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Poetisch, spannend und hochbrisant!
1979: Zwei Menschen, die sonst nichts miteinander gemein haben, auf dem Weg zu einem hermetisch abgeriegelten Hochsicherheitsgefängnis, das wie eine Hazienda aussieht. Luisa, die in der Toskana einen kleinen Bauernhof führt und ihre fünf Kinder allein großzieht, besucht ihren Mann. Weil er in einem Wutausbruch einen Gefängniswärter umbrachte, wurde er kürzlich von einem normalen Gefängnis hierherverlegt. Paolo hingegen, ein vorzeitig pensionierter Philosophielehrer, wird auf dieser nach Salz, Feigen und Blumen duftenden Gefängnisinsel seinen einzigen Sohn…mehr

Produktbeschreibung
Poetisch, spannend und hochbrisant!

1979: Zwei Menschen, die sonst nichts miteinander gemein haben, auf dem Weg zu einem hermetisch abgeriegelten Hochsicherheitsgefängnis, das wie eine Hazienda aussieht. Luisa, die in der Toskana einen kleinen Bauernhof führt und ihre fünf Kinder allein großzieht, besucht ihren Mann. Weil er in einem Wutausbruch einen Gefängniswärter umbrachte, wurde er kürzlich von einem normalen Gefängnis hierherverlegt. Paolo hingegen, ein vorzeitig pensionierter Philosophielehrer, wird auf dieser nach Salz, Feigen und Blumen duftenden Gefängnisinsel seinen einzigen Sohn treffen, der in den Terrorismus abgeglitten ist. Paolo verachtet die Gewalt und den Dogmatismus seines Sohnes, und doch besucht er ihn, sooft er kann, und pflegt die vertrauten Gesten ihrer früheren tiefen Zuneigung.

Nur unter großen Demütigungen können Luisa und Paolo mit ihren Angehörigen sprechen. Auf unterschiedliche Weise werden sie beide von dieser Erfahrung tief erschüttert. Ein dramatischer Zwischenfall im Gefängnis zwingt die Bäuerin und den vereinsamten Intellektuellen, eine Nacht länger als geplant auf der sturmumtosten Insel zu bleiben. Erst viel später, im Jahre 2009, wird Ihnen die Bedeutung dieser Nacht deutlich werden.
Autorenporträt
Francesca Melandri, geboren in Rom, schrieb zahlreiche Drehbücher für Fernseh- und Kinofilme.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Klingt wie ein Kammerspiel, was Christiane Pöhlmann so von Francesca Melandris Roman ausplaudert, eine Versuchanordnung, mit der die Autorin versucht, emotionalen Konstanten und Verschiebungen unter den Bedingungen von latenter Gewalt nachzuspüren. Dass Melandri dazu die Handlung und ihre Figuren auf eine Gefängnisinsel verfrachtet und sie dort über Nacht einsperrt, mag ein bisschen gewollt erscheinen. Pöhlmann jedoch gefällt, dass die Autorin sich mit Urteilen über ihr Personal zurückhält und dass sie im Ganzen ein komplexes Bild zeichnet. Mitunter hätte sie laut Pöhlmann allerdings durchaus genauer hinschauen und reflektieren dürfen, einige Brüche im Fühlen, Denken und Handeln der Figuren bleiben der Rezensentin verborgen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.2012

Denkspiele
Francesca Melandris Roman "Über Meereshöhe"

"Untiefe" ist ein faszinierendes Wort, bezeichnet es doch ebenso eine große Tiefe wie das genaue Gegenteil davon, eine seichte Stelle. Damit ist es bestens geeignet, den zweiten Roman Francesca Melandris, geboren 1964, zu charakterisieren, ein Werk mit vielen tiefen und wenigen seichten Stellen.

Im Jahr 1979 besuchen Luisa und Paolo ihre Angehörigen auf einer Gefängnisinsel, sie ihren Mann, einen Schläger und zweifachen Mörder, er seinen Sohn, einen Terroristen. Diese Insel ist ein idyllisches Eiland, das "nach Salz, nach Feigen und Strohblumen" riecht, gleichzeitig aber auch ein abgeschottetes Bollwerk, das nur ausgewählte Personen unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen betreten dürfen. Luisa hat beispielsweise Unmengen von Ravioli zubereitet, damit ihr Mann "die Leckereien von zu Hause mit anderen Gefangenen teilen" und so vielleicht Kontakt zu ihnen aufbauen kann. Die Teigwaren werden konfisziert.

Als Luisa und Paolo wegen eines Unwetters die Nacht auf der Insel verbringen müssen, passen der Wärter Pierfrancesco und seine Frau Maria Caterina auf sie auf. Dieses Ehepaar stellt ein Spiegelbild zu Luisa und ihrem Mann dar, zeigt, wie zart die Grenze zwischen "drinnen" und "draußen" ist, bestimmen doch Kommunikationsunfähigkeit und Angst vor Gewalt auch das Verhältnis dieser Eheleute.

Im Fokus des Romans stehen die Gefühle der Angehörigen, allerdings meist, ohne dass es deswegen gefühlig würde. Eindringlich spürt Melandri dem Phänomen nach, dass Taten Emotionen nicht zwangsläufig ändern, eigentlich eine Binsenweisheit - die jedoch in der Realität oft genug mit einem Kopfschütteln quittiert wird: Warum distanziert sich der Vater nicht von seinem terroristischen Sohn? Warum verhält sich die Frau ihrem prügelnden Mann gegenüber weiter solidarisch? Gerade mit Paolo verleiht Melandri einer Person eine Stimme, die in der Literatur nur selten zu Wort kommt. Mit wenigen Strichen zeichnet sie ein komplexes Bild. Allein dieser Perspektive wegen lohnte die Lektüre bereits.

Nun zu den Schwachpunkten: So überzeugend emotionale Kontinuitäten dargestellt werden, so vage bleiben Brüche im Fühlen, Denken und Handeln. Paolos Sohn wird von seinem Vater selbst zu einem engagierten, kritischen Blick auf die Gesellschaft angehalten. Was lässt ihn dann den Weg des bewaffneten Kampfes wählen? Empathie allein hilft da nicht weiter, hier wären Reflexion, genaues Beobachten nötig. Das unterbleibt, womit Melandri zwar die Klippe der Befindlichkeitsprosa umschifft, gegen Ende aber nicht immer die Gefahr des Kitsches. Und wenn Luisa in der Disziplin "Einer trage des anderen Last" zu Höchstform aufläuft und Melandri die Mär vom wortlosen Verstehen zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können, spinnt, gerät ihre ansonsten unspektakuläre Schilderung leicht schmalzig. Alles in allem ist "Über Meereshöhe" damit ein lesenswertes Buch. Ohne beliebig zu werden, fällt es kein Urteil, sagt aber einiges über emotionale Dispositionen aus. Insbesondere unter den Bedingungen latenter Gewalt, seien diese nun politischer oder privater Natur.

CHRISTIANE PÖHLMANN.

Francesca Melandri: "Über Meereshöhe". Roman.

Aus dem Italienischen von Bruno Genzler. Blessing Verlag, München 2012. 256 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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