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Tom und Linda sind ein Paar, lange schon. Jetzt warten sie auf Jack, ihren Freund, und es könnten ein paar gute Stunden werden, die da vor ihnen liegen. Aber so einfach sind die Dinge nicht, denn Tom ist krank, sehr krank. Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit, und auch darum hat Jack sich aufgemacht, noch ein paar feine Sachen für ein Picknick eingekauft und auch seinen Fotoapparat mitgebracht, denn Jack ist Fotograf. Bilder von Tom und von Linda will er machen, etwas, das bleibt und der Erinnerung ein Gesicht gibt. Tom ist damit einverstanden, aber da ist so vieles, was ihm durch den Kopf geht,…mehr

Produktbeschreibung
Tom und Linda sind ein Paar, lange schon. Jetzt warten sie auf Jack, ihren Freund, und es könnten ein paar gute Stunden werden, die da vor ihnen liegen. Aber so einfach sind die Dinge nicht, denn Tom ist krank, sehr krank. Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit, und auch darum hat Jack sich aufgemacht, noch ein paar feine Sachen für ein Picknick eingekauft und auch seinen Fotoapparat mitgebracht, denn Jack ist Fotograf. Bilder von Tom und von Linda will er machen, etwas, das bleibt und der Erinnerung ein Gesicht gibt. Tom ist damit einverstanden, aber da ist so vieles, was ihm durch den Kopf geht, und nicht für alles will er Worte finden. Es ist der Schmerz des bevorstehenden Abschieds, der sich mit der Liebe zu seiner Frau vermischt zu einer zerstörerischen Eifersucht, die sich nicht besänftigen lassen will, als sei sie das letzte starke Lebensgefühl.
Fels erzählt mit großer Klarheit und mit einer Eindringlichkeit, der man sich nicht entziehen kann. So ist es eine einfache Geschichte geworden, die doch so rätselhaft ist wie das Leben selbst und so bezwingend wie die Liebe.
Autorenporträt
Ludwig Fels, geboren 1946 in Treuchtlingen, verschiedene Jobs, seit 1973 Schriftsteller, lebt in Regensburg und Wien.
Ludwig Fels erhiellt 2004 den Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis .
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Liebe ist stark, der Tod ist stärker
Ludwig Fels erzählt ein stilles Drama / Von Ernst Osterkamp

Es wird sehr viel geküßt in diesem kleinen Roman: "Sie küßte ihn. Es war, als fühlte er ihren Kuß am ganzen Körper, in der ganzen Seele, ihre Lippen das süßeste Gewicht der Welt. Er ließ die Augen geschlossen, und Worte wie Vergeben und Vergessen drängten sich ihm auf." Ist das Kitsch? Unter anderen Umständen vielleicht schon, nicht aber in diesem Buch. Denn hier küßt eine Frau ihren todkranken Mann, und beide wissen, daß er bald sterben wird. Ihr Kuß ist das intensivste Zeichen des Widerstands der Liebe gegen den unausweichlichen Tod. Es wird in diesem Roman nur deshalb so viel geküßt, weil allen klar ist, daß es kein Happy-ending geben kann.

Kein Satz fällt in diesem Buch so häufig wie der trivialste aller trivialen Sätze: "Ich liebe dich." Aber in dieser Geschichte ist der Satz "Ich liebe dich" nie trivial, wohl aber der quälendste aller Sätze. Denn er wirft hier kein Licht in die Zukunft mehr, sondern stößt immer, wenn ihn der Sterbende zu seiner Frau oder seine Frau zu dem Sterbenden sagt, an die unsichtbare Grenze des Todes, an der er seinen Sinn zu verlieren beginnt. Ein Mann und eine Frau sind einander in jahrzehntelanger Liebe zweifelsfrei und unbedingt zugetan, und nun droht der Tod die Liebe auszuhöhlen. Denn was bedeutet der Satz "Ich liebe dich", wenn das Ich, das ihn spricht, nur noch durch Medikamente stabilisiert und zugleich durch sie aufgelöst wird und das Du in demjenigen, der ihn spricht und dem es mit demselben Satz antwortet, immer auch den erblickt, der sehr bald nicht mehr da sein wird?

Die furchtbare Asymmetrie, die in die Liebe durch die tödliche Krankheit des einen Partners einzieht, wird verstärkt durch die Tatsache, daß es immer mehrere Überlebende gibt: in diesem Fall außer der Frau noch den gemeinsamen Freund fürs Leben, der in Gegenwart des Sterbenden in seiner Hilflosigkeit zu ihm und zu dessen Frau auch nichts anderes zu sagen weiß als "Ich liebe dich" und seine Liebe zu beiden mit Küssen zu bestätigen sucht. Es ist der Lebenshunger des Sterbenden, der die Eifersucht sich in seine Liebe einfressen läßt.

