Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 9,50 €
  • Broschiertes Buch

Die Entnazifizierung der Richter und Staatsanwälte am Beispiel des Sondergerichts Bremen. Gabriele Rohloff, selbst Assessor iur., beschreibt vor dem Hintergrund des Sondergerichts Bremen zwölf Juristenkarrieren, die nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes nahtlos fortgesetzt werden konnten. Die Autorin stellt dar, wie sich die Justiz nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wieder etablierte.

Produktbeschreibung
Die Entnazifizierung der Richter und Staatsanwälte am Beispiel des Sondergerichts Bremen. Gabriele Rohloff, selbst Assessor iur., beschreibt vor dem Hintergrund des Sondergerichts Bremen zwölf Juristenkarrieren, die nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes nahtlos fortgesetzt werden konnten. Die Autorin stellt dar, wie sich die Justiz nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wieder etablierte.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelrezension bespricht Friedrich-Christian Schroeder zwei Bücher, die sich mit Rechtssprechung im Nationalsozialismus bzw. Entnazifizierung befassen.
1.) Frank Roeser: "Das Sondergericht Essen 1942-1945" (Nomos)
Geteilter Meinung zeigt sich der Rezensent zu diesem Buch. Einerseits findet er es durchaus aufschlussreich, dass Roeser aufzeigt, wie gerade das Sondergericht in Essen in zahlreichen Urteilen "häufig nicht den Ermittlungen der Polizei folgte" und so manche Anweisungen zur Urteilsfindung "mit deutlicher zeitlicher Verzögerung eingeführt wurden", wofür der Autor den Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm mitverantwortlich macht. Darüber hinaus weiß es Schroeder durchaus zu schätzen, dass der Autor eine genaue Auflistung der Urteile und Strafvorschriften vornimmt. Allerdings widerspreche sich Roeser beispielsweise dort, wo er eine besonders harte Verurteilung von Ausländern diagnostiziert, obwohl sich sämtliche Todesurteile in Prozessen wegen Plünderei gegen deutsche Staatsangehörige richteten. Auch die Darstellung von "erschütternden Einzelfällen" lobt der Rezensent, doch moniert er, dass Roeser über "weitgehend deskriptive Einzelfälle" kaum hinaus geht. Davon abgesehen findet der Rezensent die Tatsache bedauerlich, dass der Autor kaum Vergleiche mit anderen Sondergerichten anstellt.
2.) Gabriele Rohloff: "Ich weiß mich frei von irgendeiner Schuld..." (PD-Verlag
Der Rezensent weiß hier zwar das "aufwendige Aktenstudium" der Autorin sehr zu schätzen und hat bei der Lektüre auch so manch überraschende Erkenntnis gewonnen, etwa bei dem Aspekt, welch große Rolle bei der Entnazifizierung die Mitgliedschaft in der NSDAP spielte und wie wenig andererseits die "Beteiligung an Unrechtsurteilen" berücksichtigt wurde. Doch macht Schroeder auch einige Ungereimtheiten in diesem Buch aus. So moniere die Autorin, dass am Bremer Sondergericht bei zahlreichen Todesurteilen das "Strafmaß voll ausgeschöpft" worden sei, andererseits sei jedoch die Todesstrafe bei Plünderungen "zwingend" gewesen, so Schroeder. Überhaupt kritisiert der Rezensent die Vorgehensweise der Autorin als häufig "unpräzise". So sei etwa das Zitat im Titel des Buchs unvollständig und suggeriere einen völlig falschen Zusammenhang, was Schroeder dem Leser auch näher erläutert.

&copy
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2001

Dem Galgen verpflichtet
Todesurteil für die "Plünderung" von drei Blechnäpfen im Wert von drei Reichsmark: Die Sondergerichte in Essen und Bremen

Frank Roeser: Das Sondergericht Essen 1942-1945. Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 2: Forum juristische Zeitgeschichte, Band 7. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000. XII, 175 Seiten, 52,- Mark.

Gabriele Rohloff: "Ich weiß mich frei von irgendeiner Schuld . . .". Die Entnazifizierung der Richter und Staatsanwälte am Beispiel des Sondergerichts Bremen. PD-Verlag, Heidenau 1999. 188 Seiten, 29,80 Mark.

Sieben Wochen nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler errichtete die Reichsregierung in allen Oberlandesgerichtsbezirken Sondergerichte für bestimmte Strafsachen, deren Wesen vor allem in einem besonderen, nämlich stark vereinfachten Verfahren bestand. Infolge laufender Erweiterung ihrer Zuständigkeit wurde 1939 die Möglichkeit geschaffen, bei allen Landgerichten Sondergerichte einzurichten. Daraufhin beantragte auch der Präsident des Landgerichts Essen ein Sondergericht, da für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm mit seinen sechs Millionen Gerichtseingesessenen das Sondergericht Dortmund nicht ausreiche. Schon 1940 bezeichnete es Roland Freisler, damals noch Staatssekretär im Reichsjustizministerium, als vorbildlich. Nachdem die Rechtsprechung zahlreicher anderer Sondergerichte bereits monographisch behandelt wurde, legt Frank Roeser nunmehr eine Darstellung für das Sondergericht Essen vor.

