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Produktdetails
  • Verlag: ACHILLA Presse
  • ISBN-13: 9783928398923
  • ISBN-10: 392839892X
  • Artikelnr.: 20791189
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2007

Die vergifteten Bratkartoffeln
In der Mördergrube: Mirko Schädels Bibliographie der Kriminalliteratur

Von Hubert Spiegel

Allein die Titel sind hinreissend: "Die vergifteten Bratkartoffeln" von G. Mühlen-Schulte, erschienen 1922. Oder "Frauenlist" und "Frauenschuld" und "Die Frau, die es nicht war". "Flimmergrete" und "Die hübsche kleine Hässliche". Oder, erschienen 1924 im Dresdner Mignon-Verlag, "Der Patin".

Manches möchte man sofort lesen. Etwa "Der Kampf um Mohammeds heiligen Pantoffel", auf Deutsch 1930 im Goldmann Verlag erschienen, verfasst von Sax Rohmer, hinter dem sich der 1883 in Birmingham geborene Arthur Henry Sarsfield Ward verbarg. Neunzehn Bücher erschienen von Rohmer auf deutsch. Nach der Machtergreifung wurde der Engländer sofort mit einem Publikationsverbot belegt. Ein hoher Nazi-Funktionär soll in Baden-Baden ein Auge auf Rohmers Frau geworfen haben.

Solche Detailinformationen zu den Autoren sind selten in Mirko Schädels sonst überaus reicher zweibändiger "Illustrierten Bibliographie der Kriminalliteratur". Sie verzeichnet 8981 Kriminalromane, die zwischen 1796 und 1945 im deutschen Sprachraum erschienen sind, und bildet zahlreiche Einbandillustrationen ab, nicht wenige davon in Originalgröße. Deshalb handelt es sich zunächst einmal um ein Buch für Augenmenschen: Man kann nach Herzenslust darin herumblättern, in den Titeln stöbern und die wechselnden Moden der graphischen Gestaltung auf den Titelblättern verfolgen. Es kommt alles vor, Jugendstil und neue Sachlichkeit, Expressionismus und Japonismus. Aber Schädels Bibliographie ist kein Coffee-table-book, sondern ein neues Standardwerk, dessen Wert für die Erforschung der Geschichte des Kriminalromans gar nicht hoch genug zu veranschlagen ist.

Hier lässt sich nachprüfen, dass die deutsche Kriminalliteratur des neunzehnten Jahrhunderts doch nicht so arm war, wie immer behauptet wird. Erstaunlich ist auch die Vielzahl der Übersetzungen aus dem Englischen bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren. Ein Feld für sich sind die Krimis aus der Nazi-Zeit. Was hatte es zum Beispiel mit dem Berliner Gaupressestellenleiter Ernst Johann Friedrich Weber auf sich, der unter dem Namen Max Wing zahlreiche Romane um seinen Helden John Kling veröffentlichte und dafür so schöne Titel erfand wie "Die Sache mit dem Neger" oder "Satan greift ein" (1933)? Nach 1934 bricht Wings rege Produktion unvermittelt ab.

Derlei Fragen kann und will Schädels Bibliographie nicht beantworten, auch erhebt sie keine Anspruch auf Vollständigkeit. Das schmälert ihren Wert nicht: Sie ist unvergleichlich als Fundgrube, beeindruckend als Dokument einer großen Sammelleidenschaft und bestechend in ihrer Druckqualität.

"Kein geringer Gewinn wäre es für die Wahrheit, wenn bessere Schriftsteller sich herablassen möchten, den Schlechten die Kunstgriffe abzusehen, wodurch sie sich Leser erwerben, und zum Vortheil der guten Sache davon Gebrauch zu machen". Schiller schrieb dies in seinem Vorwort zum "Pitaval", der Sammlung historischer Rechtsfälle von 1792. Den "Pitaval" hat Schädel bewusst nicht aufgenommen, ebenso fehlen "Der Geisterseher" und "Der Verbrecher aus verlorener Ehre". Es gibt bei ihm nur Schiller, Gustav: "Die fliegenden Pfeile", Berlin 1912.

- Mirko Schädel: "Illustrierte Bibliographie der Kriminalliteratur 1796 - 1945 im deutschen Sprachraum". Unter Mitwirkung von Robert N. Bloch. Achilla Presse, Butjadingen 2006. Zwei Bände im Schuber. 1024 S., etwa 1200 farbige Abb., geb., 198,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensent Tobias Gohlis ist begeistert. Denn diese illustrierte Megabibliografie ist aus seiner Sicht geeignet, ganze Forschungszweige zum Thema deutsche Krimiliteratur neu zu entzünden. In diesem Bereich nämlich kursierten im Wesentlichen Legenden, die dieses Buch nun auf das Minutiöseste widerlegen bzw. zurechtrücken würde. Etwa 4200 Bücher habe der passionierte Verleger und Sammler in sechzehn Jahren Detektivarbeit in Augenschein genommen. Viele Exemplare existierten lediglich noch in abgelegenen Bibliotheken, oft nur als Mikrofiches. Einzigartig wird diese Bibliografie für den Rezensenten durch ihren Illustrationsteil mit etwas 1200 Abbildungen historischer Buchcover. Alles, was in den letzten 150 Jahren gestaltungstechnisch gerade neu und avantgardistisch gewesen sei, sei hier stets sogleich zur Anwendung gekommen.

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