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Haben wir Mitleid mit Tieren oder erblicken wir uns sogar selbst im Tier? Wie kam es, daß die Schlachtung als Teil der Zubereitung aus den Kochbüchern verschwand? Ist die weitgehende Abwesenheit von Tieren in der Öffentlichkeit eine Voraussetzung für die unverhältnismäßige Menge an Kuscheltieren, mit denen heute Kinder wie Erwachsene beschenkt werden? In seiner Kulturgeschichte zur Beziehung zwischen Mensch und Tier beschreibt Bernhard Kathan den Weg von der Ernährungsgrundlage bis hin zum sprachlosen Familienmitglied. Redewendungen, Glaubensvorstellungen und Mythen kehren in Form von Film,…mehr

Produktbeschreibung
Haben wir Mitleid mit Tieren oder erblicken wir uns sogar selbst im Tier? Wie kam es, daß die Schlachtung als Teil der Zubereitung aus den Kochbüchern verschwand? Ist die weitgehende Abwesenheit von Tieren in der Öffentlichkeit eine Voraussetzung für die unverhältnismäßige Menge an Kuscheltieren, mit denen heute Kinder wie Erwachsene beschenkt werden? In seiner Kulturgeschichte zur Beziehung zwischen Mensch und Tier beschreibt Bernhard Kathan den Weg von der Ernährungsgrundlage bis hin zum sprachlosen Familienmitglied. Redewendungen, Glaubensvorstellungen und Mythen kehren in Form von Film, Symbol oder Tischsitte wieder. Wenngleich die offen zur Schau gestellte Lust an der Tierquälerei der Frage gewichen ist, ob das Tier eine Seele hat, bleibt beim Anblick desselben eine elementare Unsicherheit zurück. Im jeweiligen Tierbild des Menschen spiegeln sich die gesellschaftlichen Brennpunkte einer Epoche. Die Schaffung des unsichtbaren Schlachthofes gilt bei Kathan als Voraussetzung für die scheinbare Vermenschlichung, mit der wir Tieren heute begegnen.
Kathan beschreibt, wie sich die Beziehung des Menschen zum Tier im Laufe der Jahrhunderte wandelte: Vom reinen Nutztier (die Gans wird noch auf dem Küchentisch getötet), über die allmählich aufkommende Frage: Hat das Tier eine Seele? bis hin zur völligen Spaltung in die tierquälerische Haltung von Tieren in Großbetrieben und die Vermenschlichung des Tieres als Haustier.Kathans kritische These lautet: Unmenschliche Tierhaltung und Vermenschlichung des Haustieres bedingen sich gegenseitig."Scharfsinnig und kenntnisreich bewegt sich der Autor im Spannungsfeld zwischen den beiden extremen Rollen, die der Mensch dem Tier zugedacht hat: Schlachtvieh und Kuscheltier.Mit provokanten und unkonventionellen Ansätzen, aber ohne missionarischen Eifer, wird der Leser mit den Widersprüchen unserer Beziehung zum Tier konfrontiert. [.] Ein sehr intellektuelles, spannendes Buch; allerdings nicht ganz leicht zu verdauen." (Tiroler Tageszeitung)"Der Wissenschaftler wählt in seinem spannend geschriebenen Buch "Zum Fressen gern" aber lieber den nüchternen Blick des Kulturhistorikers, anstatt an die moralisch-vegetarische Vernunft zu appellieren. [.] Bestechend ist Kathans minutiöse Analyse des modernen Schlachthofs als einer Stätte des erbarmungslosen Tötens, in der das Tier nur noch als Gut zur industriellen Weiterverwertung, aber nicht mehr als fühlende Kreatur behandelt wird." (Stuttgarter Zeitung)
Autorenporträt
Bernhard Kathan, geb. 1953, lebt als Sozialwissenschaftler, Publizist und Künstler in Innsbruck. Er verknüpft in seiner Arbeit kulturhistorische Studien mit der Analyse von Alltagsphänomenen der Gegenwart. Zuletzt erschien von ihm "Das Elend der ärztlichen Kunst" im Kulturverlag Kadmos.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Richard David Precht hat in diesem Buch des Künstlers und Sozialwissenschaftlers Bernhard Kathan eine, wie er lobt, "kleine, aber sehr genau gezeichnete Phänomenologie all der Widersprüche" im menschlichen Verhältnis zum Tier gefunden, die "im Kopf des Normalmenschen gemeinhin nicht aufeinander treffen". Auch glaubt der Rezensent, dass sich kein anderes Buch diesen widersprüchlichen Verhältnissen bislang "auf vergleichbar ungewöhnlichen Pfaden" genähert haben dürfte. So liegt Kathans Stärke für den Rezensent in den "oft spitzfindigen" psychologischen Beobachtungen und "minutiösen Gedankenexperimente" etwa zur Frage, wie groß ein Tier sein muss, damit "uns sein Todeskampf noch bewegt".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2004

