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Marteinn Mni Saevarsson ist 28 Jahre alt und steckt, gelinde gesagt, in der Krise. Nach seiner Krankschreibung findet sich der völlig verunsicherte Sportjournalist plötzlich in der Rolle des Familienvaters und Hausmanns wieder. Doch seine Kinder begegnen ihm mit Desinteresse. Nur die mittlere der drei Töchter liebt ihn abgöttisch, aber die, so vermutet Marteinn, entstammt der Affäre seiner Frau mit einem Schauspieler. Zu allem Überfluß wurde ihm ein künstlicher Darmausgang gelegt und nun beschleicht ihn auch noch das beunruhigende Gefühl, die Ärzte hätten dabei etwas in seinem Inneren…mehr

Produktbeschreibung
Marteinn Mni Saevarsson ist 28 Jahre alt und steckt, gelinde gesagt, in der Krise. Nach seiner Krankschreibung findet sich der völlig verunsicherte Sportjournalist plötzlich in der Rolle des Familienvaters und Hausmanns wieder. Doch seine Kinder begegnen ihm mit Desinteresse.
Nur die mittlere der drei Töchter liebt ihn abgöttisch, aber die, so vermutet Marteinn, entstammt der Affäre seiner Frau mit einem Schauspieler. Zu allem Überfluß wurde ihm ein künstlicher Darmausgang gelegt und nun beschleicht ihn auch noch das beunruhigende Gefühl, die Ärzte hätten dabei etwas in seinem Inneren vergessen. Kein Wunder, daß er jegliche Lust auf Sex verloren hat.
In dieser Situation ringt Marteinn darum, sich selbst zu finden und die Fehler der Elterngeneration nicht zu wiederholen. In schonungslosen Monologen erfährt der Leser von den Kämpfen und Hoffnungen eines Mannes, der hin- und hergerissen ist zwischen selbstbestimmter Männlichkeit und dem modernen Idealbild des weichen, gefühlvollen Familienvaters, und sich dabei immer wieder als den dümmsten Vater der Welt erfährt.
Autorenporträt
Mikael Torfason, geb. 1974 in Reykjavik lebt, wor er mit seiner Frau und zwei Kindern lebt, schreibt Radio- und Fernsehbeiträge und ist Drehbuchautor.

Tina Flecken, geboren 1968 in Köln. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Verlagslektorin arbeitet sie seit 2005 als freie Übersetzerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2004

Schrei den Namen deiner Mutter
Banale Phase: Eine Reykjavíker Neinsaga von Mikael Torfason

Gegensätze ziehen sich meist weniger an als gegenseitig herunter. Eine stets produktive Antithese ist aber diejenige von Kunst und Leben. Es scheint einer überirdischen Gerechtigkeit Genüge getan, wenn der Künstler zwar am Leben scheitert, doch keineswegs wie der normale Mensch in seiner Qual verstummt. Während jedoch Traumtänzer wie Goethes Tasso mit der Realität haderten, weil ihr arkadisches Gemüt für diese Welt zu weit war, hat der moderne Künstlerroman das Genieproblem vom Kopf in die Füße verlagert: Wird nur groß genug gescheitert, stellt sich die Kunst schon von alleine ein. Und nichts disponiert besser zur Schöngeisterei als eine schreckliche Kindheit.

Marteinn Máni Saevarsson, Journalist, dilettierender Autor sowie Held des nun in deutscher Übersetzung erschienenen Romans des isländischen Journalisten und dilettierenden Autors Mikael Torfason, scheitert gleich auf mehrfache Weise. Der Erfüllung seiner biologisch vorgesehenen Mannespflicht kommt Marteinn Máni ein körperlicher Defekt in die Quere, wobei schon die Schilderung des künstlichen Darmausgangs reichlich obsessiv ausfällt. Nach einem Zusammenbruch im heimischen Badezimmer landet der Antiheld im Krankenhaus und befördert sich mittels zweier ruinöser Fluchtversuche schließlich selbst ins Koma. Als sich alle Protagonisten seines Lebensromans am Krankenbett versammelt haben, bricht er gar in Tränen aus. Im Laufe des Romans kommt er der Tatsache auf die Schliche, daß die einzige seiner drei Töchter, welche ihn nicht verachtet, gar nicht mit ihm verwandt ist.

Der Icherzähler, mit 28 Jahren weder jung noch alt, verharrt im Todesstreifen zwischen den Idealen: sarkastisch, verletzt, heimgesucht von sexuellen Phantasien. Dieses Rollendesaster hat exemplarischen Charakter: In einer bereits gekenterten Gesellschaft kann man nicht scheitern. Diese Chronologie des Zerfalls geriert sich nämlich als Abrechnung, und zwar - es geht kaum über die Lippen - mit "der furchtbaren 68er-Generation, die hier im Land das Sagen hat". Mit Verspätung scheint damit die Generationenthematik auch am Polarkreis angekommen zu sein, die man schon von Michel Houellebecq kennt.

