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Sie war schön, intelligent und eine der ersten weiblichen Ärzte Italiens. Sie ist die "Erfinderin" eines der wichtigsten pädagogischen Konzepte unserer Zeit. Sie gab ihr eigenes Kind in Pflege und führte das prunkvolle Leben eines Filmstars: Maria Montessori. Diese neue Biographie beleuchtet das turbulente Leben und die revolutionären Ideen dieser faszinierenden Persönlichkeit vor dem Hintergrund ihrer Zeit.

Produktbeschreibung
Sie war schön, intelligent und eine der ersten weiblichen Ärzte Italiens. Sie ist die "Erfinderin" eines der wichtigsten pädagogischen Konzepte unserer Zeit. Sie gab ihr eigenes Kind in Pflege und führte das prunkvolle Leben eines Filmstars: Maria Montessori. Diese neue Biographie beleuchtet das turbulente Leben und die revolutionären Ideen dieser faszinierenden Persönlichkeit vor dem Hintergrund ihrer Zeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2000

Die reichen kleinen Gehirne
Das Kind ist gut, der Mann ist schlecht: Das Leben der Pädagogin Maria Montessori war Kampf / Von Horst Petri

Charismatische Menschen sind immer wieder ein Stachel im Fleisch der Mittelmäßigkeit. Woher stammt ihre Energie, ihre Kreativität, ihre mitreißende Ausstrahlung? Warum werden sie berühmt, während die anderen mit gleichen oder größeren Leistungen im Schatten bleiben?Auch Marjan Schwegman, Professorin für Frauengeschichte an der Universität Utrecht, kann dieses Rätsel in ihrer neuesten Biographie über Maria Montessori nicht lösen. Und doch gelingt ihr das faszinierende Porträt einer Frau, die für die Reformpädagogik Europas und der Vereinigten Staaten zwischen 1890 und 1930 Geschichte geschrieben hat.

Wer war Maria Montessori? Sie wurde am 31. August 1870 in Chiaravalle in der Nähe Anconas geboren und wuchs als Einzelkind wohlbehütet in einem liberal-religiösen Elternhaus auf, das zur politischen Elite Italiens gehörte. Ihr revolutionärer Geist setzte sich bereits in jungen Mädchenjahren durch, als sie gegen den Willen der Eltern Ingenieurwesen und Mathematik studierte, anschließend "als erste Frau Italiens" ein Medizinstudium absolvierte. Mit diesem von ihr erzwungenen Einbruch in die Männerwelt war ihr künftiges Leben auf "Kampf" programmiert. "Kampf" und "Macht" wurden für sie zu entscheidenden Metaphern, mit denen sie ihr Werk in Szene setzte.

Dieses begann im Rahmen ihrer klinischen Tätigkeit bei der Arbeit mit behinderten Kindern. In ihrem Hauptwerk "Il metodo" (1909) beschrieb sie die drei Grundpfeiler ihres Erziehungsansatzes. Erstens: Mit Hilfe eines von ihr selbst konstruierten Sets von Bauelementen sollten die Kinder selbständig ihren Forscherdrang entwickeln, um Realität begreifen und gestalten zu lernen. Phantasien, freies Malen, Musizieren, Herumtoben und Märchenerzählen waren allerdings strikt verboten, weil sie das "Böse" im Menschen aktivierten. Das Genie sollte sich nicht unaufhaltsam Bahn brechen, sondern eine geordnete und geformte Welt entdecken. Zweitens: Durch "Stilleübungen" und gemeinsame Mahlzeiten wurden soziale Lernprozesse angeregt, bei denen sich das Kind als Teil einer übergreifenden "Einheit" erlebte. Eben hatte ein Schüler noch die größte Butterstulle der Welt erfunden, nun lernte er das Teilen. Drittens: Die beteiligten Erzieher blieben in beobachtender Distanz, um die Eigeninitiative des Kindes nicht zu stören und die "deformierenden Einflüsse" von Erwachsenen auf die kindliche Entwicklung zu vermeiden.