Es schreit wie wir, es stirbt
Schlechtes Gewissen von Anfang an: Charles Patterson und Bernhard Kathan zwingen uns zum historischen Blick auf das Versklavungsfließband der Schlachtfabriken
Der Mensch konnte nur zum Menschen werden, weil er tierisches Fleisch verzehrte. Das Gehirn setzt gewichtsbezogen 16mal so viel Energie um wie der Bizeps, da reichten Pflanzen allein nicht aus, noch dazu, wenn man sie, vor Entdeckung des Feuers, roh verzehren musste. Doch die steinzeitlichen Jäger hatten von Anfang an ein schlechtes Gewissen dabei, die von ihnen als gleichrangig angesehenen Tiere zu töten. Und so entwickelten sie allerlei Rituale, opferten einen Teil den Göttern, bestatteten die Knochen.
Aus Jägern wurden Bauern. Und das Elend begann. Die Bauern sahen die Tiere nicht mehr als gleichrangig an; sie verstanden sich, wie das Alte Testament beschreibt, als von Gott eingesetzte Herrscher über die Erde, also auch über das Vieh. So domestizierte der Mensch die Tiere. Der amerikanische Historiker und Psychotherapeut Charles Patterson hat die Geschichte nachgezeichnet. Sein Fazit: „Zuerst beuten die Menschen die Tiere aus und töten sie; dann behandeln sie andere Menschen wie Tiere und verfahren mit ihnen genauso.”
Auf Pattersons Buch steht das Wort von Isaac B. Singer, für die Tiere sei „jeden Tag Treblinka”. Nun werden viele Menschen - wie der Rezensent - meinen, die Gaskammern des Holocaust stellten eine andere Qualität menschlicher Hybris dar als die Schlachthöfe für Rinder, Schweine oder Hühner, auch wenn man dem Tier durchaus die Fähigkeit zum Leiden zuschreibt. Doch Pattersons Vergleich ist gleichwohl ein sehr nachdenklich stimmendes Unterfangen.
Der nächste Schritt nach der Versklavung der Haustiere war die Versklavung der Menschen. Während man in den frühen Zivilisationen Mesopotamiens zunächst alle männlichen Gefangenen tötete, kastrierte man sie später, brandmarkte sie wie das Vieh mit heißem Eisen, legte sie wie den Hofhund in Ketten und hielt sie im Stall wie die Haustiere. Ähnliches Verhalten haben Weiße in Amerika im Umgang mit den Indianern wie mit den aus Afrika importierten Sklaven an den Tag gelegt.
Aus der Kastration wurde die Sterilisation. Von den Tierzüchtern haben im 19. und 20. Jahrhundert Wissenschaftler die Idee der Reinhaltung der Rasse einschließlich des Ausmerzens „lebensunwerten Lebens” abgeschaut. In den 1920er Jahren unterstützten amerikanische Stiftungen die deutsche Eugenik-Forschung mit viel Geld. Als Hitler 1933 in seinem „Erbgesundheitsgesetz” die Sterilisation behinderter Menschen vorsah, registrierten, berichtet Patterson, amerikanische Eugeniker stolz, dass die Nazis aus dem kalifornischen Sterilisationsgesetz abgeschrieben hatten.
Das Fließband, so hat man es gelernt, hat als erster Henry Ford in seinen Autofabriken eingeführt und so die industrielle Massenproduktion erfunden. Ford hat aber lediglich die Methoden der Schlachthäuser Nordamerikas übernommen und adaptiert. Dort wurden viel früher schon Rinder und Schweine am Fließband getötet und zerlegt. Wie Charles Patterson diese Schlachtfabriken beschreibt, ist schwer erträglich. Hier konkretisiert sich der Ruf vieler Tierschützer: Wenn Ihr wüsstet, was mit den Tieren gemacht wird, würdet Ihr sie nicht mehr essen können.