Der genüßlich exkrementelle, stellenweise amüsante, immer aber unmäßige Roman wirbelte in Island einigen Staub auf und brachte es gar zum Bestseller. Schließlich werden nicht alle Tage die liberalen Grundsätze des Landes verhöhnt, der verehrte Regisseur Baltasar Kormákur der heimlichen Kindsvaterschaft verdächtigt, die ehemalige Reykjavíker Bürgermeisterin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir mit Schmutz beworfen und der Regierungschef Davíd Oddson der Unzurechnungsfähigkeit geziehen.

Für das eigentliche, nämlich literarische Scheitern kann allerdings die Generation Batik nichts. Mag der Stoff - ein depressiver Familienvater gibt an seine eigene Familie weiter, was er an Kränkungen erfuhr - noch von laienpsychologischem Interesse sein, formal wie intellektuell unterbietet Mikael Torfason souverän jede Daily Soap. Zur Bierlaunensyntax gesellt sich eine enervierende Platitüdentrompeterei nebst einem ausgewachsenen Tourette-Syndrom: Wie der Held als kleines und bereits krankes Kind von seiner überforderten Mutter - der ersten von dreien - mit den eigenen Exkrementen beworfen wurde, schleudert der überforderte Erzähler Vulgarismen durch den Raum. Dabei weiß man seit der Poetik des Aristoteles, daß die ausschließliche Verwendung umgangssprachlicher Ausdrücke zwar beachtlich klar, aber leider banal wirkt. Vokabeln wie das arg strapazierte "verdammt" hinterlassen zudem einen Jugendbuchgeschmack, was sicher nicht allein der Übersetzung anzulasten ist. Die einzige Überraschung gelingt dem Buch, als sich herausstellt, daß der Erzähler in seinem Bericht sich selbst und dem Leser wichtige Begebenheiten unterschlagen hat.

Mehr als an den Künstler- oder Krankheitsroman lehnt sich Mikael Torfason jedoch an die Tradition intimer Konfessionen an. Die Beichte - hier mehr abgeworfen denn abgelegt - schlägt jedoch allenthalben um in ein wüstes "J'accuse". In inneren Monologen werden sämtliche alte Rechnungen noch einmal abgerechnet: Homosexualität, Altersheim, Abtreibung, Scheidung, Vielweiberei und Psychotherapie, für Saevarsson das Bastardvermächtnis von "Papas Generation". Dann wieder rennt er offene Türen ein: Etwa rauscht angesichts der Reykjavíker Wiederverwertungsanlage eine Medienkritik in den Text: Das Recycling habe das Original abgelöst. Der philosophische Anker im Meer der simulierten Sinnlosigkeit ist denn auch Jean Baudrillard, dessen Nostalgie eines großreinemachenden Terrorismus hier reformuliert wird als Prophezeiung, "daß wir auf alles scheißen und die Vernunft ausmerzen werden, wenn dieser ganze Mist zusammenbricht". Stark wird der Roman denn auch nur dort, wo sich rohe Kräfte sinnlos entfalten. Begründet wird das apodiktisch: "Man muß immer jemanden hassen." Einstweilen aber ist die Vernunft noch da und kann nur melancholisch werden ob des ganzen Mistes.

OLIVER JUNGEN

Mikael Torfason: "Der dümmste Vater der Welt". Roman. Aus dem Isländischen übersetzt von Tina Flecken. Tropen Verlag, Köln 2003. 256 S., geb., 18,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Oliver Jungen äußert sich recht abfällig über Mikael Torfasons Roman, der in Island ob seiner Angriffe auf die "liberalen Grundsätze des Landes" zum Bestseller wurde: von "Bierlaunensyntax" ist die Rede, von "Plattitüdentrompeterei" und einem erzählerischen Tourette-Syndrom, womit Jungen darauf anspielt, dass sich der Roman des Vulgären so wenig enthält, dass er irgendwann leider nur noch "banal" sei. Antiheld und Icherzähler ist ein Journalist und "dilettierender Autor" (das hat er mit seinem Schöpfer gemein, stänkert Jungen), der krank, depressiv und im Stile gescheiterter Künstlerfiguren Gift verspritzt, "genüsslich exkrementell" sowie "stellenweise amüsant", aber literarisch katastrophal. "Formal wie intellektuell unterbietet Mikael Torfason souverän jede Daily Soap", schreibt Jungen und scheint erleichtert darüber, auf das "Meer der simulierten Sinnlosigkeit" nur noch vom trockenen Ufer der Literaturkritik aus blicken zu müssen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der Roman ist wie eine Geburtstagsfeier, auf der sich die fröhlichen Gesichter der Kinder langsam zu unheimlichen, vampirhaften Fratzen verwandeln, ohne daß sie aufhören ,Happy Birthday' zu singen." (Terje Holt Larsen, Nordic Literature)