Später arbeitete Montessori in den von ihr gegründeten "Case dei Bambini" mit Arbeiterkindern aus den Elendsvierteln Roms und dehnte ihre "Methode" schließlich auf normale Kinder vom Vorschulalter bis zum zwölften Lebensjahr aus. Wenn man bedenkt, daß sich unter dem Einfluß Rousseaus das Bild der Kindheit seit der Aufklärung radikal gewandelt und bereits bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts durch Herbart, Pestalozzi und Fröbel zu einer an psychologischen und ethischen Maßstäben orientierten wissenschaftlichen Pädagogik geführt hatte, scheint der weltweite Erfolg von Montessoris "Methode" aus heutiger Perspektive schlicht unverständlich.

Schwegman enthält sich folgerichtig einer Bewertung von Montessoris Werk und unterläßt den Versuch einer Spurensicherung in heutiger Zeit. Sie stellt das Drama einer Frau in den Mittelpunkt, die die höchsten Sprossen des Ruhms erklimmt, während sie innerlich an den Folgen eines selbstverschuldeten Traumas fast zerbricht. Mit siebenundzwanzig Jahren bekommt Montessori ihren nichtehelichen Sohn Mario. Bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr gibt sie ihn in Pflege weit außerhalb Roms, wird ihn in all den Jahren nur gelegentlich aus der Ferne sehen und bis zu ihrem Tod vor anderen ihre Mutterschaft leugnen. Die Hintergründe für diese Tragödie bleiben im dunkeln.

Kurze Zeit nach der Geburt trennt sich Montessori von dem leiblichen Vater, einem angesehenen Arztkollegen, ihrer ersten und einzigen Liebe. Sie wird zu einer Aktivistin der internationalen feministischen Bewegung. Ihren öffentlich propagierten Männerhaß kann sie erst nach Jahren durch ihr Bekenntnis zur Theosophie bändigen. Schwankend zwischen theosophisch-hinduistischen und katholischen Glaubensvorstellungen, macht sie die Religion zur festen Grundlage ihrer Erziehungsideologie, die allein das "Gute" im Kind als absolute Wahrheit beschwört. Sie selbst transformiert sich zur "Meisterin", die ihre Schülerinnen in unbedingtem Gehorsam als quasi heilige Erzieherinnen zum Wohle des Kindes an sich bindet.

Äußerlich steht fortan ihr ganzes Leben unter dem Vorzeichen der weltweiten Verbreitung ihrer "Methode" zur Erziehung eines "neuen Menschengeschlechts". Eine ähnlich präfaschistische Utopie hatte vor ihr bereits Ellen Key in ihrem Buch "Das Jahrhundert des Kindes" (1900) vertreten. Montessori lebte zeitweilig in Amerika, Indien, Spanien und den Niederlanden, unterhielt Bekanntschaften mit den höchsten Repräsentanten der jeweiligen Staaten, wurde in Italien vom Papst und von Mussolini in der Verwirklichung ihrer Ideen unterstützt. Keiner konnte sich der Faszination dieser Frau, ihrer imposanten Erscheinung, ihrem Rednertalent und ihrer Überzeugungskraft entziehen. Ihre Grandiosität, von ihr selbst im Mythos der "Prima Donna" des zu befreienden Kindes stilisiert, schlug sich weltweit in der Gründung von Montessori-Kindergärten und -Schulen nieder, deren Methoden längst auch Pädagogen beeinflussen, die wenig von Maria Montessori und noch weniger von den ideologischen Hintergründen ihrer Lehre wissen.

Das Buch von Schwegman liest sich auch deswegen so anregend, weil es der Biographin gelingt, das Porträt einer ungewöhnlichen Frau mit all ihren Widersprüchen in den breiten Kontext der historischen, gesellschaftlichen technischen und ideengeschichtlichen Umwälzungen vom Ausgang des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg einzubetten. So erzählt das Leben von Maria Montessori auch etwas über die Geschichte der Frau in den letzten hundert Jahren und verleiht dem heutigen Diskurs in der Geschlechterphilosophie mehr Transparenz.

Marjan Schwegman: "Maria Montessori 1870-1952". Kind ihrer Zeit, Frau von Welt. Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer. Primus Verlag, Darmstadt 2000. 224 S., Abb., geb., 49,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Rezensent mit dem Kürzel rox lobt die Biographie in seiner knappen Besprechung dafür, "neue Akzente" zu setzen. Besonders freut ihn, dass das Buch Maria Montessori als "schöne und exzentrische" und dabei kluge Frau in Wort und Bild näherbringt und dadurch die verbreitete Annahme widerlegt, Pädagoginnen seien stets greise und strenge Damen.

© Perlentaucher Medien GmbH