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Seit bald hundert Jahren wird inzwischen weltweit nach den Methoden der Waldorfpädagogik unterrichtet. Trotz der ursprünglichen Intention ihre Begründers, Rudolf Steiner, blieb die Waldorfpädagogik in der Praxis bis heute fast ausschließlich auf die Waldorfschulen beschränkt. Mit Ausnahmen: Die vorliegende Studie zeigt anhand verschiedener Beispiele, dass Waldorfpädagogik ein fruchtbarer Bestandteil des gesamten Schulsystems sein kann. So wird in der Schweiz bereits seit Jahrzehnten auch an vielen staatlichen Schulen entsprechender Unterricht erteilt. In Deutschland unternehm die Bremer…mehr

Produktbeschreibung
Seit bald hundert Jahren wird inzwischen weltweit nach den Methoden der Waldorfpädagogik unterrichtet. Trotz der ursprünglichen Intention ihre Begründers, Rudolf Steiner, blieb die Waldorfpädagogik in der Praxis bis heute fast ausschließlich auf die Waldorfschulen beschränkt. Mit Ausnahmen: Die vorliegende Studie zeigt anhand verschiedener Beispiele, dass Waldorfpädagogik ein fruchtbarer Bestandteil des gesamten Schulsystems sein kann. So wird in der Schweiz bereits seit Jahrzehnten auch an vielen staatlichen Schulen entsprechender Unterricht erteilt. In Deutschland unternehm die Bremer Schulbehörde erstmals einen Vorstoß in diese Richtung, indem in einem Schulversuch, der sich über vier Jahre erstreckte, Elemente der Waldorfpädagogik in den Unterricht an staatlichen Grundschulen eingebracht wurden. Nach Abschluss des Versuches stand fest: Waldorfpädagogik kann fruchtbarer Bestandteil im gesamten Schulwesen unserer Zeit sein!
Autorenporträt
Prof. Dr. Heinz Buddemeier, Studium der Germanistik, Romanistik und Philosophie. Nach der Promotion Hochschulassistent. Aufgabengebiete: Medien- und Kommunikationswissenschaft für Literaturwissenschaftler. Fortbildung auf diesem Gebiet durch Aufenthalte in München (Hochschule für Literatur und Film) und Toronto (Center for Culture and Technology, gegründet von Marshall McLuhan). 1974 Berufung zum Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bremen (Studiengang Kunstpädagogik/Visuelle Kommunikation). Seit der Begegnung mit dem Werk Rudolf Steiners (1971) zunehmende Einbeziehung der anthroposophischen Geisteswissenschaft in die Auseinandersetzung mit den Medien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.08.2006

Entscheidend bleibt die innere Haltung des Erziehers
Rudolf Steiners schwieriges Erbe: Heinz Buddemeier, Peter Schneider und andere zeigen die Vorteile der Waldorfpädagogik für die staatlichen Schulen

Seit vergangenem Jahr müssen in Berlin Fünfeinhalbjährige die Schulbank drücken. Ob ein Kind schulreif ist oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Ob es ausreichend gefördert wird, auch nicht. Das Ergebnis des Experiments sorgt für Ernüchterung: Eine Rekordzahl von ABC-Schützen landete, wie der Brandbrief eines Klinikchefs unlängst enthüllte, in psychiatrischer Behandlung.

Kinder als Probanden der Bildungsbürokratie sind keine Berliner Spezialität. In Bayern sorgen sich Eltern um ihre ehedem leistungswilligen Kinder, denen der Freistaat verkürzte Gymnasialzeiten und damit zusätzlichen Druck verordnet hat. Der Motor solcher Ruck-zuck-Innovationen heißt Pisa. Das schlechte Abschneiden bei den internationalen Bildungstests hat nicht nur hierzulande die Behörden alarmiert. Auch die Schweizer Nachbarn verfielen der "Reformitis" und glänzen seitdem mit "rein äußerlichen Kurskorrekturen". So jedenfalls steht es nachzulesen in einem Sammelband über "Waldorfpädagogik und staatliche Schule", der die Frage aufwirft, ob unsere Antworten auf Pisa etwas anderes sind als "heilloses Flickwerk", das den Sinn der Schule verfehlt.

Entstanden ist das Buch am Ende eines Bremer Modellprojekts, das vier Jahre lang Waldorfpädagogik an Grundschulen erprobte und wissenschaftlich begleiten ließ. Die Forscher ziehen ein ebenso positives Fazit wie die beteiligten Pädagogen: Selbst Klassen, in denen sich Problemfälle häuften, profitierten von den alternativen Methoden, die private Waldorfschulen seit beinahe neunzig Jahren praktizieren. Ob Arbeitsmoral oder Konzentrationsfähigkeit, ob Lernmotivation oder Sozialverhalten - die Lehrer registrierten durchweg positive Auswirkungen.

