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Die erste Biographie über Lord Alfred Douglas (1870-1945) stellt nicht nur Irrtümer über dessen spektakuläre und tragisch endende Beziehung zu Oscar Wilde richtig, sondern zeigt auch, das Douglas ein ernst zu nehmender Dichter und Literat war.

Produktbeschreibung
Die erste Biographie über Lord Alfred Douglas (1870-1945) stellt nicht nur Irrtümer über dessen spektakuläre und tragisch endende Beziehung zu Oscar Wilde richtig, sondern zeigt auch, das Douglas ein ernst zu nehmender Dichter und Literat war.
Autorenporträt
Caspar Wintermans wurde 1966 in Hagenaar geboren. Er studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Leiden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2001

Oscar Wildes Liebe nennt Namen
Auch Caspar Wintermans kann aus Bosie keinen Dichter machen

Der erste Nachruf erschien 1921 auf der Titelseite einer Londoner Abendzeitung und war wenig schmeichelhaft. Ein Nichtsnutz sei er gewesen, exzentrisch und degeneriert, an den man sich eher wegen der Skandale, in die er verwickelt war, erinnern werde als aufgrund literarischer Verdienste. Das harsche Urteil blieb nicht unwidersprochen. Der Totgesagte selbst teilte der Redaktion sein Weiterleben telefonisch mit und schickte, als sie zwar die Falschmeldung, nicht aber ihre Einschätzung korrigierte, eine Verleumdungsklage hinterher, die ihm tausend Pfund Entschädigung für üble Nachrede eintrug. Tatsächlich starb Lord Alfred Douglas erst mehr als zwei Jahrzehnte später, vierundsiebzigjährig. Diesmal blieb der Nachruf einem amerikanischen Bewunderer überlassen, der sein Gedenken in folgende Verse goß: "Ich werde Dich nicht den Akolythen der Schönheit nennen, / wohl aber ihren Hohepriester auf dieser nebligen Insel, / wo die Heuchelei alles zu überwuchern droht, / wo die Scham Liebende wie Mehltau befällt." So kann man es offenbar auch sagen.

Es gibt Dichter, von denen man nur eine einzige Formulierung in Erinnerung hat: "I am the Love that dare not speak its name." Diese Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt, wurde 1895 vom Staatsanwalt als Indiz für grobe Unzucht im Strafprozeß gegen Oscar Wilde zitiert. Die Zeile entstammt einem Gedicht von Lord Alfred Douglas, genannt Bosie, der darin drei Jahre zuvor sein Verhältnis zum allseits gefeierten Salonlöwen, ironischen Ästheten und charismatischen Gesellschaftsautor formuliert hatte. Im Gerichtssaal aber brach alles Spiel der Zweideutigkeiten ab, als Wilde genötigt wurde, den Geschworenen jene namenlose Liebe zu erläutern. Die edelste, zarteste und reinste Form der Zuneigung spreche sich darin aus, bekannte er mit großem Gestus und poetischem Furor, wie die Bibel sie von David und Jonathan, die platonischen Dialoge von Sokrates und seinen Schülern oder Shakespeares Sonette sie vom Barden und seinem adligen Patron berichte. In der märtyrergleichen Selbstauslegung von Douglas' Liebeslyrik riß Wilde sein Publikum ein letztes Mal zu Ovationen hin. Anschließend wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus und Zwangsarbeit verurteilt. Drei Jahre später starb er im Exil. Die Nachricht von seinem Tod empfing keine respektvoll erschütterte, sondern eine lustvoll selbstgerechte Nachwelt.

Doch die Annahme, daß solche Schändlichkeit der Welt ganz unversehens und plötzlich über eine glückliche Liebesbeziehung hereingebrochen sei, geht fehl. Zwar war es zuletzt Bosies Vater, der den Skandal und die gerichtliche Auseinandersetzung mit Wilde provozierte (und Wilde war es, der verblendet genug meinte, sich darauf einlassen zu können). Von Anfang an jedoch stand die Passion zwischen dem irischen Hohepriester der englischen Décadence und dem Oxforder Studenten unter ständigem Druck erpresserischer Enthüllungen, ja schien ihre Intensität gerade aus gezielter Indiskretion zu gewinnen. Nach ihrer ersten, eher flüchtigen Begegnung in Londoner Salons eilte Wilde im Frühjahr 1892 nach Oxford, weil sein junger Verehrer dort, wie er sagte, Schutz vor inkriminierenden Briefen brauchte. Wilde nutzte die Gelegenheit, die Bekanntschaft zu vertiefen. Die Photographien jener Zeit - beide im Sommeranzug, Rose im Knopfloch, Zigarette im Anschlag, Bowler Hat und Strohhut - zeigen nur die onkelhafte Seite dieser Leidenschaft; die andere Seite spielte in den Vergnügungshöhlen von Picadilly, wo man sich die Strichjungen gegenseitig abjagte oder auch selbstlos überließ.

