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In Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland sind die wichtigsten Gerichtsreportagen von Gerhard Mauz aus annähernd 50 Jahren deutscher Rechtsgeschichte versammelt. Es ist das Lesebuch zur Entwicklung von Rechtsgefühl und Rechtspraxis der Bundesrepublik Deutschland

Produktbeschreibung
In Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland sind die wichtigsten Gerichtsreportagen von Gerhard Mauz aus annähernd 50 Jahren deutscher Rechtsgeschichte versammelt. Es ist das Lesebuch zur Entwicklung von Rechtsgefühl und Rechtspraxis der Bundesrepublik Deutschland
Autorenporträt
Mauz, GerhardGerhard Mauz (1925-2003) war der angesehenste deutsche Gerichtsreporter der Nachkriegszeit. Nach dem Studium der Psychologie, Psychopathologie und Philosophie begann er seine journalistische Laufbahn beim Rundfunk und bei der Tageszeitung Die Welt. Von 1964 bis zu seiner Pensionierung 1990 war er Redaktionsmitglied des Spiegel. Bei zu Klampen veröffentlichte er »Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland« (2005, 2011).

Friedrichsen, GiselaGisela Friedrichsen studierte Germanistik und Geschichte in München. 1974 bis 1989 war sie Redakteurin der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, 1989 bis 2016 Gerichtsreporterin des »Spiegel«. Seitdem arbeitet sie als Gerichtsreporterin für die »Welt«. Bei zu Klampen veröffentlichte sie »Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland« (2005, 2011) »"Ich bin doch kein Mörder". Gerichtsreportagen 1989-2004« (2019) und » "Wir müssen Sie leider freisprechen". Gerichtsreportagen 2005-2016« (2020).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2005

Geänderte Gruselbedürfnisse
In leckerster Manier: Gerhard Mauz' schönste Gerichtsreportagen

Dieses Buch ist leicht geschrieben und macht sich den Wiedererkennungseffekt zunutze. Nachzudenken braucht man auch nicht. Der Autor hat alles vorgedacht. Nur anstoßen lassen muß man sich. Der Band enthält die fünfunddreißig schönsten Gerichtsreportagen Gerhard Mauz', der von 1964 bis 1990 Redakteur beim "Spiegel" war und 2003 verstorben ist. Die Zeit der Erstveröffentlichungen reicht von 1964 bis 1995.

Unter "Versuche, die NS-Diktatur zu bewältigen" kann man über den Frankfurter Auschwitz-Prozeß, über den ehemaligen NS-Richter Rehse, den Majdanek-Prozeß und den Fall des liebens- und merkwürdigen Staatsrechtlers Theodor Maunz lesen. In diesem Abschnitt wird das einzige Mal die verblichene DDR erwähnt. Die Rehabilitierung des Kommunisten Walter Janka veranlaßt Mauz, der Bundesrepublik (West) zu bedeuten, sie solle wegen der Bewältigung des SED-Unrechtes vor ihrer eigenen Bewältigungs-Tür kehren. So konnte Mauz nicht auf die Frage kommen, ob es unter der NS-Justiz einen widerlicheren und verkommeneren Prozeß gegeben hat als den, in dem Janka 1957 wegen "Boykotthetze" verurteilt wurde.

Unter "Die 68er Jahre und die RAF" begegnen bekannte Namen: Langhans und Teufel, Ensslin, Meinhof und Baader, der Dutschke-Attentäter Josef Bachmann, Axel Springer als Würstchen und dreimal Stammheim. Im Terroristenprozeß in Stuttgart-Stammheim war eine der vielen prozessualen Schwierigkeiten, daß sich einige Wahlverteidiger mit ihren Mandanten identifizierten und deshalb vom Verfahren ausgeschlossen wurden. Mauz geht es vor allem um die Frage, ob der Ausschluß rechtsstaatlich war. Aber er hält Rechtsstaatlichkeit für ein Problem, das man mit Verfahrenskonzepten und Psychologie lösen kann. Journalisten haben es eben doch leichter als Richter und Politiker.

Im letzten Abschnitt "Große Kriminalfälle" wieder Figuren, über deren Taten und Prozesse die Massenmedien monatelang berichtet haben: Vera Brühne, die Mariotti, Jürgen Bartsch, Monika Weimar, Frauenarzt Horst Theissen, der "Mann, der auf Wolfgang Schäuble schoß", und Solingen als Metapher für ein ausländerfeindliches Verbrechen. Wer sich diese und weitere Fälle noch einmal vergegenwärtigen will, hier kann er es ausführlich tun.

Den Rezensenten hat eine Geschichte beunruhigt, weil das Problem bekannt ist, aber kaum öffentlich diskutiert wird. Die Krankenschwester Michaela R. arbeitete seit 1978 auf einer Intensivstation. Von 1984 bis 1986 soll sie mehrere Patienten getötet haben. Warum, ist nicht ganz klar geworden. Michaela R. sagte, sie habe den Todkranken helfen wollen. Klar werden aber die enormen Belastungen, denen das Pflegepersonal in Intensivstationen ausgesetzt ist. Ein Außenstehender fragt sich, wie Menschen unter solchen extremen Bedingungen dort jahrelang arbeiten können und welche Entlastungsstrategien sie wohl entwickeln. Mauz' Erörterung dieser Frage geht unter die Haut.

