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Produktdetails
  • Verlag: Frieden-Vertriebsgemeinschaft
  • 2000.
  • Seitenzahl: 362
  • Abmessung: 155mm x 225mm
  • Gewicht: 600g
  • ISBN-13: 9783905313628
  • ISBN-10: 3905313626
  • Artikelnr.: 08730556
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2000

Hausfrau und Vamp
Wie die Brigitte das Frauenbild in der Bundesrepublik reflektiert
DORA HORVATH: Bitte recht weiblich. Frauenleitbilder in der deutschen Zeitschrift „Brigitte” 1949 - 1982. Chronos Verlag, Zürich 2000. 362 S. , 64 Mark.
„In allen Lebenslagen – Brigitte fragen! Ist das nicht ein vielversprechendes Motto?” So umschmeichelte die Frauenzeitschrift Brigitte, vormals Blatt der Hausfrau, nach ihrem Wechsel vom Ullstein- zum Constanze-Verlag und dann zu Gruner+Jahr, 1957 ihre Leserinnen. „Verjüngt, verschönt” wollte sich das Blatt einer noch größeren Leserschaft präsentieren: „allen Frauen, die sich jung fühlen und Schick haben . . .” Dem erweiterten Leserinnenkreis will es auch „eine Freundin” sein, will sie beraten und „ihnen bei Problemen helfen. ”
Das Konzept funktionierte, und es bewährte sich; die Auflagezahlen stiegen stetig. Brigitte wurde zu einer Klassikerin. Deshalb erschien die Zeitschrift besonders geeignet als Untersuchungsgegenstand einer Dissertation, in der die Schweizer Historikerin Dora Horvath ihre Theorie des sozialen Wandels am Beispiel von Bild- und Textanalysen von Brigitte belegt. Horvath analysiert die unterschiedlichen Interpretationen von Weiblichkeit, Individuation und Emanzipation, die Brigitte im Laufe der Jahre ihren Leserinnen vermittelt.
Der Forschungzeitraum umfasst die Periode zwischen 1949 und 1982, welchen die Autorin als „Eckdaten des sozialmarktwirtschaftlichen Modells der Bundesrepublik” bezeichnet. Sie zeigt die klassische Frauenzeitschrift als den Ort, „an dem private Themen, für die definitionsgemäß Frauen allein zuständig sind, reflektiert und öffentlich gemacht werden. ” Bis zum Beginn der 70er Jahre wurde damit das herrschende konservative Kultur- und Werteverständnis stabilisiert und gestützt. Als sich dann mit der neuen Frauenbewegung und durch die Veränderungen im Bereich von Bildung und Erziehung die Vorstellungs- und Lebenswelten zwischen den Frauengenerationen immer stärker differenzierten, konnten auch Frauenzeitschriften wie Brigitte ihre alten Leitbilder und die ausschließliche Familienzentrierung der Frau nicht mehr aufrechterhalten.
Horvaths Fragestellung konzentriert sich darauf, wie Brigitte das Leitbild der Modernität, das im Rahmen der Konsumgesellschaft allen Schichten den Maßstab setzte, über das Geschlecht ihrer Zielgruppe weitergibt und welche Veränderungen dieses Frauenleitbild erfährt. Im Verlauf der Individualisierung weiblicher Lebenspläne beginnt Brigitte seit den 70er Jahren, ihre Leitbilder komplexer und vielschichtiger zu gestalten.
Horvath analysiert die Methoden, mit denen das Blatt im Bereich der Mode mit Bild und Text und diskutiert, wie die Zeitschrift wechselnde politische und geschlechtspezifische Probleme behandelt. Nachdem die Autorin die Entwicklung der Bundesrepublik erörtert hat, zeichnet sie ein Panorama, in dem sich der breite wissenschaftliche Ansatz einer Dissertation verbindet mit dem scheinbar kleinen, anschaulichen oder charakteristischen Detail, das bei der Leserin der Zeitschrift viele Erinnerungen wecken und Aha-Effekte hervorrufen dürfte: Was Woche für Woche am Kiosk zum Konsum und zur Unterhaltung „in allen Lebenslagen” dienen sollte, wird in der Summe des analysierenden Überblicks zu einem schlüssigen Resümee drüber, wie das rechte Weib oder Weibchen und seine Weiblichkeit jeweils beschaffen war und sein sollte. Der Titel der Dissertation „Bitte recht weiblich!” deutet dabei ironisierend das chamäleonhafte Element des Begriffs „Weiblichkeit” an, der so viele Erscheinungsformen einschließt: Leitfigur und Strippenzieherin, das Ewigweibliche und die züchtige Hausfrau, das Gesellschaftstier, den Vamp, die femme fatale, die Kindfrau, die Hippie-Frau, die Dame, die Managerin, die Politikerin.  
Besonders plausibel wirkt Horvaths Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass und warum seit 1968 der Modeteil und der redaktionelle Teil der Brigitte nicht mehr zueinander passen. Da klingt es am Ende fast ein bisschen nach Bedauern, wenn sie resümiert, dass der visuelle Teil der Brigitte „nach wie vor die entscheidenden Erfolgsstrategien weiblichen Handelns über Sexualität und Erotik und damit über das Geschlecht reproduziert”. Im Gegensatz dazu belege der redaktionelle Teil, dass durch die Integration von Kategorien wie Geschlecht und Gesellschaft der Begriff der Weiblichkeit von der Biologie abgekoppelt wird. Damit werde die Emanzipationsfrage wieder mit dem Postulat der Aufklärung verbunden.
Dem Leser erscheint dieser Dissens allerdings nur logisch: Ohne ihn wäre die Zeitschrift nicht, was sie weiterhin sein möchte, patent nämlich in allen Lebenslagen und als markt- und zielgruppenorientiertes Produkt absatz- und verkaufsabhängig. Oder, sehr vereinfacht ausgedrückt: Brigitte ist nicht Emma.
BIRGIT WEIDINGER
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2001

