger Jahre: Ein ehemaliger Pornoregisseur erzählt von seiner Jugend in Vancouver. Schon als Teenager war er ein Außenseiter, dem die verlogenen Moralvorstellungen der Erwachsenen genauso zuwider waren wie die oberflächlichen Interessen seiner Schulkameraden. In der High School lernt er früh den Umgang mit der Super-8-Kamera. Als er eines Tages heimlich die extravaganten Liebesspiele seiner Nachbarn filmt und den Kurzfilm in Umlauf bringt, wird er schlagartig in den avantgardistischen Kunstkreisen der Stadt bekannt und beschließt, ins Pornogeschäft einzusteigen...…mehr

Produktbeschreibung
Kanada, Anfang der achtziger Jahre: Ein ehemaliger Pornoregisseur erzählt von seiner Jugend in Vancouver. Schon als Teenager war er ein Außenseiter, dem die verlogenen Moralvorstellungen der Erwachsenen genauso zuwider waren wie die oberflächlichen Interessen seiner Schulkameraden.
In der High School lernt er früh den Umgang mit der Super-8-Kamera. Als er eines Tages heimlich die extravaganten Liebesspiele seiner Nachbarn filmt und den Kurzfilm in Umlauf bringt, wird er schlagartig in den avantgardistischen Kunstkreisen der Stadt bekannt und beschließt, ins Pornogeschäft einzusteigen...
Spielerisch leicht und doch eigenwillig erzählt Michael Turner die Geschichte eines jungen Mannes, der erwachsen wurde, als er noch ein Kind war, und einer Epoche, die zu Ende ging, bevor sie richtig begann. Das "Gedicht des Pornographen" ist ein hochspannender, tiefgründiger und provozierender Roman, der tradierte Werte und Ideen kritisch beleuchtet und auf ebenso humorvolle wie eindringliche Weise ein Sittengemälde der siebziger Jahre zeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.06.2005

