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'Die meisten Bücher über Kinder werden von Menschen eschrieben, die viel für Kinder übrig haben und von Biologie wenig wissen', sagt Midas Dekkers, 'und das Ergebnis ist allerlei pädagogischer Unsinn. Ich bin jemand, der mit einer gewissen Distanz auf Kinder blickt, aber viel von Biologie versteht. Und so habe ich eine ganz andere Sicht auf die Dinge.'
Die hat er in der Tat - äußerst anregend und sehr amüsant, erhellend und gelegentlich vielleicht sogar erschreckend, denn sein Blick auf Kinder ist nicht durch die rosafarbene Brille der Rührung getrübt. Dekkers wendet die Metamorphose, wie
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Produktbeschreibung
'Die meisten Bücher über Kinder werden von Menschen eschrieben, die viel für Kinder übrig haben und von Biologie wenig wissen', sagt Midas Dekkers, 'und das Ergebnis ist allerlei pädagogischer Unsinn. Ich bin jemand, der mit einer gewissen Distanz auf Kinder blickt, aber viel von Biologie versteht. Und so habe ich eine ganz andere Sicht auf die Dinge.'

Die hat er in der Tat - äußerst anregend und sehr amüsant, erhellend und gelegentlich vielleicht sogar erschreckend, denn sein Blick auf Kinder ist nicht durch die rosafarbene Brille der Rührung getrübt. Dekkers wendet die Metamorphose, wie sie uns in der Natur vor allem aus dem Insektenreich vertraut ist, als Denkmodell auf den Menschen an: Das Kind unterscheidet sich vom Erwachsenen so sehr wie die Raupe vom Schmetterling - es liegen Welten zwischen diesen Wesen, deren Interessen sich manchmal decken, aber meistens eben nicht. Alle 50-Jährigen beispielsweise haben mehr miteinander gemeinsam als jeder Einzelne mit dem Kind, das er einmal war. Ein Kind ist kein kleiner Mensch, sondern eine Larve, die ihre wesentlichen Aufgaben - (fr)essen und wachsen - perfekt beherrscht. In der Natur folgt auf das Larvenstadium die Ruhephase der Verpuppung, beim Menschen die Katastrophe der Pubertät. Ob man Larven und Puppen erziehen kann? Kaum. Aber man kann ihnen dabei helfen, sich zu Menschen zu entpuppen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.09.2003