Was zieh' ich nur um?
Gar nicht weiblich: Eine unelegante Studie über das Frauenbild der Zeitschrift "Brigitte"

Zwischen selbstbewußt und selbstgestrickt hat die Frauenzeitschrift "Brigitte" seit ihrer Gründung 1886 sämtliche Höhen und Tiefen weiblicher Identität beschrieben, analysiert und mitbestimmt. Höchste Zeit also für akademische Ehren, jene Dissertation nämlich, in der Dora Horvath die Entwicklung des Frauenbildes der "Brigitte" zwischen 1949 und 1982 untersucht. Die Wahl des Untersuchungszeitraums macht hierbei bereits den zugrundeliegenden methodischen Ansatz deutlich: Nicht endogene, der redaktionellen Entwicklung der "Brigitte" eigene Kriterien werden zur Bestimmung der Eckdaten herangezogen, sondern die Gründung der Bundesrepublik und der Koalitionswechsel von 1982 geben den ideologisch-politischen Rahmen ab, in den sich die Stilanalyse einzuordnen hat.

Noch bevor die empirische Untersuchung beginnt, werden daher auch die politisch und ökonomisch bestimmenden Merkmale dieser Epoche kurz und äußerst plakativ skizziert. Mit der Vorgabe, das Frauenbild einer klassischen Frauenzeitschrift sei nicht als getreues Abbild einer real-gesellschaftlichen Situation zu verstehen, sondern als Interpretation einer gesellschaftlichen Tendenz, die bereits existierende Veränderungen in einer für die Massenmedien abgeschwächten Form widerspiegele, ist also eine der beiden Variablen - und das eigentliche Untersuchungsziel - schon von vornherein umschrieben. Es verwundert daher nicht, daß die Ergebnisse zwar nachvollziehbar, aber wenig überraschend sind. Denn vor dem Hintergrund einer genauen Vorstellung der ideologischen Rahmenbedingungen lassen sich ähnliche Stilelemente je nach zeitlicher Einbettung unterschiedlich interpretieren. So können Anklänge an den Trachtenstil in den ersten Nachkriegsjahren noch "vormoderne Deutungsmuster" konnotieren und von ländlichen und regionalen Bewahrungsstrategien künden, während sie in den siebziger Jahren eine im Sinne der Autorin ideologisch fortschrittlich ökologische Haltung ausdrücken.