Im übrigen waren die Prozesse, von denen das Buch erzählt, nicht "groß", nur publikumswirksam. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Beispiel kommen nicht vor. Mauz ging es um ein, wenn nicht gebildetes, so doch aufgewecktes Publikum, dessen Vorurteile und Unterhaltungsbedürfnisse er mit zarter Ironie bedient. Wegen der Unterhaltung muß alles personalisiert, wegen der Eindeutigkeit alles moralisiert werden. Was das Recht ausblendet, Mauz zerrt es ans Licht. Natürlich ist er politisch korrekt und nur wenig linkslastig.

Die Angeklagten sind nach ihm keine schlechten Menschen, aber unglücklich, weil die Gesellschaft sie vernachlässigt hat. Das gilt nicht für NS-Täter. Richter sind unverständig, borniert, eitel und ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Viele Ausnahmen bestätigen die Regel. Das ist "justizkritisch in leckerster Manier", wie es über die Presseberichterstattung im Brühne-Prozeß heißt. Überhaupt ist die Presse die nach der Justiz zweitdümmste Einrichtung. Der Bericht über den Prozeß gegen den Beschaffer der "Hitler-Tagebücher" Gerd Heidemann ist deshalb "pressekritisch in leckerster Manier". Daß Mauz ein bedeutender Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit gewesen sei, wie die Herausgeberin Gisela Friedrichsen meint, diesen Eindruck hat der Rezensent nicht.

Aber das mag nicht an Mauz liegen. Der Rezensent hat sich gefragt, warum das Buch trotz des unbestreitbaren Lesegenusses ein Unbehagen hinterläßt. Vermutlich, weil die Geschichten Patina angesetzt haben und nicht mehr ohne weiteres zu verstehen sind. Die 68er-Querelen kann niemand mehr begreifen. Sie haben den Krawattenzwang ohne Begründung aufgehoben. Das ist alles. Daß der Angeklagte des Mahler-Prozesses mit dem Anwalt identisch ist, der heute die NPD vertritt, weiß auch nicht jeder. Desgleichen, daß der heutige Law-and-order-Minister Schily im Stammheim-Prozeß Wahlverteidiger Gudrun Ensslins war. Aber die Patina kann man nicht an Einzelheiten festmachen. Deshalb hätte es nichts genutzt, wenn Gisela Friedrichsen die Reportagen erläutert hätte. Die Wirkung wäre die eines erklärten Witzes gewesen.

Der gesellschaftliche Wandel hat sich auf die Fälle gelegt. Monatlich die Gruselbedürfnisse eines halbwegs intelligenten Publikums zu befriedigen setzt einen gemeinsamen Kommunikationshorizont voraus, und der hat sich auf seiten des Publikums eben geändert.

GERD ROELLECKE

Gerhard Mauz: "Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland". Herausgegeben von Gisela Friedrichsen. Zu Klampen Verlag, Springe 2005. 240 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die "fünfunddreißig schönsten Gerichtsreportagen" von Gerhard Mauz findet Gerd Roellecke im Band "Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland". Die zwischen 1964 und 1995 erschienenen Reportagen des 2003 verstorbenen Spiegel-Redakteurs machen sich nach Roelleckes Ansicht den "Wiedererkennungseffekt" zunutze. Unter "Versuche, die NS-Diktatur zu bewältigen" könne man sich etwa den Frankfurter Auschwitz-Prozess vergegenwärtigen, unter "Die 68er Jahre und die RAF" begegneten bekannte Namen wie Langhans und Teufel, Ensslin, Meinhof und Baader, der Dutschke-Attentäter Josef Bachmann oder Axel Springer. Im Kapitel "Große Kriminalfälle" berichte Mauz über die Prozesse gegen u.a. Vera Brühne, Jürgen Bartsch, Monika Weimar, Frauenarzt Horst Theissen. Roelleckes Urteil über das Buch fällt etwas zwiespältig aus: einerseits lobt er es als "leicht geschrieben" und spricht vom "unbestreitbaren Lesegenuss", das es bietet. Andererseits kritisiert er den Unterhaltungsaspekt, um dessen willen "alles personalisiert" und "alles moralisiert" werde. Unbehagen hinterlässt der Band bei ihm auch, weil die Geschichten Patina angesetzt haben und nicht mehr ohne weiteres zu verstehen sind. Die 68er-Querelen etwa könne niemand mehr begreifen. Der gesellschaftliche Wandel habe sich auf die Fälle gelegt. "Monatlich die Gruselbedürfnisse eines halbwegs intelligenten Publikums zu befriedigen setzt einen gemeinsamen Kommunikationshorizont voraus", resümiert der Rezensent, "und der hat sich auf seiten des Publikums eben geändert".

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