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Wir sind Kinder ...... und bleiben wir es, so laufen wir Gefahr, uns im Netz der virtuellen Wirklichkeit nicht nur zu verheddern, wenn wir die ersten Schritte hinaus in die Welt machen, sondern derart zu Fall zu kommen, dass es existenziell zu werden droht.Und dennoch ist der See so schön mit seinem Hotel weit abgelegen in der scheinbar unberührten Landschaft südlich der Stadt. Und dennoch schmecken die Cocktails so erfrischend, wenn sich die schlanken Beine einer attraktiven Frau vor dem Landschaftsbild der Idylle glänzend im Sonnenlicht rekeln und Verlockungen der Liebe vorgaukeln.Warum dann…mehr

Produktbeschreibung
Wir sind Kinder ...... und bleiben wir es, so laufen wir Gefahr, uns im Netz der virtuellen Wirklichkeit nicht nur zu verheddern, wenn wir die ersten Schritte hinaus in die Welt machen, sondern derart zu Fall zu kommen, dass es existenziell zu werden droht.Und dennoch ist der See so schön mit seinem Hotel weit abgelegen in der scheinbar unberührten Landschaft südlich der Stadt. Und dennoch schmecken die Cocktails so erfrischend, wenn sich die schlanken Beine einer attraktiven Frau vor dem Landschaftsbild der Idylle glänzend im Sonnenlicht rekeln und Verlockungen der Liebe vorgaukeln.Warum dann noch über etwas reden, was den faden Geschmack von Verfall wachruft? Warum dem Glanz des Geldes hinzufügen, dass er stets poliert werden muss, weil sich hinter den Kulissen Abgründe auftun?Und wie sich zurechtfinden in einer Virtualität, in der die Kunst der Orientierung auf einem Wissensvorsprung basiert, der bedrohend gefährlich werden kann? Wo sich doch nichts weiter ereignet, als dass sich neofaschistische Parteigänger im Verborgenen mit Wortführern der Apokalypse tummeln sowie Verschwörungstheoretiker und ernst gesinnte Netzterroristen neben vielen, ach so vielen anderen Einzelgängern?Und ganz nebenbei gefragt: Wie denn soll es gutgehen, wenn einer nicht mehr wissen kann, mit welcher Wirklichkeit er es zu tun hat? Nelson ist so einer, ein wenig ins Alter gekommen, hier und da schon mal was gemacht im Leben, mal ein paar Frauen begegnet und wieder verloren, und nun nimmt er Geld entgegen, um den Freund eines Freundes zu observieren, Johnny, der was vorzuhaben scheint, auf dem Spielfeld ohne Grenzen. Kann recht gefährlich werden, dieses Spiel, kann man halt nicht mehr selbst entscheiden den Ausstieg!Eines noch: Freundschaft ist ein schöner Begriff, die Liebe auch, beides zu leben, verlangt dann aber doch einen Gewissen Grad an Reife, und somit empfehlen wir: Rein in den schönen Mercedes und losfahren ins Abenteuer von Johnny und Nelson im Roman über eine Gegenwart, die an ihren Rändern nicht nur aufzubrechen droht ins Virtuelle. Sind Sie ausreichend gewarnt?
Autorenporträt
Kratzert, ArminARMIN KRATZERT(geb. 1957 in Augsburg)lebt als Schriftsteller und Journalist in München. Er veröffentlichte Romane, Filme, Gedichte, Theaterstücke, Interviews. Zuletzt erschienen seine Romane »Beckenbauer taucht nicht auf« und »Berggasse 19«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2017

Online Gassi gehen
In seinem Internet-Roman „Wir sind Kinder“ schickt Armin Kratzert die Figuren auf die Suche nach der Realität
Ist Johnny ein Guru, dem eine Menge junger Leute folgen würde, wenn sie wüssten, was er vorhat? Nelson jedenfalls, der Johnny erst seit Kurzem kennt und eigentlich nichts über ihn weiß, kann nicht umhin, ihn anzubeten. Nichts ist Johnny peinlich, er hat ein Vermögen mit Aktienhandel im Netz gemacht, die Frauen schauen ihm hinterher, obwohl er auf seinen Körper und seine Kleidung keine Sekunde achtet. Mit seiner raffiniert inszenierten Eitelkeit kommt er verdammt gut durchs Leben. Sein Credo: Was wir glauben wollen, müssen wir erfinden. Wir sind Gott. Wir alle sind Schöpfer dieser Geschichte und unserer Welt.
