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Rudolf Lill stellt die Geschichte Südtirols vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und Strömungen in Italien, Österreich und Deutschland dar. 1919 wurde das bis dahin zum österreichischen Kronland Tirol gehörende Gebiet südlich des Brenners Italien zugesprochen und seine deutschsprachige Bevölkerung zur Minderheit. Von 1922 bis 1945 geriet das Land unter den Druck zweier Diktaturen: das faschistische Italien betrieb eine entschlossene Italianisierungspolitik und das nationalsozialistische Deutschland wollte im Sinne seiner…mehr

Produktbeschreibung
Rudolf Lill stellt die Geschichte Südtirols vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und Strömungen in Italien, Österreich und Deutschland dar. 1919 wurde das bis dahin zum österreichischen Kronland Tirol gehörende Gebiet südlich des Brenners Italien zugesprochen und seine deutschsprachige Bevölkerung zur Minderheit. Von 1922 bis 1945 geriet das Land unter den Druck zweier Diktaturen: das faschistische Italien betrieb eine entschlossene Italianisierungspolitik und das nationalsozialistische Deutschland wollte im Sinne seiner völkischen Ideologie die Südtiroler in den Osten Europas umsiedeln. Rudolf Lill zeigt, dass erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem langwierigen Prozess die Gleichberechtigung der Minderheiten eingeleitet wurde. Insofern steht die Zeitgeschichte Südtirols auch exemplarisch für die Zerstörungen, die der Nationalismus in Europa anrichtete und für die Schwierigkeiten eines demokratischen und regionalistischen Neuaufbaus.
Autorenporträt
Rudolf Lill ist Professor emeritus für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Karlsruhe, wo er die Forschungsstelle »Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten« leitete. Als Gastprofessor lehrte er an mehreren italienischen Universitäten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2002

Probemarsch auf Bozen
Die Auswirkungen der beiden Weltkriege auf das Gebiet Südtirol

Rudolf Lill: Südtirol in der Zeit des Nationalsozialismus. UVK Verlagsgesellschaft mbh Konstanz 2002. 364 Seiten, 34,- [Euro].

Wie in einem Brennglas findet sich in der Geschichte Südtirols ein Stück Geschichte des 20. Jahrhunderts wieder. Es ist alles da: der Erste Weltkrieg mit seinen verheerenden Auswirkungen, die "Friedensverträge", mit denen zahlreiche Minderheitenprobleme erst geschaffen und verschärft wurden. Ein fast hundertprozentig deutschsprachiges Südtirol, das seit mehr als fünf Jahrhunderten zu Österreich gehört hatte, wurde Italien als "Kriegsbeute" zugeschlagen - mit der Grenze am Brenner. Durch das Hitler-Mussolini-Abkommen aus dem Jahre 1939 fand schließlich in Südtirol das Experiment einer "ethnischen Flurbereinigung" statt. 86 Prozent der Südtiroler trafen damals die Wahl ("Option" wurde das genannt), das Land zu verlassen und "Reichsdeutsche" zu werden; rund 75 000 gingen tatsächlich.

Dann kam der Zweite Weltkrieg - mit Italien erst auf der einen, dann auf der anderen Seite und mit den entsprechenden Auswirkungen auf Südtirol. Nach Kriegsende gab sich Italien demokratisch, während Südtirol frühzeitig in die Mühlen des Kalten Krieges geriet. Eine Rückkehr zu Österreich wurde von den Siegern abgelehnt; sie hielten an der Brenner-Grenze fest. Auf Druck der Briten kam es im September 1946 zu einem Abkommen zwischen Österreich und Italien. Italien gestand Südtirol 1948 eine Autonomie zu, die sich schon bald als Scheinautonomie erwies. Enttäuschte Hoffnungen führten so Ende der fünfziger Jahre zur Verschärfung der Lage in Südtirol - mit der Forderung nach Selbstbestimmung und nach einer wirklichen Autonomie. Es folgte Österreichs Weg zu den Vereinten Nationen, der begleitet war von Bombenattentaten in Südtirol. Nach jahrzehntelangem Streit einigten sich Österreich und Italien endlich 1992 auf eine Autonomie, die als Modell für die Lösung der mit dem neuen Nationalismus des ausgehenden 20. Jahrhunderts einhergehenden Probleme dienen könnte.

