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Wie können demokratische Kräfte mit dem Phänomen des Rechtsextremismus angemessen umgehen? Diese Frage stellen sich die Herausgeber und Autoren dieses neuen Bandes - und zwar in Bezug auf den Ort, an dem die konkrete Auseinandersetzung von Demokraten mit Rechtsextremen stattfi ndet. In drei exemplarischen Regionalstudien aus Mecklenburg-Vorpommern zeigen die Autoren, dass sich die untersuchten Orte zunächst durchgehend gegen die weitere Ausbreitung rechtsextremer Bestrebungen engagieren. Dabei fällt auf, dass es vielfach am praktischen Umgang mit radikalen und extremistischen Kräften fehlt und…mehr

Produktbeschreibung
Wie können demokratische Kräfte mit dem
Phänomen des Rechtsextremismus angemessen
umgehen? Diese Frage stellen sich
die Herausgeber und Autoren dieses neuen
Bandes - und zwar in Bezug auf den Ort, an
dem die konkrete Auseinandersetzung von
Demokraten mit Rechtsextremen stattfi ndet.
In drei exemplarischen Regionalstudien aus
Mecklenburg-Vorpommern zeigen die Autoren,
dass sich die untersuchten Orte zunächst
durchgehend gegen die weitere Ausbreitung
rechtsextremer Bestrebungen engagieren. Dabei
fällt auf, dass es vielfach am praktischen
Umgang mit radikalen und extremistischen
Kräften fehlt und gerade im ländlichen Raum
viele Unsicherheiten bestehen.
Das Buch steht nicht nur für einen refl ektierten
Umgang und eine fundierte Analyse, sondern
zeigt Akteuren auch sinnvolle Handlungsalternativen
zur Bekämpfung und zur Prävention
des Rechtsextremismus abseits des urbanen
Lebens auf.
Autorenporträt
Dr. Hubertus Buchstein ist Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Greifswald und Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Dr. Gudrun Heinrich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Rostock, seit 2008 Arbeitsstelle Politische Bildung/Didaktik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.05.2011

