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Produktdetails
  • Verlag: Jaron Verlag
  • Seitenzahl: 320
  • Erscheinungstermin: 1. Quartal 2012
  • Deutsch
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 462g
  • ISBN-13: 9783897735736
  • ISBN-10: 3897735733
  • Artikelnr.: 22909795
Autorenporträt
Udo Scheer, geb. 1951, studierte an der FSU Jena und war Mitglied im 1975 verbotenen Arbeitskreis
Literatur Jena, die Veröffentlichung seiner literarischen Arbeiten wurde in der DDR bis 1989 weitgehend
verhindert, seit 1993 ist er freiberuflicher Publizist und Schriftsteller, Mitglied des Autorenkreises der Bundesrepublik und des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Buchveröffentlichungen u. a.
"Die Sonne hat vier Ecken. Günter Ullmann eine Biografie " (2012).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.10.2007

„Autounfälle gibt es überall”
Wie der DDR-Oppositionelle Jürgen Fuchs zermürbt wurde
Dieser Ort war auf keiner Karte in der DDR verzeichnet: die Stasi-Haftanstalt in Berlin-Hohenschönhausen. Seit einiger Zeit ist sie zum Symbol für den Schrecken der SED-Diktatur geworden. Wer dort eingeschlossen war, blieb für die Außenwelt wie vom Erdboden verschluckt. Weder der Verhaftete noch seine Angehörigen erfuhren, wo er sich befand.
Vor mehr als 30 Jahren war dort einer der wichtigsten Oppositionellen, Jürgen Fuchs, eingesperrt. Sein Protest gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann war der Anlass, ihn zu inhaftieren. Der Schriftsteller und Menschenrechtler hatte trotz täglicher stundenlanger Verhöre noch die Kraft, die psychologisch ausgefeilten Zermürbungstechniken zu analysieren und sich einzuprägen. Schon relativ kurze Zeit nach seiner Zwangsabschiebung 1977 in den Westteil Berlins schilderte er in einer Spiegel-Serie und in einem Buch die hinterhältigen und subtilen Methoden der Unterdrückung in seinem charakteristischen dokumentarischen Stil.
Knapp zehn Jahre nach seinem rätselhaften Tod im Jahr 1999 erinnert nun erstmals eine Biographie an diesen zu wenig bekannten Mann, der das Zeug dazu hat, eine Leitfigur der Zivilgesellschaft zu werden: „Jürgen Fuchs – Ein literarischer Weg in die Opposition”. Ihr Verfasser, der Thüringer Autor Udo Scheer, gehörte einst selbst zu den Dissidenten-Kreisen in der DDR und war mit dem Porträtierten persönlich bekannt.
1950 im vogtländischen Reichenbach geboren und aufgewachsen, war Fuchs schon als Schüler wegen kritischer Meinungsäußerungen bei der Schulleitung aufgefallen. Nach der Ableistung des Wehrdienstes bei der NVA wurde er 1971 überraschend zum Studium der Sozialpsychologie an der Universität Jena zugelassen. Erste Publikationen des Lyrikers und Prosaautors fielen in diese Zeit, das meiste blieb jedoch unveröffentlicht. Allerdings erregte Fuchs mit seinen oppositionellen Texten den entschiedenen Zorn der SED-Obrigkeit.
Kurz vor dem Examen wurde er deshalb 1975 „wegen Schädigung des Ansehens der Universität in der Öffentlichkeit” exmatrikuliert. Aufnahme fanden er und seine Familie bei dem bekannten DDR-Dissidenten Robert Havemann in Grünheide. Dort wurde er verhaftet und nach neun Monaten nach West-Berlin abgeschoben. Die Stasi gab ihm die Worte mit auf den Weg: „Legen Sie sich später nicht mit uns an. Wir finden Sie überall. Auch im Westen. Autounfälle gibt es überall.”
Doch ließ er sich davon nicht einschüchtern und veröffentlichte in der Bundesrepublik bald darauf seine Bücher „Gedächtnisprotokolle” und „Vernehmungsprotokolle”, in denen er in bewusst klarer Diktion Innenansichten der Macht im SED-Staat und ihrer Zwangssozialisation lieferte. Zudem hielt er Kontakt zu oppositionellen Gruppen im Ostblock. Auch aus diesem Grund stand er weiterhin unter der Beobachtung durch die Staatssicherheit, die versuchte, ihn mit Hilfe von ausgeklügeltem Psychoterror zu „zersetzen”. So explodierte vor seinem Haus eine Bombe, ein anderes Mal wurden die Bremsschläuche seines Autos durchgeschnitten.
Nach dem Fall der Mauer bemühte sich Jürgen Fuchs besonders um die Aufklärung der Verbrechen des MfS. Ab 1991 arbeitete er in der Gauck-Behörde, wo ihm wieder ehemalige Mitarbeiter der Stasi begegneten, die nun ebenfalls bei der Behörde beschäftigt waren. Aus Protest dagegen legte er 1997 seine Arbeit nieder. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass er an Leukämie erkrankt war. In ihm keimte der Verdacht, dass die Krankheit durch versteckte Anwendung von Röntgenstrahlen während seiner Haftzeit verursacht wurde. Dafür sprechen Indizien wie die Entdeckung eines Röntgengerätes im Fotoraum der Untersuchungshaftanstalt in Gera sowie Aufzeichnungen der Stasi, die sich damit beschäftigen, wie man politische Gegner unbemerkt durch Verstrahlung zu Tode bringen kann. 1999 starb Fuchs an Krebs.
Der Autor Scheer versteht es, seine Leser auf der Reise durch die einzelnen Stationen dieses ungewöhnlichen Lebens mitzunehmen, konfrontiert sie mit dem hartnäckigen Machtanspruch der Diktatur, dem niemand ausweichen konnte – und den Antworten, die Jürgen Fuchs darauf gab. Zeitzeugen kommen zu Wort und immer wieder Fuchs selbst. In seiner Darstellung erreicht Scheer auf diese Weise eine existentielle Unmittelbarkeit der Lebensbeschreibung, die nebenbei die diffusen und auch konkreten Bedrohungen der Menschen im SED-Staat fühlbar werden lässt. Kurz: Ein lesenswertes Stück Zeitgeschichte über einen aufrechten Demokraten. HANS-JOACHIM FÖLLER
UDO SCHEER: Jürgen Fuchs – ein literarischer Weg in die Opposition. Jaron Verlag, Berlin 2007. 320 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Rätselhafter Tod eines Verfemten
Jürgen Fuchs und die DDR