Ist Johnnys Erfolgsstory womöglich selbst bloß eine Fiktion, die er im Netz so lange in Umlauf brachte, bis sie zur Wahrheit wurde? Sein Bewunderer Nelson, ein gescheiterter Fotoreporter und Pseudo-Student auf der Suche nach Geld, ist jedenfalls überzeugt, dass Johnny eine Erfindung ist. Jetzt sitzt Nelson neben Johnny in dessen roten Mercedes und jagt in atemberaubendem Tempo durch die Stadt wie in einem Computerspiel: „So etwas gab es nicht in der Wirklichkeit. (...) Eine Elektrowolke, ein Programm, ein digitaler Albtraum. (...) Jemand hatte die Kontrolle übernommen“, schießt es Nelson durch den Kopf, während Johnny sein Gewinner-Grinsen aufsetzt und erneut aufs Gas tritt.
In Armin Kratzerts Roman „Wir sind Kinder“ verwischen Virtuelles und Reales wie Fake News und echte Nachrichten. Der Autor verwendet das unerschöpfliche Reservoir von online kursierenden Informationen, Kolportagen, echten und erfundenen Identitäten, Erfolgsgeschichten und Realitätsgerüchten als literarisches Erzählmuster. „Wir sind Kinder“ ähnelt der Ergebnisliste einer Internet-Suchmaschine, die nur dann Erkenntnisgewinn bringt, wenn man in der Lage ist, die Versatzstücke in einen Referenzrahmen einzuordnen. Dieser Referenzrahmen – und das macht Kratzerts rasant erzählte Geschichte ziemlich komplex – ist das Netz selbst.
Die wichtigsten Ergebnisse der Handlungs-Suchmaschine dieses Romans sind schnell aufgelistet. Johnny hat mit einer selbstprogrammierten Software ein Vermögen im Online-Geschäft gemacht, weil es ihm gelang, mit Aktien „eine Geschichte zu erzählen“. Jetzt plant er etwas Großes gegen diejenigen, die das Netz kontrollieren und längst hinter ihm her sind. Denn „es muss unsere Welt bleiben. Wir sollten auf der Hut sein. Widerstand organisieren.“ Enno, der Sohn einer vermögenden Hoteliers-Familie, beauftragt Nelson, Johnnys Machenschaften zu beobachten und Bericht zu erstatten. Der freut sich zwar über die äußerst großzügige Gage, steht aber nach einem Besuch in Johnnys Depot irgendwo in den Bergen, in dem dieser 200 Liter gefährliche Chemikalien hortet, vor der Frage „Wie hängt das alles zusammen?“
Statt die Ziele der Verschwörung gegen Big Data zu enttarnen, setzt Nelson das Beziehungsgeflecht der handelnden Figuren zusammen und erkennt, dass er selbst nur als Zuschauer in einem Spiel fungiert. Aber was genau hat es mit Ennos Vater auf sich, einem prominenten Wissenschaftler, der an antikapitalistischen Gesellschaftstheorien und Maschinensprache forschte? Welche Rolle spielt Ennos betörende jüngere Schwester? Und wann ist aus der „Demokratisierungsmaschine“ Internet eine „Geldmachmaschine“ geworden? Es gibt auf alles eine Antwort in diesem Roman, aber wie plausibel sie ist, bleibt ungewiss.
Doch damit nicht genug der Verwirrung. Immer wieder streut Armin Kratzert spontane Ideen oder bloße Stichwörter in die Erzählung ein, die wie Brandbeschleuniger der Erzählung wirken, von angewandter Kryonik bis zum Voodoo aus Westafrika, vom Autofahren im Alter bis zum steigenden Erfolg der Rechtspopulisten. Mancher Handlungsstrang wirkt etwa so wie die unvermeidlichen Fehltreffer bei der Internetrecherche, die irgendwie verlockend wirken, die man aber wegklickt, um das eigentliche Recherche-Ziel nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Doch Vorsicht: Bei Kratzert laufen am Ende viele der diffusen Fäden zusammen.
„Wir sind Kinder“ erzählt davon, wie mithilfe der großen Netz-Maschine jeder seine eigene Identität und Geschichte wie in einem Spiel ersinnen kann und dabei schnell vergisst, dass die Meta-Erzählung des Netzes längst das Steuer übernommen hat. Nur wer das verstanden hat, kann die Mechanismen für seine Zwecke nutzen. Das weiß natürlich auch der Rechtspopulist Schiller, eine ziemliche gelungene Persiflage auf reale Personen der aktuellen Politik. Treffsicher bringt der TV-Redakteur und Autor Kratzert Situationen und Gegenwartsbefunde Slogan-artig auf den Punkt. In schwindelerregender Fahrt scannt er die Online-Realität nach ihrer Relevanz für die echte Welt da draußen ab und demonstriert, wie untrennbar beide längst miteinander verwoben sind.
CORNELIUS WÜLLENKEMPER
Armin Kratzert: Wir sind Kinder. Roman. Secession Verlag, Zürich und Berlin 2017. 156 Seiten, 20 Euro.
Oft stellt sich in diesem Roman
die Frage: Wie hängt das alles
zusammen? Antworten gibt es
Wie man mit der großen Netz-
Maschine umgeht, weiß natürlich
auch der Rechtspopulist Schiller
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