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Marion Poschmann spricht in ihren Gedichten Gefühle nicht direkt an, sondern bindet sie an Ojekte. Dabei verschiebt sie die Grenzen zwischen inneren Zuständen und äußeren Materialien, zeigt das Ich in dieser paradoxen Bewegung. Die Gedichte tragen in einer erkennbaren eigenen Melodie ferne Landschaften und nahe Räume vors Auge. Reich ist das Inventar, bewundernswerter sprachlicher Reichtum. Ihre poetische Welt beginnt in der Topographie bekannter Erfahrungen, um von dort das Fremde, Ungewöhnliche aufzurufen. Ob "Merkblätter für flachgelegte Häuser", eine "Barocke Serie" oder das Verschwinden…mehr

Produktbeschreibung
Marion Poschmann spricht in ihren Gedichten Gefühle nicht direkt an, sondern bindet sie an Ojekte. Dabei verschiebt sie die Grenzen zwischen inneren Zuständen und äußeren Materialien, zeigt das Ich in dieser paradoxen Bewegung. Die Gedichte tragen in einer erkennbaren eigenen Melodie ferne Landschaften und nahe Räume vors Auge. Reich ist das Inventar, bewundernswerter sprachlicher Reichtum. Ihre poetische Welt beginnt in der Topographie bekannter Erfahrungen, um von dort das Fremde, Ungewöhnliche aufzurufen. Ob "Merkblätter für flachgelegte Häuser", eine "Barocke Serie" oder das Verschwinden im weiß in "Sibirischen Elegien", sie verliehrt sich nicht im kunstvollen Gestalten. Immer führt ihr genauer Sprachfluss in eindrucksvollen metaphorischen Wendungen durch die drei verschiedenen Kapitel ihres ersten Gedichtbandes.
Autorenporträt
Marion Poschmann, 1969 in Essen geboren. Studierte Germanistik, Philosophie und Slawistik in Bonn und Berlin. Lebt als Autorin in Berlin. Lebt als Autorin in Berlin. Im März 2002 erschien in der Frankfurter Verlagsanstalt ihr erster Roman "Baden bei Gewitter". Stpendium der Stiftung Kulturfonds Berlin und Brandenburg 2000. Alfred-Döblin- Stpendium 2002. Gedichte veröffentlichte sie bisher in Literaturzeitschriften und Anthologien. In der Lyrik Edition erscheint ihr erster Gedichtband.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2002

Erst anmachen, dann einmachen
Permafrost: Marion Poschmanns Gedichte helfen überwintern

In den Gedichten Marion Poschmanns hört man nicht auf Befehle. Trotzdem unterliegt das "Ich" hier äußeren Zwängen, die vielleicht noch stärker fordern: "eine Zartheit befolgt, ein Herzklopfen, beinah / Anordnung (Flageolett)", so beginnt "winterliche Anwendung mit Teelichtern". Berichtet wird hier von einer Einladung vielleicht zum Kaffee oder Glühweintrinken, von einer unerwarteten, fast physikalischen Anziehungkraft, die nicht aus einer Handlung, einer "Zärtlichkeit", sondern aus einer Eigenschaft, der "Zartheit", hervorgeht. Kein voller Ton der offenen Avance herrscht, sondern der leise, leicht überhörbare Flageoletton, bei dem man die Gitarrensaite nur berührt, aber nicht fest auf das Griffbrett drückt.

Genau so ist das Ergebnis dieser eigenartig fordernd-flüchtigen Begegnung: Man macht sich los, "ein paar Fluchtpunkte sachte verschoben". Die "Anwendung" ist keine von Gewalt, mehr eine Art amouröser Naturheilkunde. Wie schon im bemerkenswerten Debüt der 1969 geborenen Autorin aus diesem Frühjahr, dem Roman "Baden bei Gewitter", sind die Kräfte, die hier zwischen Körpern und Dingen wirken, kaum meßbar und hinterlassen doch Spuren von Verstörung: "die Schatten der Wolken fuhren dir übers Gesicht", endet eine weitere impressionistische Liebesszene. Überhaupt erinnern viele der Gedichte an Skizzen, in denen die Feder ebenso leicht über das Papier streicht wie die Hand über die Haut des Geliebten: "es roch nach Kamille und / was uns gefiel war die Feingliedrigkeit / wie von Schaltplänen, hängende Gräser / mit Meerblick".