Das Familientier
Entzaubert: Michael Turners „Das Gedicht des Pornographen”
„Mit sechzehn. Mein erster Porno.” So beginnt Michael Turners dritter Roman „Das Gedicht des Pornographen”. Und dann schildert der namenlose Ich-Erzähler das, was er im Pornokino erlebt und gesehen hat, auf der Leinwand und neben ihm auf den Sitzplätzen, Ende der siebziger Jahre in Vancouver. Doch was dann auf den nächsten zweihundert Seiten folgt, ist ganz anders: Keine expliziten Sexszenen, sondern die zärtlichste Schilderung einer Kinderfreundschaft zwischen einem Mädchen und einem Jungen, die es seit langem in der Literatur zu lesen gab. Wie diese in die Pubertät übergeht und daran zu zerbrechen droht, an der aufkeimenden Neugier am anderen Geschlecht und an einem Gefühl namens Liebe, mit dem die Kinder nichts anzufangen wissen. Und das mit der Doppelmoral der Erwachsenen kollidiert.
Nettie heißt die Freundin des Ich-Erzählers, und er erinnert sich, mittlerweile selbst zwanzig Jahre alt, an ihre gemeinsame Zeit in der letzten Schulklasse. Lange, dicht gewebte Erzählpassagen wechseln mit kurzen Verhörsequenzen ab, die der Leser bis zum Romanende nicht einzuordnen weiß. Wer fragt den Ich-Erzähler aus? Und warum? Ein Moment der Irritation schleicht sich ein, hart kontrastieren diese inquisitorischen Frage-Antwort-Spielchen mit den erzählenden Passagen. Und immer wieder wird der Ich-Erzähler der Lüge überführt: „Dreizehn, ich war dreizehn, als ich meinen ersten pornographischen Film sah”, antwortet er einmal. Die Lüge, der Verrat, die Heuchelei, die Stilisierung der Erinnerung - das ist ein Teil der Themen, um die „Das Gedicht des Pornographen” kreist.
Zwölf Jahre alt sind Nettie und der Ich-Erzähler zu Beginn der Geschichte. Sie wohnen im reichsten Stadtteil Vancouvers, Shaughnessy. Sie treffen sich jeden Tag zum Spielen. Einmal beobachten sie ihren Nachbarn Mr. Billington, wie er heimlich eine Tüte mit Kinderpornos, Vaseline und Bierwürstchen wegwirft. Jetzt haben sie ein Geheimnis. Ein zweites kommt hinzu, als sie die Arbeitsakten von Netties Vater anschauen. Er ist Richter und ermittelt gerade gegen einen Ring von Pädophilen. Die Welt der Kinder gerät ins Wanken, das Ende der Unschuld bahnt sich an, und Michael Turner wird den Prozess der Ernüchterung im zweiten Teil seines Buches bis zum bitteren Ende treiben.
Den Verlust der sexuellen Unschuld koppelt Turner mit dem Verlust des unschuldigen Blicks. Er gibt den beiden eine Kamera in die Hand - eine progressive Lehrerin hat sie im Umgang mit ihr vertraut gemacht. Auch Filmgeschichte stand auf dem Programm, „Panzerkreuzer Potemkin”, das cinema verité. Durch Zufall filmt der Erzähler die Nachbarn beim Sex. Auf dem Balkon. Mit Umschnalldildo und Hund. „Das Familientier” nennt er das zwanzigminütige Material und zeigt es in den avantgardistischen Künstlerkreisen der Stadt. Der Film wird ein großer Erfolg, was Begehrlichkeiten weckt. Der Sechzehnjährige steigt ins Pornogeschäft ein.
Nüchtern, zuweilen komisch und ohne jeden Hauch von Larmoyanz schildert Turner den schleichenden Abstieg in die Welt der Klein- und Großkriminellen. The Ramones ersetzen T-Rex, aus Kiffern werden Kokser, und der Traum des Erzählers, gemeinsam mit Nettie subversive Pornofilme zu drehen, kommt erbarmungslos unter die Räder. Ihr Vorbild ist Angela Carter, ihr Buch über die Frau bei de Sade, in dem es heißt: „Wenn die Pornographie ihre Eigenschaften existentieller Isolation aufgibt und aus der Kitschzone der zeit- und ortlosen Phantasie in die wirkliche Welt vordringt, dann verliert sie ihre Funktion als Sicherheitsventil. Sie beginnt, Stellung zu beziehen gegenüber den in der wirklichen Welt stattfindenden Beziehungen.” Stattdessen fertigen die Kids für den zwielichtigen Produzenten Flynn Porno-Loops an. Und so sind auch alle Sexszenen nur Teil der Geschichte einer Entzauberung, die jede (Neu-)Gier befriedigt und die Pforten des kindlichen Paradieses endgültig schließt. „Das Gedicht des Pornographen” ist ein facettenreiches Zeit- und Sittengemälde der siebziger Jahre. Und ein traurig-schöner Liebesroman.
FLORIAN WELLE
MICHAEL TURNER: Das Gedicht des Pornographen. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Liebeskind Verlag, München 2005. 430 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Der Titel von Michael Turners Buch weckt zwei Erwartungen, und der Text erfüllt, wie Rezensent Sebastian Domsch findet, nur eine. Dass es viele "Stellen" gebe, scheine darauf hinzudeuten, welche erfüllt wird. Doch "Das Gedicht des Pornographen" sei nur insofern pornografisch, "als er Sexualität mit großer Regelmäßigkeit und erbarmungslos ungeschützt darstellt". In Wirklichkeit gerate das potenziell Erregende vor lauter Draufhalten der Kamera zur anatomischen Betrachtung. Und so habe "Das Gedicht des Pornografen" tatsächlich mehr mit "Entzauberung" zu tun, namentlich die Geschichte der eigenen Entzauberung, wie Turners Protagonist sie erzählt - seinen Weg zum Pornografen, von der Unschuld zur Erfahrung. Insofern ist "Das Gedicht des Pornografen" ein "Bericht von den Verletzungen einer Seele, der in einer Atmosphäre der Doppelmoral die eigene Unschuld abhanden kommt", befindet der Rezensent. Kein Porno also, sondern eine "poetische Komposition", die gewissermaßen als Gedicht bezeichnen werden kann. Und somit ist es laut Rezensent doch die andere der beiden Erwartungen, die Turner am Ende erfüllt.

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