Als Wilde starb, war Douglas dreißigjährig, reicher Erbe, gefallener Sohn und glückloser Poet des Fin de siècle, das nun zu Ende ging. In den folgenden Jahrzehnten setzte er alles daran, eine Rückkehr in die gesellschaftliche Anerkennung zu erzwingen. Doch es scheint, als habe er zeitlebens keine eigene Rolle mehr gefunden. Seine ständigen Versuche, sich retrospektiv ins angemessene Licht zu setzen, schwanken zwischen heuchlerischer Verleugnung und sentimentaler Verklärung. Sie füllen Bände, Zeitungsseiten und Gerichtsakten, denn die erbitterte Rivalität der hinterbliebenen Liebhaber Wildes führt in der Folge zu nicht weniger als neun Skandalprozessen, in denen Douglas als Kläger, als Verklagter oder Zeuge auftritt. Mit jeder Wiederholung aber wird das Pathos des Verleumdungsdramas abgeschmackter, bis die Gerichtsarena, in der Wilde einst seinen Fall als Christusfigur inszenierte, nur noch zur Farce taugt. Überhaupt erscheinen Douglas' Anstrengungen zur Anständigkeit, wie beispielsweise sein Übertritt zum Katholizismus, vielfach als hilfloser Nachvollzug von Wildes brillantem Rollenspiel. Dieser hatte nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus schon erklärt, die römisch-katholische Kirche sei Heiligen und Sündern vorbehalten; für anständige Leute reiche die anglikanische Kirche völlig aus.

Caspar Wintermans tritt nun an, das gängige Bild Bosies zu korrigieren und Lord Alfred Douglas, dem aristokratischen Weltmann, lyrischen Dichter und unermüdlichen Herausgeber kurzlebiger Journale, endlich die "Bewunderung" und "Sympathie" zu verschaffen, die ihm zukomme. Damit gehört dieses Buch in ein bekanntes Genre, das man Rehabilitationsbiographik nennen könnte. Anders aber als die - häufig feministisch motivierten - Höhepunkte dieser Gattung, etwa über Nora Barnacle (die Frau, durch die James Joyce zum Mann und Schriftsteller wurde) oder Georgie Yeats (die den writer's block ihres Mannes telepathisch überwinden half), bietet Wintermans' Studie nur wenig unbekanntes Material. Statt dessen nutzt der Autor die Mittel des Kursivdrucks und der Interpunktion, um seiner ehrenwerten Absicht Nachdruck zu verschaffen: "Eifersucht! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei die Verunglimpfung, die Douglas im Lauf der Jahre über sich ergehen lassen mußte, zum Teil auf bewußten oder unbewußten Neid zurückzuführen."

Wem das nicht genügt, der findet im Anhang eine Auswahl von dreißig Gedichten, zweisprachig mit deutscher Erstübertragung, anhand derer man die These, daß hier ein lang verkannter "Wortkünstler" zu entdecken ist, überprüfen kann. Oder auch nicht. Denn selbst in Christa Schuenkes kunstsinniger Nachdichtung wirken die epigonalen Verse kaum betörender als parfümierte Kreuzsticharbeiten: "Mit welchen goldnen Netzen, Silberspeeren / Bringt man die Schönheit auf, welch Flöte weckt / Mit welcher Lüfte Hauch man, froh-verzückt? / Die sternwärts schau'nden Augen wascht in Zähren, / Daß sie (von unserer reinen Gier erregt) / Ins Wasser schaut, mit ihrem Bild es schmückt." Je mehr Wintermans sich daher müht, Douglas' Andenken für unsere Gegenwart zu retten, desto klarer tritt Bosie doch als abgewirtschafteter Vertreter der edwardianischen Aristokratie hervor, jener englischen Elite, die, in Traditionsdünkel erstarrt, Erneuerung in katholischer Konversion wie amerikanischer Heirat suchte und für alles Übel der Moderne das Weltjudentum als Ursache erkannte. Dagegen kommen auch die literarischen Rettungsversuche nicht an. Der falsche Nachruf auf Lord Alfred Douglas war wohl doch der richtige.

TOBIAS DÖRING

Caspar Wintermans: "Lord Alfred Douglas". Ein Leben im Schatten von Oscar Wilde. Aus dem Niederländischen übersetzt von Christiane Kuby und Herbert Post. Mit einer Auswahl von Douglas' Gedichten aus dem Englischen von Christa Schuenke. Karl Blessing Verlag, München 2001. 352 S., geb., 46,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Ehre zu viel, der Ehrenrettung. Oder er hat es einfach bloß etwas ungeschickt angestellt, der Autor. Dieser Meinung ist jedenfalls Stephan Maus. Nicht mit Psychologie und analytischem Geschick, wie sich Maus das vorgestellt hätte, sondern mit betretener Mine tritt der Autor an und mit großem Herzen. Und schrammt dabei offenbar am Charakter des Lords sowie auch an dessen literarischem Talent vorbei. Ach je, und den Ton trifft er auch nicht! Zwischen Betulichkeit und der Flapsigkeit der Yellow Press geht das hin und her. Dass Maus sich dennoch für das Buch erwärmen kann, liegt einzig daran, dass "Bosies" Leben "einfach zu interessant" war.

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