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Produktdetails
  • Mutabor
  • Verlag: Achilla Presse
  • Seitenzahl: 39
  • Abmessung: 265mm
  • Gewicht: 317g
  • ISBN-13: 9783928398770
  • ISBN-10: 3928398776
  • Artikelnr.: 09850996
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2002

Ist Menschenhaut ein Medium für das Böse dieser Welt?
Ein bibliophiler Spuk: Die Wahrheit über Arnold Hau kennen wir, die über Arno Hauchs Schauergeschichten liegt noch im Dunkeln
Wenn eine Buchreihe „Mutabor” heißt, ihr Untertitel „Mumien, Monstren, Mutationen”, das Buch „Die Menschenhaut” und der Einmannverleger zudem Mirko Schädel, folgt erwartungsgemäß keine Gutenachtgeschichte, sondern Phantastik. Schauerlichschön blicken einem Jörg Kleinschmidts Illustrationen mordender und Leichen schleppender Menschengestalten aus dem Text eines Unbekannten entgegen. Mit zarten Wasserfarben zu Papier gebracht, wirken sie trotz wild aufgerissener Augen fast zu schön für all die blutrünstigen Phantasien, die sie bebildern sollen.
Fünf Jahre nach Oskar Panizzas phantastischer Erzählung „Die Menschenfabrik” und fünf Jahre vor Walter Mehrings Phantastika „In Menschenhaut. Aus Menschenhaut. Um Menschenhaut herum” veröffentlichte ein gewisser Arno Hach im Jahre 1919 „Die Menschenhaut”. Kaum jemand hatte bis dahin seine Gedichtbände zur Kenntnis genommen, auch wurde Hachs Erzählband „Der Kopf des Maori”, dem die Geschichte entnommen ist, nicht weiter beachtet. Sonderbar, denn das Buch hatte das Zeug zum Literaturskandal. Kurz nach der Novemberrevolution erschienen, erzählt es von einer unerwiderten Liebe aus den Jahren der Französischen Revolution.
Im dunklen Treppenhaus seines Versteckes begegnet Marquis Rochelle de l’Isle der schönen Hortense Rocque. „Bürger Rochelle” verfällt ihr mit Haut und Haar. Doch bald schon erfährt er, dass die unnahbare Schöne als männermordende Bestie geköpft worden ist. Sie soll ihre Opfer sogar entmannt haben. Da aber Rochelle ein Edelmann ist, der seine verschmähten Gefühle ernst nimmt, lässt er sich aus der Haut der Gouillotinierten eine Hose nähen.
Die Revolution hat einem Gerber nahe Paris neue Rohstoffe erschlossen. Seine Geschäftsidee, Menschenhaut gegerbt zu Kleidungsstücken zu verarbeiten, soll 1794 in Paris nicht nur stillschweigend geduldet, sondern sogar heimlich bezuschusst worden sein. Der Marquis lässt sich seine späte Rache an der Toten eine Menge Geld kosten. Doch plötzlich ist nichts in seinem Leben mehr so wie es einmal war. Seitdem er eine Hose aus der Haut einer gouillotinierten Männermörderin trägt, nehmen seine Freunde merkwürdige Veränderungen an ihm wahr. Der antirepublikanische Männerbund, dessen Anführer er ist, macht sich Sorgen um Rochelle. Ein Geistlicher aus dem Kreis eingeschworener Anhänger des Ancien Regime stellt den Marquis zur Rede und erfährt das Geheimnis der Lederhose. Am Ende eines metaphysischen Männergespräches steht die Frage: Ist Menschenhaut ein Medium für das Böse dieser Welt? Kaum hat ihn der Abbe verlassen, packt Marquis Rochelle de l’Isle in einer Art liebestollem Blutrausch seine Menschenhauthose, zerschneidet sie und wirft sie ins Kaminfeuer. Aber wie es die Phantastik so will, findet man ihn am nächsten Morgen entmannt und mit durchschnittener Kehle. Im Kamin des Ermordeten liegt statt der verbrannten Hose ein angekohltes Messer. Und die Moral von der Geschicht’? Männer mit den Phantasien dieses Marquis’ ziehen leider nur in Phantastischen Geschichten den Kürzeren...
„Die Wahrheit über Arnold Hau” kennen wir dank Robert Gernhardts philologischem Meisterwerk, die Wahrheit über Arno Hach liegt im Dunkeln. Keine Exemplare in großen Bibliotheken, keine Spuren in Archiven. Drei Neudrucke, sonst nichts. Gäbe es nicht Robert N. Blochs „Bibliographie der utopischen und phantastischen Literatur”, Arno Hach geisterte als Phantom durch unsere Literaturgeschichte, seine „Menschenhaut” wäre nichts als ein bibliophiler Spuk.
MICHAEL BAUER
ARNO HACH: Die Menschenhaut. Illustriert von Jörg Kleinschmidt. Achilla Presse, Hamburg, Bombay, Friesland 2001. 39 Seiten, 15, 34 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass allein schon der Titel dieses von Arno Hauch geschriebenen Bandes nicht eine Gutenachtgeschichte, sondern Phantastik verspricht, liegt nahe, schreibt Michael Bauer in seiner schauerlich-schönen Besprechung, in der der Rezensent sein Hauptaugenmerk auf die kurze Wiedergabe des gruseligen Inhalts legt. Über den Autor, der das Werk 1919 zu Papier brachte, lässt sich erstaunlich wenig in Erfahrung bringen, wundert sich der Rezensent. Denn zumindest zu damaliger Zeit hätte die Geschichte über die unerwiderte Liebe eines Marquis zu einer männermordenden, aber wunderschönen Bestie, aus deren Haut er sich eine Hose nähen lässt, die ihn letztlich dann doch das Leben kostet, genügend "Zeug zum Literaturskandal" gehabt, ist Bauer überzeugt. Dem Leser wünscht der Rezensent eine ebenso fesselnde Unterhaltung wie er sie hatte, auch mit den Illustrationen von Jörg Kleinschmidt und hofft, vielleicht bald doch noch etwas mehr über Arnold Hach in Erfahrung bringen zu können als einen einzigen bibliografischen Eintrag, den er in Robert N. Blochs "Bibliografie der utopischen und phantastischen Literatur" gefunden hat.

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