Auch geweint wird nicht selten in diesem Roman, aber das sind dann nicht Augenblicke der Sentimentalität, sondern spontane Fluchtversuche des Körpers aus der unerträglichen Spannung, die aus der Konfrontation des Absolutismus der Liebe mit dem Absolutismus des Todes erwächst. Geweint wird hier, um nicht im Angesicht des Todes "Ich liebe dich" zum anderen sagen zu müssen, denn dieser Satz bewirkt nichts gegen den Tod. Gewiß, man kann die Küsserei, das "Ich liebe dich"-Gestammel und die Heulerei in diesem Buch unerträglich finden. Aber sie stehen nur für die Unerträglichkeit der Sache selbst.

Ludwig Fels hat einen stillen kleinen Roman über die Liebe unter den Bedingungen des Sterbens geschrieben. Man kennt den Emotionsberserker der früheren Romane, vom radikal perspektivlosen "Unding der Liebe" (1981) bis zu der schwer verkraftbaren Gewalt- und Verzweiflungsorgie von "Bleeding Heart" (1993), jetzt stilistisch kaum wieder. Fels läßt seine frühere Neigung, expressive Metaphern pastos aufeinanderzuschichten, hier kaum noch zur Entfaltung gelangen: "Wie zermahlenes Glas war jetzt die Luft, die in ihn hineinleckte." Solche Sätze sind selten in diesem Buch, und dieser stilistischen Zurückhaltung verdankt die Geschichte nicht zuletzt ihre Intensität.

Fels hat sie wie ein vieraktiges Kammerspiel entworfen, in dem drei seit Jahrzehnten aufeinander eingespielte Figuren ihre Rollen neu zu definieren versuchen, weil eine von ihnen sterben muß. Tom, der seine Schmerzen nur unter ständiger Medikamentenzufuhr bewältigen kann, wird von seiner Frau Linda aus dem Hospital nach Hause geholt, wo er, wie er weiß und auch Linda weiß, bald sterben wird. Der langjährige Freund Jack, ein Fotograf, besucht die beiden, und mit dem Auftritt der Figur des Dritten zieht ununterdrückbar die Eifersucht in Toms Wahrnehmung ein; es ist die Eifersucht des auf die Position des Beobachters reduzierten Lebenshungrigen, der sterben muß, auf diejenigen, die weiterleben dürfen. Sie zerstört das harmonische Miteinander bei einem gemeinsamen Picknick, mit dem die drei an frühere Lebensrituale anzuschließen versuchen und doch nicht mehr anschließen können. Jack bringt die beiden nach Hause, und da gelingt es Tom dann irgendwie, zur Selbstverständlichkeit seiner Liebe zu Linda und zum seelischen Einklang wieder zurückzufinden: "Sie atmeten jetzt im Takt. Es war genug Luft da für sie und für ihn. Und wenn sie wollte, konnte sie mehr davon haben, als sie brauchte." Das alles entfaltet Fels, der auch als Dramatiker hervorgetreten ist, in lakonischen Dialogen, die von unausgesprochenen Emotionen vibrieren, und mit sparsamen erzählerischen Gesten zu einem Hymnus auf die Schönheit des Lebens. Es ist zu hoffen, daß dieses Buch, mit dem Ludwig Fels sich auf eindrucksvolle Weise als Erzähler zurückmeldet, trotz des unbegreiflich unattraktiven Schutzumschlags viele Leser findet.

Ludwig Fels: "Reise zum Mittelpunkt des Herzens". Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2006. 159 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2006