Im Bewußtsein vieler Deutscher hat Südtirol einen ganz besonderen Stellenwert. Vielen Deutschen erschien Südtirol damals als "urdeutsches, manchen als das deutscheste aller deutschen Länder", wie das der Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt und spätere Bundespräsident Karl Carstens 1959 einmal gegenüber dem österreichischen Botschafter in Bonn formulierte.

Nun legt Rudolf Lill die Quintessenz seiner Südtirol-Erfahrung vor - nicht aus den Akten gearbeitet, sondern eine Art Synthese der vorhandenen Literatur und unter Berücksichtigung der italienischen Geschichte. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit bis 1945; und da ist die Darstellung durchwegs geglückt. Was ist neu, wo geht er auf Kontroversen ein? Zunächst über die Phase nach der Teilung Südtirols bis zur Machtübernahme der Faschisten: Hier sprechen die Italiener von einer demokratischen, durchaus wohlwollenden Politik gegenüber Südtirol. Mit Lill kann man das auch anders sehen. Immerhin probten die Faschisten ihren Marsch auf Rom zuvor mit einem Marsch auf Bozen.

Schwierig ist die Zeit nach 1945. Da ging es zunächst um die mögliche Rückkehr Südtirols zu Österreich. Lill referiert den Forschungsstand, ohne selbst Stellung zu beziehen. Ähnlich bei den Bombenattentaten 1961: Was wollten die Attentäter? Die Selbstbestimmung oder die Autonomie? Und was haben sie bewirkt? Leider hat Lill auch die postum veröffentlichten Memoiren von Paolo Emilio Taviani nicht berücksichtigt. Der langjährige Verteidigungs-, Innen- und Wirtschaftsminister schrieb einige erstaunliche Wahrheiten über Südtirol nieder.

ROLF STEININGER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Rolf Steininger ist zwiegespalten und zerrupft das Buch in zwei Teile. Damit folgt er zunächst einmal dem Buchautor, der die Geschichte Südtirols in zwei Abschnitten - vor 1945 und danach - untersucht. Gegen den Hauptteil des Buches, die Zeit im Nationalsozialismus, hat Steininger nichts einzuwenden. Seiner Meinung nach liest sich dieser Abschnitt als "Synthese der vorhandenen Literatur" und liefert neue Erkenntnisse und Ansichten über das Verhältnis der Südtiroler zu Italien. Denn bisher, so erklärt Steininger, habe man die italienische Südtirol-Politik vor Mussolinis Machtübernahme positiv betrachtet. Vor allem in Italien ist die Auffassung verbreitet, die vorfaschistischen Regierungen seien wohlwollend und demokratisch mit den Südtirolern umgegangen. "Mit Lill kann man das auch anders sehen", schreibt Steininger durchaus angetan, nur wie, das sagt er leider nicht. Mit Kriegsende fällt laut Steininger aber die Lesefreude. Im Gegensatz zum ersten Teil fördere Lill keine neuen Erkenntnisse zu Tage, sondern gebe bloß den Forschungsstand wieder, "ohne selbst Stellung zu beziehen". Die Enttäuschung über dieses Manko ist der Rezension anzumerken. Trotzdem, die Rezension, die selbst zum Großteil ein historischer Blick auf den Alpenfleck ist, klingt freundlich und wohlgesonnen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Es ist keineswegs übertrieben zu sagen, dass dieser umfangreiche Band vom besten deutschen Kenner der neueren und erst recht neuesten Geschichte Südtirols vorgelegt worden ist."
Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst u. Volkskunde

Der Verfasser versteht es meisterhaft, die lange nach 1945 fortwirkenden Ambivalenzen zwischen national und Europäisch sichtbar zu machen. (Das Historisch-Politische Buch, 1/2004)

Gewiss, es fehlt nicht an Spezialliteratur, an Dokumentationen und Stellungnahmen aus unterschiedlicher Sicht. Aber eine in Kenntnis der österreichischen, deutschen und italienischen Fachliteratur verfasste, an Tatsachen orientierte Gesamtdarstellung, zügig geschrieben, anschaulich im Text und detailgenau in den Anmerkungen, das hat es bisher nicht gegeben. Rudolf Lill, Historiker and er Universität Karlsruhe und Lehrbeauftragter für italienische Geschichte in Bonn, hat dieses Desiderat nun mit Bravour erfüllt. (Rheinischer Merkur, 23.10.2003)