Wer nach Waldorfprinzipien arbeitet, wird, wie der Medienwissenschaftler Heinz Buddemeier erklärt, "alle von außen kommenden Ansprüche abwehren und den Unterricht einzig und allein am Kind selbst orientieren". Rudolf Steiners 1919 begründete "Erziehungskunst" steht also in mancherlei Hinsicht quer zum Zeitgeist; statt Schülerköpfe mit Faktenwissen anzufüllen, stoßen die Lehrer einen Akt der "Selbstschöpfung" (Peter Schneider) an. Verstand, Gefühl und Körper sollen dabei gleichermaßen zum Zuge kommen, weshalb Musizieren, Tischlern oder Turnen im Waldorflehrplan einen ebenso hohen Stellenwert besitzen wie der klassische Fächerkanon von Deutsch bis Mathematik. Das Ziel ist eine "allseitige Förderung der Kinder und ihre Erziehung zur Freiheitsfähigkeit" (Buddemeier).

Eine Reihe von Pisa-Postulaten ist an Waldorfschulen längst Wirklichkeit. So werden Fremdsprachen ab der ersten Klasse unterrichtet, eine Auslese vermeintlich schwacher Schüler findet nicht statt, statt Zensuren wird das Fortkommen am Jahresende umfassend dokumentiert. Heinz Buddemeier nennt es deshalb einen "Skandal", daß Politiker nach Skandinavien und Japan reisen, um das Erfolgsrezept der Pisa-Sieger zu studieren, anstatt die nächstgelegene Waldorfschule aufzusuchen. Ein paar Gründe formuliert er allerdings auch.

Rudolf Steiner nämlich hat nicht nur die Waldorfschulen begründet, sondern vor allem die "Anthroposophie", seine Lehre von der Selbst- und Welterkenntnis des Menschen. Steiners Weltanschauung steht einerseits unter Esoterik-Verdacht und wird andererseits in regelmäßigen Abständen von Rassismusvorwürfen eingeholt. Wer sich in Steiners Schriften vertieft, wird die Absurdität solcher Anschuldigungen zwar schnell erkennen. Dennoch zögern Steiners Erben, öffentlichkeitswirksam und offensiv Stellung zu beziehen. Heinz Buddemeier beklagt in diesem Zusammenhang "erkenntniskritische Defizite", die die wissenschaftliche Dialogfähigkeit der Waldorfpädagogik behindern.

Widersprüche kennzeichnen jedoch auch die Beiträge des Buches. Wo Buddemeier die Waldorfpädagogik als rundweg übertragbare Schulmethode preist, hält der Lehrer Zoltàn Labancz zu Recht dagegen, daß die innere Haltung der Erzieher den Ausschlag gibt. Auch Kirsten Sticklers Vorschlag, Lehrerfortbildung via Videokassette zu betreiben, verfehlt das Wesen der Steinerschen Lehre - die Überzeugung nämlich, daß"Menschenbildung nur zwischen Menschen stattfinden kann" (Edwin Hübner).

Nicht zuletzt deshalb werden Computer im Unterrichtsalltag nur sparsam eingesetzt. Für den Lernerfolg ist, wie der Mathematiker Edwin Hübner argumentiert, nicht die flächendeckende Versorgung mit Internetzugängen entscheidend, sondern "ob die Schüler einen seelischen Anschluß an ihre Lehrer haben". Seine Diagnose, daß viele Kinder heute "seelisch erkältet" sind, werden Staats- wie Waldorflehrer gleichermaßen unterschreiben. Ob eine komplette Entstaatlichung des Bildungswesens, wie sie den Autoren vorschwebt, dagegen helfen kann, ist ungewiß. Mit Sicherheit heilsam aber ist die Botschaft, die Waldorflehrer ihren Schützlingen vermitteln: "Du bist wichtig" (Hübner). Wer Kinder ernst nimmt, ermuntert und ermutigt, wird Vertrauen ernten - und Leistung. In diesem Sinne sei das Buch allen empfohlen, die an grünen Tischen über die Zukunft unserer Schulen entscheiden.

DORION WEICKMANN

Heinz Buddemeier, Peter Schneider: "Waldorfpädagogik und staatliche Schule. Grundlagen, Erfahrungen, Projekte". Verlag Johannes Mayer, Stuttgart, Berlin 2006. 216 S., br., 15,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dorion Weickmann erklärt in ihrer Rezension, wieso die Steiner'sche Waldorfpädagogik eine zeitgemäße Alternative zur staatlichen Schulform darstellt. Dem Flickwerk-Aktionismus nach Pisa hält sie diesen aus einem Modellprojekt hervorgegangenen, von Heinz Buddemeier und Peter Schneider herausgegebenen Sammelband entgegen und empfiehlt ihn allen Entscheidungsträgern im Schulwesen zum dringenden Studium. Das positive Fazit der beteiligten Pädagogen und Forscher leuchtet für Weickmann heller als jeder Esoterik- oder Rassismusverdacht, der Rudolf Steiner noch immer umgibt. Die im Band beklagten "erkenntniskritischen Defizite" scheint sie auch zu sehen, ebenso wie die Widersprüche der versammelten Beiträge, wo Lehrern schon mal eine eher anti-Steiner'sche Video-Schulung ans Herz gelegt wird. Auch bleibt Weickmann skeptisch, ob die hier geforderte komplette Privatisierung der Schulen die Lösung ist. Eines aber steht für sie fest: Die Waldorfschülern vermittelte Botschaft: "Du bist wichtig", die ist richtig.

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