Hinter eines Baumes Rinde
Ein gewitztes Sachbuch gefällig? Heute erscheint Midas Dekkers’ Versuch über Raupen, Kinder und andere Plagen
Nackt, kahl und blass liegt es da, das neugeborene Baby. Wie eine Made. Nicht mal laufen kann es, geschweige denn sprechen. Was nur ist dieses wurmhafte Etwas? Etwa ein Mensch? Ein Marsmensch, da ist Midas Dekkers sicher, würde ein Baby sicherlich nicht in denselben Käfig sperren wie die dazugehörige Mutter. Und nachdem der Mensch nunmehr anderthalb Jahrhunderte gebraucht hat, sich daran zu gewöhnen, dass er „kein gestürzter Engel, sondern lediglich ein die Evolutionsleiter hinaufgestolperter Affe” ist, ist er langsam reif für einen anderen Gedanken: „Wenn der Mensch ein Tier ist, ist sein Kind dann nicht einfach ein Larve?”
Menschen und Kinder haben, so Dekkers, so gut wie gar nichts gemein. Ein Kind ist ein gutes Kind, aber ein schlechter Mensch. Was ein Kind kann, kann ein Mensch meist nicht mehr. Und umgekehrt. Von der Optik mal ganz abgesehen: „Ein Opa gleicht einem anderen Opa mehr als seinem eigenen Enkel, geschweige denn dem Enkel, der er selbst einmal war.” So, wie eine Raupe kein Schmetterling ist, ist ein Kind kein Mensch. Nicht umsonst erfreut sich ein bestimmtes Kinderbuch seit nunmehr 30 Jahren besonderer Beliebtheit: „Die kleine Raupe Nimmersatt”. Kinder lieben die kleine Raupe – weil auch sie sich rundum zufrisst, um groß zu werden, bevor sie sich verpuppt und zum Schmetterling wird. Sogar US-Präsident George W. Bush gab kürzlich in einem Interview an, dieses Büchlein besonders zu lieben – was immer man daraus schließen mag.
Kinder und Raupen jedenfalls fressen und fressen und fressen. Raupen nur Nahrung, Kinder auch Wissen. Dies tut ein Kind mit demselben ausschließlichen Interesse, das Erwachsene am Sex haben. Aber eben nur, solange es ein Kind ist. Die Nahrungsaufnahme mag weiterhin blühen – mit dem Drang, Wissen zu fressen, ist irgendwann Schluss. Spätestens mit zehn. Der Autor, populärster Biologe der Niederlande und Verfasser diverser naturwissenschaftlich geprägter Bestseller („Das Gnu und Du”, „Geliebtes Tier”) hat zwar nach eigener Aussage von Kindererziehung keine Ahnung, dafür um so mehr von Biologie. Und sein naturwissenschaftlich distanzierter Blick auf Kinder schafft trotz oder gerade wegen abenteuerlicher Argumentationsketten seine eigenen Evidenzen.
So kommt es zum Beispiel laut Dekkers aufgrund des mit zunehmendem Alter abflauenden Wissensdrangs einer Kindesmisshandlung gleich, einem Kind über acht Jahren noch eine Fremdsprache beibringen zu wollen – etwas, das es noch wenige Jahre zuvor mühelos und ganz nebenbei absolviert hätte. Wenn man ihm nur Gelegenheit dazu gegeben hätte. Stattdessen versuchen nun vollkommen überforderte Lehrkräfte im abgefahrenen Zuge falsch zusammengestellter Lehrpläne das Falsche zur falschen Zeit in die Kinder hineinzustopfen – und prallen ab an stur verschlossenen Kinderstirnen. Fazit: „Die Schule zerstört die kindliche Neugier.”
Frösche, Götter, Kafka
In dem See voll phantasievoller politischer Unkorrektheiten, in dem Dekkers seine Leser badet, treiben auch so dicke Brocken wie dieser: „Durch Erziehung lässt sich gar nichts erreichen. Die Gene und allerhöchstens noch der Einfluss anderer Kinder sind das einzige, was ein Kind prägen kann.” Eine These, die ihm in ihrer lapidaren und wenig untermauerten Darreichungsform als rechtslastig ausgelegt werden könnte. Mit derartigen Äußerungen bewegt sich der Autor auf einem schmalen Grat. Was ihm allerdings herzlich egal zu sein scheint. Dekkers nimmt nichts wirklich ernst. Am wenigsten sich selbst. Und er ruht souverän genug in seinem Wissen, um sich das leisten zu können.
Dieses Wissen serviert er nicht direkt, sondern subtil und beiläufig. Dekkers entführt auf eine ironische Achterbahnfahrt kreuz und quer über den Jahrmarkt der Verpuppungen – bitte anschnallen, wir heben ab. Das Tempo ist rasant, die Übergänge fließend. Vorbei an Larven aller Art, an sich häutenden Schlangen, an Fröschen, Kaulquappen und Goldfliegen, an Werwölfen, Vampiren, Göttern und Franz Kafka. Nach kurzem Zwischenstop bei Alice im Wunderland geht es weiter zu Andersens „hässlichem Entlein”, es folgt eine Runde Schwimmen im Meer, das eigentlich nur ein riesiges Becken voller Sperma ist. Im Schatten von Vladimir Nabokov als Schmetterlingsjäger bahnt sich ein „hackfleischkrümelgroßes” Kanguruhbaby in einem spektakulären Home-Run den weiten, pelzigen Weg in den warmen und sicheren mütterlichen Beutel.
Wie erfährt man, wofür ein bestimmte Drüse im Körper verantwortlich ist? Ganz einfach. Man macht die Drüse kaputt und schaut, was passiert. Warum würden wir Maden wesentlich besser verdauen können als Milchprodukte? Probieren Sie’s aus! Und wenn man sich als Mensch denn nun schon unbedingt eine fremde Art ins Haus holen muss – warum dann nicht einen Hund oder eine Katze statt ein Kind? Das wäre nicht nur wesentlich stressfreier, sondern auch erheblich billiger. Warum sich einen kleinen Tyrannen ins Haus holen, der einen nicht mal in Ruhe Zeitung lesen lässt und einem die Ohren vom Kopf frisst?
Weiter geht es zur Verpuppung: der Verwandlung vom Kind zum Menschen, der wie jeder Metamorphose etwas Unheimliches innewohnt. Ganz sicher weiß man ja nie, was hinterher rauskommt. Das Kind hat zwar das komplette Programm geladen, um sich in einen Menschen zu verwandeln. Einfach ist das dennoch nicht. Im pickeligen Niemandsland zwischen Nichts und Doppel wird die Kind-Larve nicht, was sie ist, und ist nicht, was sie wird. Menschwerden ist harte Arbeit.
Wenigstens braucht sich das Kind nicht zu häuten wie andere Wirbeltiere. Menschenhaut ist zäh. Aber sonst? Ich will nicht mehr, sagt sich der eitrig gesprenkelte Teenager, ein Sklave wildgewordener Hormonen und arbeitswütiger Talgdrüsen. Ein kleiner Lichtblick bleibt ihm: „Kastraten haben keine Pickel. Genau wie Popstars.” Wofür soll er sich nun entscheiden: Kastration oder Clearasil, „Star Search” oder Selbstmord? Unvermittelt befindet sich der Leser mitten in der schönsten Suizidkunde. Überhaupt: Wie ist das eigentlich, wenn das Kind in einem stirbt? Keine Ahnung. Das hat er verdrängt. Wird so spektakulär nun auch wieder nicht gewesen sein – „die meisten Leute haben mit der Geburt das größte Ereignis ihres Lebens eh schon hinter sich”. Und auch, was nach mittlerweile verdrängter Verwandlung noch folgt, ist kaum noch der Rede wert.
Der frisch geschlüpfte Mensch wird von seinen Hormonen, die den Körper dazu zwingen, statt wie bisher „fressen, fressen” nun mit jeder verfügbaren Zelle „fortpflanzen, fortpflanzen” zu schreien, in die Disco gescheucht, von der Disco ins Bett, und vom Bett zum Wohnungsmakler: auf der Suche nach dem Reihenhäuschen mit Garten. Wo er nun seinerseits Larven ablegt, die sich dann nach Jahren des larval-infantilen Terrors zu prima Teenagern verpuppen. Und im Weidenkörbchen schlummert der Hund. Das Leben kann so einfach sein.
Selbstverständlich will Midas Dekkers den Kindern dieser Welt nicht die Menschenrechte aberkennen. Er versucht zu zeigen, wie man ein Kind darin unterstützen kann, eine gute Larve, ein gutes Kind zu sein. Anstatt es von oben herab als eine Art halbfertiges Wesen oder alskleineres Neben-Projekt des eigenen Ich zu behandeln. Zu einem Menschen entpuppt es sich beizeiten von allein. Übrigens: Das ideale Alter, einem Kind die Liebe zur Literatur nahe zu bringen, liegt zwischen 35 und 40.
ANNETTE MENTRUP
MIDAS DEKKERS, Von Larven und Puppen. Soll man Kinder wie Menschen behandeln? Blessing Verlag, München 2003. 350 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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"Es ist eine wahre Freude, dass es wieder ein neues Buch von Midas Dekkers gibt. Wir können uns glücklich preisen, einen so großartigen Schriftsteller zu haben, der sich der Biologie verschrieben hat."
NRC Handelsblad