Zwei Bereiche greift Horvath heraus, um das Frauenbild der "Brigitte" zu analysieren: den Modeteil in Bild und Wort und die anderen Beiträge, wobei der Schwerpunkt auf Texte zum Thema "Liebe und Partnerschaft" gelegt wird. Eine solche Doppeluntersuchung ermöglicht es, explizite und implizite Leitmodelle gegeneinander zu stellen, eine Methode, die besonders dann interessant zu werden verspricht, wenn beide Vorstellungen auseinanderklaffen. So stellt Horvath spätestens seit den siebziger Jahren einen deutlichen Unterschied zwischen dem im Bild und dem im Wort sich artikulierenden weiblichen Selbstverständnis fest. Im Gegensatz zum Modejournalismus, der weiterhin durchaus klassische und ästhetisch-eskapistische Formen weiblicher Schönheit propagiert, schlagen die anderen Beiträge nun stärker emanzipatorische Töne an.

Allerdings werden diese beiden Tendenzen von Horvath lediglich nebeneinandergestellt und nicht in ihrer inneren Spannung untersucht. Ergiebiger sind jene Stellen, an denen die Autorin das Gegeneinander von vordergründiger Fortschrittlichkeit, wie sie insbesondere Kleidung und Hintergrund der Modefotografien suggerieren, und implizitem Konservatismus in der Inszenierung - die Autorin bezieht sich in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Körperhaltung der Modelle - beschreibt. Der allenthalben beschworene elementare Gegensatz von "eckigen" und "runden" Formen hätte aber noch etwas deutlicher herausgearbeitet werden können. Über Allgemeinplätze zur politischen und ökonomischen Lage der Bundesrepublik hinaus wird das hier skizzierte Frauenbild in keinen deutlichen ideologisch-argumentativen Kontext eingebettet.

Daher lassen sich auch keine Rückschlüsse auf die Eigenständigkeit des Frauenbilds der "Brigitte" ziehen. Denn gerade der Modejournalismus kann nicht von allgemeinen Trends losgelöst betrachtet werden. Hier hätte man zeigen können, inwieweit die Zeitschrift von solchen Modetrends abweicht, wo sie ihnen mit welcher Absicht folgt. Somit hätten sich Momente der bewußt gesetzten Identität deutscher mittelständischer Wirklichkeit ausmachen lassen, und ein viel spezifischeres Frauenbild wäre entstanden. Hinzu kommt, daß die Studie in einem Dissertationsjargon geschrieben wurde, der nur wenig Lesevergnügen erlaubt. Geballtes Fremdwortgeschütz straft schon auf den ersten Seiten den farbigen Einband und trivialisierten Titel Lügen. Und wie so oft funktioniert auch hier die Verwissenschaftlichung durch Sprache nicht immer einwandfrei. Der "zentrale Kerngehalt" verschwindet allzuoft in der sprachlichen Peripherie.

NATHALIE JACOBY

Dora Horvath: "Bitte recht weiblich!" Frauenleitbilder in der deutschen Zeitschrift "BRIGITTE" 1949-1982. Chronos Verlag, Zürich 2000. 362 S., 191 Abb., br., 64,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Titel dieser Schweizer Dissertation "Bitte recht weiblich!" verweist laut Birgit Weidinger etwas ironisch auf das "Chamäleonhafte" des Weiblichkeitsbegriffs, den die deutsche Frauenzeitschrift über die Jahre 1949 bis 1982 durchgespielt hat: die Frau sollte alles verkörpern, mal die züchtige Hausfrau, mal den Vamp, mal die erfolgreiche Karrierefrau, mal die konsequente Aussteigerin. Allerdings ist "Brigitte" erst ab den 70er Jahren daran gegangen, ein komplexeres Bild von moderner Weiblichkeit zu entwerfen, in das auch Emanzipationsstrategien Einzug gehalten haben, berichtet Weidinger. Aus diesem Grunde klaffen ab diesem Zeitpunkt auch der redaktionelle und der Modeteil der "Brigitte" auseinander, so Weidinger: während in der Modestrecke erfolgreiches weibliches Handeln nach wie vor über Sexualität definiert wird, hat sich der inhaltliche Teil von biologistischen Zuschreibungen gelöst. Gerade diese Doppelstrategie, vermutet die Rezensentin unabhängig vom Buch, sei wiederum Bestandteil des wirtschaftlichen Erfolgs von Frauenzeitschriften wie "Brigitte".

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