Maßgebliche Funktionäre der Ermordung der Juden, hebt Patterson hervor, waren ausgebildete Landwirte - von Heinrich Himmler bis Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz. Bei der Perfektionierung des Tötens und der „Weiterverarbeitung” von Juden und anderen „Untermenschen” habe man die Schlachthäuser zum Vorbild genommen. In beiden Fällen trage ein rascher und möglichst reibungsloser Ablauf dazu bei, dass den Tätern keine Skrupel und die Opfer nicht zur Besinnung kommen. In beiden Bereichen gilt die Sorge der Verantwortlichen nicht den Opfern, sondern dem ausführenden Personal.
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie Charles Patterson kommt der österreichische Sozialwissenschaftler Bernhard Kathan aufgrund der Lektüre von Kochbüchern und des Studiums alter Bilder und neuerer Filme. Mitte des 18. Jahrhunderts, berichtet er, hat sich die Köchin über das Töten eines Tieres allenfalls Gedanken gemacht, wenn es Teil einer bestimmten Zubereitung war. Erst im 19. Jahrhundert kommen Beschreibungen auf, wie Tiere richtig zu schlachten seien - und man beginnt zu spekulieren, ob und inwieweit Tiere Schmerzen empfinden. Gleichzeitig machen Wissenschaftler im Tierexperiment erste objektivierbare Erfahrungen.
Doch nicht zufällig, meint Kathan, setzte in den Kochbüchern der Schmerzdiskurs in jenem Augenblick ein, in dem lebende Tiere aus den Küchen verschwanden und die industrielle Lebensmittelproduktion begann. Auch Kathan schildert sehr ausführlich die Vorgänge in den Schlachthäusern, in denen der Tod nicht mehr stattfinde, weil er nicht mehr sichtbar sei. Es gelinge perfekt, das lebende Tier in ein Objekt der Arbeit zu verwandeln und in einen mechanisierten Ablauf einzufügen - wobei der Transport der Tiere beziehungsweise des daraus gewonnenen Fleisches dazu gehört. „Will man die Bewegungsabläufe des Schlachthofes verstehen, muss man das Blut und die Schreie der Tiere vergessen.” Wesentlicher sei „das Organisationsprinzip, welches seine Objekte vereinnahmt, jede Gewalt unsichtbar macht”.
Für Kathan wie für Patterson geht es, indem sie den Umgang mit den Tieren beschreiben, um den Menschen, sein Verständnis von Schmerz und Leid und Tod. Der Tier-Diskurs, so Kathan, sei „Indikator für die Verschiebungen im Empfindungs- und Wahrnehmungsgefüge des Menschen.” Dies zeigen beide Bücher der auf erschreckende Weise detailversessenen Autoren. Eine anstrengende, keine vergnügliche, vielleicht dennoch eine notwendige Lektüre.
Charles Patterson
„Für die Tiere ist jeder Tag Treblinka”
Über die Ursprünge des industrialisierten Tötens. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 2004. 305 Seiten, 16,90 Euro.
Bernhard Kathan
Zum Fressen gern
Zwischen Haustier und Schlachtvieh. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2004. 256 Seiten, 18,50 Euro.
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"Scharfsinnig und kenntnisreich bewegt sich der Autor im Spannungsfeld zwischen den beiden extremen Rollen, die der Mensch dem Tier zugedacht hat: Schlachtvieh und Kuscheltier. Mit provokanten und unkonventionellen Ansätzen, aber ohne missionarischen Eifer, wird der Leser mit den Widersprüchen unserer Beziehung zum Tier konfrontiert. ... Ein sehr intellektuelles, spannendes Buch; allerdings nicht ganz leicht zu verdauen." (Tiroler Tageszeitung)

"Kathan schildert das, was ihm wichtig ist, recht treffend und weiß - meist allerdings fernab von seinem Hauptthema - etliche Zusammenhänge eindringlich zu schildern." (Psychologie heute)

"Der Wissenschaftler wählt in seinem spannend geschriebenen Buch "Zum Fressen gern" aber lieber den nüchternen Blick des Kulturhistorikers, anstatt an die moralisch-vegetarische Vernunft zu appellieren. ... Bestechend ist Kathans minutiöse Analyse des modernen Schlachthofs als einer Stätte des erbarmungslosen Tötens, in der das Tier nur noch als Gut zur industriellen Weiterverwertung, aber nicht mehr als fühlende Kreatur behandelt wird." (STZ)