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Produktdetails
  • Bibliothek klassischer Erzähler
  • Verlag: Gollenstein
  • Originaltitel: The Bride of Lammermoor
  • Seitenzahl: 441
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 777g
  • ISBN-13: 9783933389022
  • ISBN-10: 393338902X
  • Artikelnr.: 07709674
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2000

Lesetipp zum Wochenende
Todesengel
Walter Scott erzählt vom
„Leid von Lammermoor”
Romane sind der reine Wahnsinn, machen wir uns keine Illusionen – auch wenn zum „Welttag des Buches” an diesem Sonntag das Erbauliche, das Aufbauende am Lesen bis zum Gehtnichtmehr gepredigt wird.
Nein, wer auf Walter Scott sich einlässt, muss mit Erschütterung rechnen – seine historischen Romane führen auf direktem Weg zum Delirium. Einen unseriösen Umgang mit dem Genre des historischen Romans hat man ihm vorgeworfen, das Fehlen von Distanz und Reflexion bemängelt, von Struktur und Stoffbeherrschung. Sein Produktionstempo war freilich frenetisch – in seinen späten Jahren hatte er einen Riesenberg Schulden abzuarbeiten, und manchmal hat er vor dem Frühstück den einen Roman beendet und danach den nächsten begonnen.
„Das Leid von Lammermoor” – eigentlich: „The Bride of Lammermoor” – ist der schwärzeste von Walter Scotts Romanen, 1819 auf dem Krankenbett zwei Stenografen diktiert, in den Wochen, als eine Gelbsucht den Autor fast arbeitsunfähig machte. Man merkt dem Buch an, dass es in einem Zustand der Erschöpfung entstanden ist. Die „Braut”, das ist love, hate & revenge – und wie der Wahnsinn diese Gefühle untrennbar für immer zusammenschmiedet. Wie in der Traumarbeit werden Elemente aus unterschiedlichen Quellen – Tagesreste, Gelesenes, mythisch Erinnertes – zu einem dichten Gewebe gestaltet, dessen Logik dem wachen Geist verborgen bleibt – ein Mysterium, von dem besonders die Dichter immer wieder fasziniert waren, von Goethe bis Arno Schmidt. Cottafavi, Fregonese und Buñuel haben im Kino Geschichten dieser Art erzählt, in dem Medium, das dafür geschaffen scheint, und über große Partien liest Scotts Buch sich wie ein schottischer Verschnitt von „Band of Angels” und „Colorado Territory”.
„Ich sage Euch dies Geheimnis ungern, doch es hätte Euch nicht lange verborgen bleiben können, und es ist besser, Ihr erfahrt es von mir”, erklärt die Sibylle des Romans, die blinde alte Alice: „Reist ab, Herr von Ravenswood, denn Ihr kennt mein Geheimnis, und wenn Ihr noch eine einzige Stunde länger unter Sir William Ashtons Dach bleibt, ohne daran zu denken, seine Tochter zu heiraten, seid Ihr ein übler Schurke. Wenn Ihr aber daran denkt, Euch mit ihm zu verbünden, seid Ihr ein verblendeter, unverbesserlicher Narr. ”
Ravenswood ist Walter Scotts Romeo, und Lucy Ashton ist seine Julia. Ihr Vater, der Lord Keeper Ashwood, hat Ravenswood das väterliche Schloss durch einen unsauberen Deal abgeluchst – den Sohn zum Exil verdammt auf der dunklen Burg Wolf’s Crag. Zu diesen persönlichen, familiären Konflikten kommen die gesellschaftlichen in Schottland am Anfang des 18.  Jahrhunderts, die politischen Spannungen zwischen Tories und Whigs, die religiösen zwischen den Anhängern der Episkopalkirche und den Presbyterianern.
Mit einem festen Schwur haben die beiden Kids ihre Liebe bekräftigt, aber dann wird die Braut Lucy einem anderen versprochen. Damit ist die Tragödie vorprogrammiert, die sich am Ende als Resultat kleinkarierter Familienpolitik herausstellt – der mütterlichen Ranküne.
Eine Tragödie, ein Trauerspiel: „Wer kommt da aus dem Brautgemach? Es ist Azrael, der Todesengel. ” So das Motto des 31. Kapitels, aus „Thalaba der Zerstörer” von Robert Southey. Mit seinen Motti gibt Scott präzise den Ton für das kommende Geschehen an. Sein Schreiben setzt auf den tragischen Moment. „Beschreibung”, lässt er eingangs Dick Tinto zitieren, „wäre für den Autor einer romance exakt das, was Zeichnung und Farbtönung für einen Maler wären; Worte seien seine Farben, und bei entsprechender Ausführung würden sie nicht verfehlen, dem geistigen Auge eine Szene so lebhaft und anschaulich darzustellen wie die Leinwand dem leiblichen Auge. ” Kein Übermaß an Dialog also, rät Dick Tinto, das macht den Roman schwerfällig und weitschweifig. Und Tinto muss es wissen, der seinen kargen Unterhalt verdient durch das Malen von Wirtshausschildern. Robert Southey, Peter Pattieson (der „Herausgeber” der Geschichte), Dick Tinto . . . Sie sollten weiterleben in unserem Gedächtnis – zusammen mit Walter Scott.
FRITZ GÖTTLER
WALTER SCOTT: Das Leid von Lammermoor. Schottland-Roman. Unter Verwendung der Übersetzung von Wilhelm Sauerwein vollständig überarbeitet und mit einem Nachwort versehen von Michael Klein. Mit Illustrationen von Stefanie Grewe. Ungekürzte Ausgabe mit allen späteren Ergänzungen Walter Scotts. Gollenstein Verlag, Blieskastel 1999. 445 Seiten, 46 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Fritz Göttler warnt, dass wer sich auf Scotts Roman einläßt, mit "Erschütterungen rechnen" muß. Dem Text, so Göttler, sind seine Produktionsbedingungen anzumerken, es sei spürbar, dass er in einem "Zustand der Erschöpfung" entstanden sei, in dem Schuldenberge und schwere Krankheit dem Schriftsteller zu schaffen machten. Dennoch hätte dieser "schwärzeste von Walter Scotts Romanen" an Faszinationskraft nichts verloren. Er verbinde die verschiedensten Elemente zu einem dichten Stoff, der der Traumlogik verpflichtet scheint und an Filme von Cottafari, Fregonese und Bunuel erinnere. In seiner Faszination durch diesen Roman sieht sich Göttler in guter Gesellschaft: von Goethe bis Arno Schmidt seien die Dichter beeindruckt gewesen vom "Mysterium", das Scott in seinem Buch geschaffen habe.

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