Zupacken statt zuschauen
Vorschläge, wie Bürger und Gemeinden
Rechtsradikalen das Wasser abgraben können
Vor Jahren schon hat der Soziologe Erwin Scheuch den Rechtsextremismus als eine „normale Pathologie westlicher Industriegesellschaften“ bezeichnet. Das gilt immer noch. Bis heute beunruhigt und erschüttert Rechtsextremismus immer wieder die Bundesrepublik. Mittlerweile gibt es nur noch drei Bundesländer, in denen es seit 1946 beziehungsweise 1990 nie eine rechtsextreme Landtagsfraktion gab (das Saarland, Nordrhein-Westfalen und Thüringen).
Die Zahl rechtsextremer Straftaten ist weiterhin hoch. Hinzu kommen – jenseits strafrechtlicher Relevanz – rechtsextreme Einschüchterungsversuche und Potenzgehabe. Auch sie können das geistig-moralische Klima beeinträchtigen oder gar das Lebensgefühl von Migranten und anderen prägen. Offenbar existiert keine moderne, komplexe, dynamische Gesellschaft ohne Rechtsextremismus – in mehr oder minder ausgeprägter Form.
Zwar bildet Rechtsextremismus heute in der Bundesrepublik keine Massenbewegung. Doch die Demokratie ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts kein Selbstläufer. Gerade der starke Strukturwandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Sozialstaat verunsichert viele Menschen. Eine „besenreine“ Demokratie bleibt Utopie.
Der Sammelband von Hubertus Buchstein und Gudrun Heinrich konzentriert sich auf den Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Schwerpunktmäßig analysiert das Buch rechtsextreme Strategien und demokratische Gegenstrategien in ländlichen Regionen. Dadurch gewährt es exemplarische Einblicke in Interaktionen von Rechtsextremisten und Demokraten in der ostdeutschen Provinz. Drei filigrane Fallstudien (aus Anklam, Lübtheen, Ueckermünde) untersuchen sowohl politische und soziale Strukturen in den jeweiligen Regionen als auch die Aktivitäten von Rechtsextremisten und ihrer demokratischen Widersacher. Zusätzlich schildern die Autoren Erfahrungen im Umgang mit Rechtsextremisten aus anderen Städten in Deutschland.   Wunsiedel in Oberfranken ist so ein Ort: Unter ihrem Bürgermeister aus der CSU und mit vielen Bürgern wehrt sich die Stadt engagiert und oft erfolgreich gegen rechtsextreme Tendenzen. Wunsiedel hat anderen Gemeinden vorgemacht, wie sie sich des Rechtsradikalismus erwehren können.
Über weite Strecken bestätigt das Buch bekannte Befunde. So fällt es Rechtsextremisten oft besonders schwer, erfolgreich zu sein, wenn sie am Ort wenig verankert sind oder gar als zugereiste Außenseiter gelten und obendrein gewaltbereit auftreten. Handelt es sich hingehen um urwüchsigen Rechtsextremismus, der sich in strukturschwachen Gebieten mit Unterstützung örtlicher Biedermänner stark um soziale Probleme am Ort kümmert und fehlende oder sterbende Regionalzeitungen durch rechtsextreme Postillen im Biedermann-Kostüm ( Anklamer Bote ) ersetzt, kann er leichter politische Erfolge erringen.
Umso wichtiger ist in solchen Orten demokratische Gegenwehr, die weder politisches noch soziales Brachland entstehen lassen darf – so schwer das oft ist, wenn die Zahl der aktiven Demokraten gering ist oder gar schrumpft. Rechtsextremisten dürfen weder eine Meinungsführerschaft oder Deutungshoheit erringen, noch dürfen sie auch nur Teile des öffentlichen Raumes besetzen können. Hilfreich ist es, wenn sich die Autoritäten klar gegen Rechtsextremismus vernetzen und positionieren, also: der Bürgermeister, Kirchenvertreter, andere angesehene Persönlichkeiten und kommunale Spitzenvertreter der demokratischen Parteien. Sie könnten auch einen runden Tisch installieren, an dem die Demokraten mit Experten regelmäßig die Lage des Rechtsextremismus vor Ort analysieren, dokumentieren und Gegenstrategien entwerfen.
Wenn Rechtsextremisten lautstark demonstrieren, kann zum Beispiel der örtliche Pfarrer einen Gottesdienst ansetzen und die Glocken läuten lassen, um so die Antidemokraten zu übertönen. Hilfreich sein kann es auch, wenn etwa Geschäftsleute (potentiellen) Gewaltopfern Zuflucht bieten, indem sie das Projekt „Noteingang“ initiieren, oder wenn Demokraten flächendeckend vor Ort rechtsextreme Aufkleber abkratzen – darüber könnten und sollten lokale und regionale Medien dann auch berichten.
Das konkrete demokratische Engagement kann sich aber auch darin zeigen, dass regelmäßiges Fußballtraining für Jugendliche angeboten wird oder dass gelegentlich öffentliche Anlagen von Müll befreit werden, nach der Devise: Zupacken statt Zuschauen. Das honorieren, wie kommunale Erfahrungen zeigen, viele, auch unpolitische Bürger, die sich durch solche Aktivitäten möglicherweise eher von Demokraten vertreten fühlen. Im Idealfall kümmern sich die Demokraten vor Ort um alle relevanten Probleme, bevor Rechtsextremisten in politische oder soziale Freiräume vorstoßen.
Viele Mosaiksteinchen dieser Art fügt das Buch zusammen. Über die bloße Analyse geht es hinaus, indem es gute Anregungen zur demokratischen Gegenwehr bietet. Aktive Demokraten sind der beste Schutz der Demokratie. Bereits Max Frisch befand, die Demokratie biete die Chance, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen.
Auch die Journalisten Astrid Geisler (von der tageszeitung ) und Christoph Schultheis (einer der Gründer der kritischen Website Bildblog) analysieren den Rückzug der Zivilgesellschaft in Ostdeutschland. Dort gebe es Orte, wo Rechtsextremisten in einer weitgehend entpolitisierten Gesellschaft allein schon deshalb offenbar punkten, weil sie beim Betreten und Verlassen von kleinen Geschäften grüßen und sich auch sonst im Alltag umgänglich und engagiert zeigen – im Unterschied zu vielen Normalbürgern.
In einem Kapitel über den journalistischen Umgang mit Rechtsextremismus empfehlen Geisler und Schultheis ihren Kollegen in Presse, Funk und Fernsehen einerseits, NPD & Co. auch einmal auszublenden (Tucholsky: „Der Journalist hat eine scharfe Waffe – das Totschweigen“), um andererseits das geringe Medienecho nach dem Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern 2006 zu beklagen. „Neue Einblicke in das rechte Alltagsleben“, wie die Autoren eingangs versprechen, bietet ihr Buch kaum. Aber es ist gut geschrieben und vermag, den Lesern das Thema nahezubringen. Neues findet sich eher in dem Band von Hubertus Buchstein und Gudrun Heinrich, der nicht nur Diagnosen enthält, sondern auch Therapievorschläge macht – nach einem Motto von Konfuzius: „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“ HARALD BERGSDORF
HUBERTUS BUCHSTEIN, GUDRUN HEINRICH (Hrsg.): Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Demokratie und Rechtsextremismus im ländlichen Raum. Wochenschau-Verlag, Schwalbach 2010. 480 Seiten, 26, 80 Euro.
ASTRID GEISLER, CHRISTOPH SCHULTHEIS: Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland. Hanser Verlag, München 2011. 223 Seiten, 15,90 Euro.
Harald Bergsdorf lehrt Politologie an der Universität Bonn. Zuletzt erschien von ihm „Fakten statt Fälschungen. Argumente gegen rechtsextreme Parolen“ (Olzog Verlag, 2010).
Politisches und soziales
Brachland darf gar nicht erst
entstehen.
Die Demokratie bietet den Leuten
die Chance, sich in die eigen
Angelegenheiten einzumischen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rundum gelungen findet Harald Bergsdorf diesen von Hubertus Buchstein und Gudrun Heinrich herausgegebenen Band, der Beiträge über den Rechtsextremismus in Ostdeutschland versammelt. Im Zentrum stehe die Analyse von rechtsextremen Strategien und demokratischen Gegenstrategien in ländlichen Regionen. Der Band bietet für Bergsdorf erhellende Einblicke in die Situation in der ostdeutschen Provinz. Ergänzt wird das Bild in seinen Augen durch drei "filigrane" Fallstudien aus Anklam, Lübtheen und Ueckermünde in denen politische und soziale Strukturen sowie die Aktivitäten von Rechtsextremisten und Demokraten genauer beleuchtet werden. Lobend hebt der Rezensent hervor, dass der Band nicht bei der Analyse stehen bleibt, sondern eine ganze Reihe von sinnvollen und nützlichen Anregungen für die demokratische Gegenwehr gibt.

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