Weil Jürgen Fuchs gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestierte, kam er sofort für neun Monate ins Gefängnis.

Von Karl Wilhelm Fricke

Eine "Weiterbearbeitung des FUCHS im OV ,Pegasus' erfolgt auf Grund seiner lyrischen Tätigkeit." OV stand für "operativer Vorgang" - und das seelenlose Zitat entstammt einer Stasi-Akte, die Udo Scheer in seiner Lebensbeschreibung zu Jürgen Fuchs zitiert. Er selber nennt sein Buch "eine biographische Annäherung an einen außergewöhnlichen Menschen". Es ist ein Zeugnis der DDR-Oppositionsgeschichte.

Der heute 56 Jahre alte Autor, gebürtiger Münchner, der seit seinem neunten Lebensjahr in der DDR gelebt hat, macht an der Vita des allzu früh (im 49. Lebensjahr) verstorbenen Lyrikers und Schriftstellers exemplarisch, wie ein junger Literat unter einem totalitären Regime als Feind verfemt wird, weil er "nicht schuldig werden wollte durch Schweigen und Verschweigen". Einer Arbeiterfamilie entstammend, Abitur zur Zeit des "Prager Frühlings", von dessen Niederschlagung Jürgen Fuchs traumatisiert wird, erkannten und förderten schon Lehrer auf der Oberschule seine Begabung. Nach Ableistung des Wehrdienstes im DDR-Grenzregiment 10 nimmt er sein Studium an der Sektion Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena auf. Unmittelbar vor dem Examen wird er, weil er durch aufsässige Gedichte und Prosastücke aufgefallen war, wegen "Schädigung des Ansehens der Universität in der Öffentlichkeit" relegiert.

Sein literarisches Vorbild sah Jürgen Fuchs in Reiner Kunze. Öffentliche Lesungen und Kontakte zu oppositionellen Kreisen in Jena und zu Robert Havemann und Wolf Biermann in Ost-Berlin machten ihn in Stasi-Augen vollends zum Feind des Sozialismus. Dem Ausschluss aus der SED - Fuchs war ihr im Alter von 22 Jahren beigetreten - folgte am 19. November 1976 wegen seines Protests gegen Biermanns Ausbürgerung die Festnahme in Grünheide, wo er im Hause Havemann inzwischen mit Frau und Kind untergekommen war. Nach neunmonatiger Untersuchungshaft im MfS-Zentralgefängnis Berlin-Hohenschönhausen wurde er nach West-Berlin abgeschoben. Sein früher Tod blieb bis heute rätselhaft. Blutkrebs infolge radioaktiver Verstrahlung?

Udo Scheer hat dieses Leben in seinen beglückenden und tragischen Details nachgezeichnet und ausführlich dokumentiert, er führte sorgfältig protokollierte Gespräche mit Jürgen Fuchs bis kurz vor seinem Tode, ebenso mit seiner Frau, engen Freunden und Weggefährten. Entstanden ist ein dichtes, einfühlsames, eindringliches Lebensbild, das auch das literarische Gesamtwerk von Fuchs erschließt. Ein lesenswertes Buch? Unbedingt.

Udo Scheer: "Jürgen Fuchs". Ein literarischer Weg in die Opposition. Jaron Verlag, Berlin 2007. 383 S., 14,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans-Joachim Föller ist von dieser Biografie, die nun als erste den vor 10 Jahren überraschend an Leukämie verstorbenen DDR-Dissidenten und Schriftsteller Jürgen Fuchs porträtiert, sehr eingenommen. Ihr Autor Udo Scheer, der wie der Schriftsteller zu DDR-Zeiten der Dissidenten-Szene angehörte und ein persönlicher Bekannter von ihm war, hat für diese Lebensbeschreibung viele Zeitzeugen interviewt, und auch den Schriftsteller selbst zitiert er ausführlich, stellt Föller fest. Dadurch entstehe nicht nur ein sehr eindrückliches Porträt, sondern zugleich gelinge es dem Autor, die mal verdeckte, mal offene Bedrohung, die von der SED-Diktatur ausging, nachfühlbar zu machen, so der Rezensent beeindruckt. Er zeigt sich beklommen von den Verfolgungen, denen Fuchs in der DDR ausgesetzt war - er saß unter anderem 1977 wegen der Unterzeichnung des Protests gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns im Gefängnis und wurde im Anschluss selbst ausgebürgert - und zitiert auch die Vermutung, dass Fuchs während seiner Haftzeit gezielt mit Röntgenstrahlen behandelt wurde, die 1999 möglicherweise zu seinem Krebstod führten.

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