Das halte ich aus
Ein lebenshungriger Roman über das Sterben von Ludwig Fels
Es ist ein flirrend heller Sommertag, die Vögel singen wie verrückt, die ganze Welt strahlt vor Erwartung. Das Leben brummt. Ausgerechnet an einem solchen Tag wird ein sterbenskranker Mann aus dem Krankenhaus entlassen. Eine heikle Konstellation, die den Leser sofort gefangen nimmt. Dieser Mann, Tom heißt er, ist von Menschen umgeben, die ihn lieben. Und die vermögen einiges. Mit allen Mitteln bemühen sie sich, den Schmerz der Vergänglichkeit zu mildern, den Schmerz des Todkranken, aber auch den eigenen. Und sie versuchen, noch einmal gemeinsam das Leben zu feiern, irgendwie teilzunehmen an dem Fest, das der Himmel oder sonst wer von Zeit zu Zeit für Mensch und Tier veranstaltet.
Ludwig Fels’ „Reise zum Mittelpunkt des Herzens” ist ein lebenshungriger Roman übers Sterben. Kaum vorstellbar, dass er irgendjemanden kalt lässt. Denn so wird selten über die Existenz geschrieben. So jubelnd und klar, mit so leiser Wehmut, mit solch rasendem Schmerz und zugleich mit einer solchen Lakonie. Der 1946 geborene Ludwig Fels war in den 1970er und 80er Jahren einer der bösen Buben des westdeutschen Literaturbetriebs. Solche kannte man sonst nur aus dem Osten. Ein echter Maler, kein Kunstmaler, einer, der sich mit verschiedenen Jobs über Wasser hielt, dessen Romane „Die Sünden der Armut” oder „Ein Unding der Liebe” hießen, der aber auch an Gedichte geschrieben hat. 1979 erhielt er den Leonce-und-Lena-Preis.
Seine Gedichte ergossen sich nicht in Lyrismen, auch wenn die Häufigkeit eines Wortes wie „schön” dann doch verblüffte, sie waren hart und schnoddrig: „Vater und Mutter / kenn ich nicht. / Die waren nämlich die Nachkriegswirren / Trockenmilch und Erdnußbutter / von mildtätigen Amis. / So kam ich hoch und wurde groß / ohne ans Alter zu denken. Warum auch? / Wer nichts frißt / kommt leicht ins Saufen.” Aus dem Stoff dieses Lebens und aus dem Zusammenprall verschiedener Welten ist auch sein neues Buch gemacht. Man kann nicht umhin zu fürchten, dass es autobiographisch ist. Denn wie sollte ein Unbeteiligter so tief in das Innere der Todesangst vordringen?
Seine Frau Linda warnt Tom vor, als sie ihn aus dem Krankenhaus abholt. „Erschrick nicht”, sagt sie, „draußen scheint die Sonne, die Vögel singen, und wie! Du hältst es nicht aus.” „Ich halte es aus”, antwortet er. So fürsorglich und stark geht das seit mehr als zwanzig Jahren verheiratete Paar die ganze Zeit miteinander um. Der Roman lebt von den poetischen Beschreibungen der Erzählstimme und den scharf geschnittenen Dialogen, in denen sich Zuwendung und Verzweiflung zum Liebesgesang mischen, oder besser: zum Song. Ihr Freund Jack vergleicht die beiden einmal mit Johnny Cash und June Carter, und das ist als Kompliment gemeint.
Dieser Jack, ein berühmter Fotograf, wollte den Freund eigentlich mit aus dem Krankenhaus abholen. Dummerweise kam im Zoo aber gerade ein Gorillababy zur Welt, das er noch schnell fotografieren musste. Für den Roman hat das einen wunderbar erheiternden Effekt. Die zwei sind mit dem Taxi nach Hause gefahren. Und während sie sich dort einrichten, ertönt immer wieder die Stimme des Freundes vom Anrufbeantworter, der mit allerlei aufgekratzten Anekdoten sein bevorstehendes Kommen ankündigt. Auch wenn seinen Witzeleien der sorgende Unterton anzuhören ist, modulieren sie die Szenerie, die sonst vielleicht allzu ergreifend wäre: Geöffnete Fenster, wehende Vorhänge, draußen die Geräusche des Sommers. Und die beiden berühren einander und alles tut weh, sie würden gerne miteinander schlafen, und es geht nicht mehr, sie gestehen sich ihre Liebe und geraten darüber in eine irgendwie auch heitere Verzweiflung.
„Was, wenn die Liebe alles nur noch schlimmer macht?”, fragt Linda Jack später, als sie zu dritt einen Ausflug machen, auf dem sich Tom in eine rasende Eifersucht hineinsteigert. Als sie zurückkommen, liegen sie noch einmal gemeinsam auf der Matratze. „Eine Weile hörte er noch zu, wie sie atmeten, sie und er. Dann, als wäre es nie anders gewesen, hörte er seinen Atem nicht mehr.”
MEIKE FESSMANN
LUDWIG FELS: Reise zum Mittelpunkt des Herzens. Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2006. 159 S., 17,80 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Bücher wie dieses gibt es heutzutage nicht viele, findet Rezensent Anton Thuswaldner. Denn der Autor Ludwig Fels schreckt auch in seinem jüngsten Roman nicht davor zurück, sich einem Thema anzunehmen, das in der Gesellschaft ein Tabu darstellt. "Reise zum Mittelpunkt des Herzens" handelt von einem kranken Mann, der dem Tod bereits ins Auge blickt und in seinen letzten Wochen liebevoll von seiner Frau und einem Freund begleitet wird. Fels folge dabei einem Moralkodex, der sich an traditionellen Werten orientiert, und werde damit zu einem "konservativen Revolutionär", der "dem konkurrenzlos gewordenen Kapitalismus blinde Gefolgschaft nicht leisten will". Die Romantik von der aufopfernden Liebe, die den Protagonisten zum Tod flankiert, entspreche der Meinung des Rezensenten nach zwar nicht der Realität. Dennoch lobt er die augenscheinliche Intention des Autors, dem Werteverfall entgegenzuwirken.

© Perlentaucher Medien GmbH