"Autoren sind nicht so wertvoll wie Profifußballer. Sonst wäre Midas Dekkers schon längst ins Ausland verkauft."
NRC Handelsblad

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Es hat ganz den Anschein, als hätte sich Eugenie Bott von den Theorien dieses niederländischen wissenschaftlichen "Starjournalisten" wider Willen faszinieren lassen, auch wenn sie abschließend nüchtern resümiert, dass Dekkers es zwar versteht, das "Verständnis für menschliche Entwicklungsprozesse" zu fördern, seine "vorgetragene Biologie jedoch nur eine bekannte Kinderpsychologie ergänzt". Ausgehend von der Forderung, Kinder nicht wie Erwachsene zu behandeln, da sie es nicht sind, entwickele der Autor ein vertracktes System, hinter dem zumindest für Dekkers selbst noch ein "Ordnungssystem" zu erkennen sei. Anstatt eindeutig zu erklären, seufzt die prinzipiell nicht abgeneigte Rezensentin, ziehe der Autor es vor zu jonglieren: mit "Worten, Bildern, Beispielen und luftigen Drahtseilakten der Theorien". Hartnäckig trete er für ein Vernachlässigen der Erziehung ein. Bott pflichtet ihm bei: "Ach, würden wir doch nur begreifen, was wir zerstören, nur weil wir glauben, es durch Besseres ersetzen zu müssen..." Allerdings merkt die Rezensentin noch an, dass Dekkers zwar Distanz empfehle, sie aber selbst beständig vermissen lasse.

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