Als "Stillleben" bezeichnet Poschmann mehrere Gedichte des ersten Teils, aber auch die daran anschließenden zwölf Stücke der "Barocken Serie" neigen zur Fixierung von Gefühlszuständen, zur Erstarrung in skulpturalen Posen wie zum Modellstehen für einen Bildhauer: "Tauben / schlafen nachts auf deinem Haupt wenn du / innerlich brennend als schweigende Straßenlaterne / vor ihrem Fenster wachst". Der "Schutzmantelmadonna", so der Titel des ersten Gedichts des Zyklus, gesellt sich schon bald die "Madonna mit den grünen Birnen" - "ganz mit Efeu bewachsen, zurechtgemacht / wie die Geliebten auf alten Kirchportalen" - oder auch eine "Madonna und Zitrone" an die Seite. Doch Frauenporträts sind das nicht, eher werden hier Kleider aus einem zeitlos-mythischen Fundus anprobiert, die die realistische Beschreibung überformen. Die "Röhrenjeans" wird da zur Rüstung, zum "Schutzblech gegen den Dreck der Alltäglichkeit".

Getrocknete Blumen, erfrorene, im Frost stillgelegte Natur, konserviertes Leben - Marion Poschmann umkreist immer wieder neu Zustände der Erstarrung, die zugleich eine Erlösung von Zeit und Vergehen sind. Die Verweigerung der Bewegung balanciert am Rande des Pathologischen, der Katatonie: Ach, könnte man doch nur zum Bild, zum Holzschnitt werden. Diese melancholisch verhangenen Stücke, die im dritten Teil, den "Sibirischen Elegien", ihre landschaftliche Entsprechung im Permafrost finden, werden nur selten von euphorischen Bildern konterkariert, und auch hier kann man noch die Herkunft vom Gefrierpunkt erkennen: Die "stiebenden Lippen, knisternden Finger" erscheinen dann wie auftauende Holzscheite, die man fürs Kaminfeuer aus der Kälte ins Haus geholt hat. In der ausgelassenen "Gnadenanstalt" wird das Liebesspiel ungekehrt zum "Einzuckern", das schwere "kandierte" Körper zurückläßt - auch hier der Wunsch nach Überwinterung, Konservierung: Süße, mach mich an, mach mich ein.

Manche der metrisch freien und reimlosen Texte sind freilich weniger kandiert als überkandidelt, vor allem, wenn Metaphernfelder wie etwa Fußball oder Handarbeit einem ganzen Text die Struktur vorgeben wollen und mitunter in schiefen oder trivialen Bildern ausgleiten: Wenn etwa die "Madonna mit dem Einhorn" "ihren Lebenfaden zu Wollknäulen" wickelt und die Männer in "Netzen und Fallen" verstrickt. Nicht alles ist in diesem inhaltlich geschlossenen Band geglückt, manches nur Talentprobe. Einzelne Gedichte jedoch sind makellos. So das Herbststück "Madonna mit dem Kind und Engeln", vom dem nur die zweite Hälfte zitiert sei: "hier und da glitzert ausklingende Angst / Flüssigkeit, Frühe / in den Kratern sammelt sich Schlaf, schwere / Reste des Unwetters ziehen / Lider und Gliedmaßen mit sich, / Blüten liegen verstreut, die Tiefen / noch warm, warten wieder / auf unser Verschwinden".

RICHARD KÄMMERLINGS

Marion Poschmann: "Verschlossene Kammern". Gedichte. Verlag zu Klampen, Lüneburg 2002. 48 S., geb., 17,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als thematisch erstaunlich geschlossen erweise sich das Lyrik-Debüt der in diesem Jahr bereits mit dem Roman-Erstling "Baden bei Gewitter" hervorgetretenen Autorin, stellt der Rezensent Richard Kämmerlings fest. "Stilleben" sind einige der Gedichte des ersten Teils überschrieben, im Grunde aber könnte das als Titel über dem ganzen Band stehen. Es geht darin, so Kämmerlings, um Stillstellungen, mitunter "am Rande des Pathologischen, der Katatonie". Im dritten Teil findet das Thema zudem seine Landschaft: den sibirischen Permafrost, in dessen Ruhe und Erstarrung sich diese Gedichte geradezu hineinzuwünschen scheinen. Der inhaltlichen Geschlossenheit stehen jedoch, bedauert der Rezensent, beträchtliche Niveauschwankungen gegenüber. Manches - das Gedicht "Madonna mit dem Kind und Engeln" etwa - findet er makellos, anderes aber "überkandidelt" und in der Wahl der Metaphern nicht sehr sicher.

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