Roeser zeigt auf, daß die Instrumente zur Lenkung der Justiz unter dem Nationalsozialismus (die Meldepflichten der Staatsanwälte, die Absprachen zwischen den Richtern über die Einheitlichkeit der Strafzumessung und die Vor- und Nachschauen hinsichtlich der bevorstehenden oder erlassenen Urteile) in Essen mit deutlicher zeitlicher Verzögerung eingeführt wurden. Er führt dies auf einen mäßigenden Einfluß des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm zurück. Er bescheinigt dem Sondergericht Essen auch, daß es zur Feststellung der Strafschärfungsgründe der "Ausnutzung der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Maßnahmen" und "Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse" häufig nicht den Ermittlungen der Polizei folgte, sondern Ortsbesichtigungen vornahm. Er sieht darin das "Hochhalten eines Rudiments richterlicher Unabhängigkeit". Der Polizeipräsident behinderte dies, indem er dem Dienstfahrzeug des Landgerichts den "roten Winkel" entzog, der nur kriegswichtigen Fahrzeugen zur Gewährung bestimmter Treibstoffmengen erteilt wurde.

Daß die Lenkungsmechanismen sogar im Sinne des Systems bedenkliche, weil die Bevölkerung abstoßende Urteile nicht verhindern konnten, zeigt der Fall eines 69 Jahre alten litauischen Reichsinvaliden, der nach einem schweren Luftangriff drei aus einem Haushaltswarengeschäft herausgeschleuderte Blechnäpfe im Wert von drei Reichsmark an sich genommen hatte. Er wurde noch am selben Tage vom Sondergericht wegen Plünderung zum Tode verurteilt. Nachdem sich der Staatsanwalt beim Reichsjustizministerium die Bestätigung für die Vollstreckung des Urteils eingeholt hatte, wurde er am folgenden Morgen hingerichtet. Nach dem Abschlußbericht empörte sich das Reichsjustizministerium darüber, daß ihm nicht mitgeteilt worden sei, daß der Täter selbst ein Opfer des Bombenangriffs gewesen war.

Im folgenden schildert Roeser eingehend die Rechtsprechung des Sondergerichts Essen, und zwar gegliedert nach den Strafvorschriften der Rundfunkverordnung, des Heimtückegesetzes, der Volksschädlingsverordnung, der Gewaltverbrecherverordnung und der Kriegswirtschaftsverordnung. Insgesamt ermittelt er 93 Todesurteile, von denen 90 vollstreckt wurden. Wenngleich darunter auch Mordfälle fielen, die schon zur Zeit der Weimarer Republik die Todesstrafe nach sich zogen, so ergingen doch 77,5 Prozent aller Todesurteile aufgrund der "Verordnung gegen Volksschädlinge", die die Plünderung und unter Ausnutzung der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Maßnahmen begangene Straftaten mit der Todesstrafe bedrohte. Die These Roesers, daß das Sondergericht dabei gegen Ausländer mit besonderer Härte vorging, wird allerdings durch seine eigene Ausführung widerlegt, nach der sämtliche 16 Plündereiprozesse gegen deutsche Staatsangehörige zu Todesurteilen führten.

Roeser bringt zwar wertvolles statistisches Material zu den Verurteilungen nach den wichtigsten Strafvorschriften des nationalsozialistischen Strafrechts und schildert erschütternde Einzelfälle, gelangt aber über diese weitgehend deskriptiven Feststellungen kaum hinaus. Noch wichtiger wäre es, die inzwischen vorliegenden Forschungsergebnisse über zahlreiche Sondergerichte miteinander zu vergleichen.

Gabriele Rohloff hat mit aufwendigem Aktenstudium die Entnazifizierung und die Nachkriegskarrieren der zwölf Richter und Staatsanwälte des Sondergerichts Bremen untersucht. Personalnot in der Justiz, Obstruktion gegenüber den Besatzungsbehörden und "Persilscheine" machten auch hier die Entnazifizierung weitgehend erfolglos, wobei in Bremen noch ungeklärte Kompetenzabgrenzungen zwischen der amerikanischen und der britischen Besatzungsmacht hinzukamen. Überraschend ist, wie sehr dabei auf das formale Kriterium der Zugehörigkeit zur NSDAP und den ihr angeschlossenen Verbänden und wie wenig auf eine Beteiligung an Unrechtsurteilen selbst abgestellt wurde. Auch Rohloff leistet hierzu keine Klärung, wenn sie den Richtern am Bremer Sondergericht vorwirft, sie hätten mit 55 Todesurteilen das Strafmaß voll ausgeschöpft, andererseits jedoch selbst darauf hinweist, daß bei den häufigen Plünderungsfällen die Todesstrafe zwingend war. Die unpräzise Arbeitsweise dokumentiert sich auch im Titel des Buches. Der Leitende Oberstaatsanwalt hatte gegenüber der Spruchkammer erklärt: "Ich weiß mich frei von irgendeiner Schuld, Hitler an die Macht verholfen zu haben."

FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr