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Am Anfang steht das Portrait sechs junger Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können: von der verwöhnten Schülerin Monika über zwei unterschiedlich ambitionierte Widerstandskämpfer, einen Leutnant und einen vom Endsieg überzeugten Obergefreiten bis hin zur 17jährigen Jutta, die bei den Angriffen auf Dresden ihren Vater verliert. Eindringlich erzählt Dieter Meichsner von den letzten Kriegsmonaten: von den Bombennächten, von Gefangenschaft und Heimkehr, von der Eroberung Berlins durch die als Befreier begrüßten und bald gefürchteten Soldaten der Roten Armee, vom mühevollen Alltag mit…mehr

Produktbeschreibung
Am Anfang steht das Portrait sechs junger Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können: von der verwöhnten Schülerin Monika über zwei unterschiedlich ambitionierte Widerstandskämpfer, einen Leutnant und einen vom Endsieg überzeugten Obergefreiten bis hin zur 17jährigen Jutta, die bei den Angriffen auf Dresden ihren Vater verliert. Eindringlich erzählt Dieter Meichsner von den letzten Kriegsmonaten: von den Bombennächten, von Gefangenschaft und Heimkehr, von der Eroberung Berlins durch die als Befreier begrüßten und bald gefürchteten Soldaten der Roten Armee, vom mühevollen Alltag mit seinen illegalen Geschäften.Die einzelnen Lebensläufe verknüpfen sich, als die jungen Leute sich angewidert von der zunehmend wachsenden Uniformierung des östlichen Lehrbetriebs abwenden, um bei dem Aufbau der Freien Universität im westlichen Teil Berlins dabei zu sein. Eine junge Generation, die das Leben ohne Restriktion und Unterdrückung selbst in die Hand nehmen will, gerät mitten in die Ereignisse um die Spaltung zwischen Ost und West.
Dieter Meichsner hält alle Fäden der Handlung fest in der Hand: Überlegen und überlegt führt er Regie und fügt einzelne Schicksale zu einer außerordentlich spannenden, mitreißenden Geschichte zusammen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2003

Jugend von gestern, heute studiert
Dieter Meichsners Nachkriegsroman, wiederveröffentlicht

Ist eine Neuauflage dieses Romans, fünfzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, zu begrüßen? Brauchen wir zu einer Zeit, da man immer noch nach dem großen Roman der Wiedervereinigung ruft, einen Roman über die Spaltung Deutschlands? Wohl doch. Denn es scheint schon allzu selbstverständlich geworden zu sein, daß man ohne Kontrolle von Berlin nach München oder Köln fahren kann. Auch bedarf wohl die Erinnerung daran, daß Berlin eine Zeitlang nur über die Luftbrücke der Amerikaner versorgt werden konnte, einer Auffrischung. Vielleicht hat die heute friedliche Konkurrenz von Humboldt- und Freier Universität vergessen lassen, daß die Freie Universität als Gegengründung nötig wurde, daß sie sich aber dann aus dem Kalten Krieg nicht heraushalten konnte. Da sind in Dieter Meichsners Roman "Die Studenten von Berlin" einige geschichtliche Lektionen nachzulesen.

Als der Roman 1954 erschien (die Neuauflage folgt der Taschenbuch-Fassung von 1963), hieß es, daß dieses Stoff- und Figurengemenge nicht eigentlich ein Roman sei. Als ob man die offenste der literarischen Formen so einfach definieren könnte! Aber erkannt wurde schon das drehbuchartige Verfahren des Autors. Die vielen Schnitte zwischen Szenen und Episoden, das ständige Ausblenden und spätere Wiederaufnehmen von Handlungszusammenhängen und das Von-außen-Sehen tragen zu einer filmischen Optik des Romans bei. Deutlicher sichtbar als damals wird die Folgerichtigkeit des Weges, der den jungen Autor zum Fernsehspiel und Film (und schließlich auf den Chefsessel der Fernsehspielabteilung des NDR) führte.

Aber bei einer Vielzahl von Personen und bei häufigem Wechsel der Szenen und Figurengruppen desorientiert die Zerstückelung der Information den Leser. Wo im Film und Fernsehspiel mittels der audiovisuellen Wahrnehmung des Zuschauers die Persönlichkeit der Figur wieder gegenwärtig wird, gibt für den Leser ein bloßer Name der Figur noch nicht ihr besonderes Profil. So kramt der Leser anfangs ständig im Lektürengedächtnis und ist oft gezwungen, im Buch zurückzuschlagen (in der Erstveröffentlichung erleichterte wenigstens eine genealogische Karte auf der Rückseite die Orientierung).

Haben sich aber die Hauptfiguren im Gedächtnis des Lesers verankert, so lassen sie ihn umgekehrt nicht mehr los. Ihre Biographien werden zu Fährten in die letzten Kriegsmonate und die ersten sechs Friedensjahre. Da die Geschichte dieser Zeit an möglichst vielen Figuren exemplifiziert wird, können nur wenige Individualität erhalten. Ein Zeitroman entsteht, der von Ereignisfülle geradezu flimmert: letzte Kämpfe und Luftangriffe in Deutschland, Erschießung Fahnenflüchtiger, Gefangennahme, Eroberung Ost- und Mitteldeutschlands durch die Russen, Heimkehr und Verschleppung, Viermächtestatus Berlins, erpreßte Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Terror der marxistischen Gruppen an der Humboldt-Universität, Auszug der oppositionellen Studenten und Professoren zu der in Dahlem aus dem Nichts geschaffenen Freien Universität und so weiter, und so weiter. Gelegentlich hilft dem Zeitroman der Reportageroman aus.

Sechs Personen finden ihren Autor schon für die Zeit der letzten Kriegsmonate. Und sie alle begegnen sich schließlich an der Freien Universität. Herbert Strittich, der Offizier, der zum Skeptiker wird und sich hinter Ironie verschanzt, womit er die feinbürgerliche Monika Pape, Studentin der Theaterwissenschaft und der Germanistik, anzieht und verunsichert. Helmut Hirth, der als Verwundeter in russische Gefangenschaft gerät und, frühzeitig als arbeitsunfähig entlassen, sich zunächst zum Volksschullehrer ausbilden läßt. Jutta Gebert, Chemiestudentin aus Dresden, die ein Kind von ihrem Verlobten Karl-Heinz Schick bekommt, der, ziel- und laufbahnbewußt, sie sitzenläßt mit der Kälte eines unerbittlichen politischen Ideologen. Und Harald Momber, der die Betrogene heiratet, dessen Vater als "Halbjude" und Sozialdemokrat von den Nazis ermordet wurde und der selbst als Mitglied einer oppositionellen Gruppe inhaftiert war und deshalb die Russen als Befreier begrüßte.

Dieser Geschichtsstudent wird zur eigentlichen Hauptfigur des Romans. Er will sich den Gesetzen des Kalten Krieges nicht beugen und hält fest an seinem Traum von der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit in einem vereinten Deutschland. So läßt er sich von der Doppelzüngigkeit östlicher Propagandaschalmeien täuschen, ist aber auch der Intrige von Scharfmachern an der Freien Universität nicht gewachsen. Am Ende rührt seine Geschichte ans Tragische, wird ihm sein allzu großes Vertrauen zum Verhängnis. Um seiner kranken Schwiegermutter ein lebenswichtiges Medikament zu bringen, reist er nach Dresden und wird auf der Fahrt von der Volkspolizei verhaftet. Es läßt sich ahnen, was ihm bevorsteht, vielleicht sogar eine Haft im Zuchthaus Bautzen. Der den Kalten Krieg nicht wahrhaben, nicht anerkennen wollte, wird nun selbst sein Opfer.

Heute murren an den deutschen Universitäten die Wortführer der Studentenmassen und die von den Massen überrollten Professoren, aber das Szepter schwingt die Bürokratie. Wer Studiengeldfreiheit genießt, ahnt kaum noch, was es hieß, für die Freiheit des Studiums überhaupt zu kämpfen. Da hat ein Roman wie "Die Studenten von Berlin" wieder seine Zeit.

WALTER HINCK

Dieter Meichsner: "Die Studenten von Berlin". Roman. Schöffling & Co, Frankfurt am Main 2003. 489 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Ein Zeitroman, der von Ereignisfülle geradezu flimmert: In diesem, fünfzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung wiederaufgelegten Roman sind nach Ansicht von Rezensent Walter Hinck einige geschichtliche Lektionen aus dem Nachkriegsberlin nachzulesen und nach zu erleben. In Zeiten auch der Studiengeldfreiheit ahne zudem kaum noch einer, was es geheißen habe, "für die Freiheit des Studiums überhaupt zu kämpfen". Die sechs Protagonisten dieses Romans werden, wie wir lesen, vom Autor durch die letzten sechs Kriegsmonate bis in die Gründungsjahre der Freien Universität begleitet. Heimkehr, Verschleppung, Viermächtestatus, Blockade, erpresste Gründung der SED und Terror marxistischer Gruppen an der Berliner Humboldt-Universität - die Geschichte dieser Zeit fand Hinck an möglichst vielen Figuren exemplifiziert, was seine Begeisterung mit der Zeit aber deutlich schwinden lässt. Denn zu wenige Figuren erhalten seiner Ansicht nach Individualität. So unterschreibt er auch heute noch die zeitgenössischen Kritiken am Roman des späteren NDR-Fernsehspielchefs, die schon 1954 die filmische Optik des Buchs, seine häufig wechselnden Szenen, Figuren und zerstückelten Informationen bemängelt hatten.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Als ein mit phantastischer Wahrheitsliebe geschriebenes Zeitdokument verdient das Buch in Deutschland und im Ausland stärkste Beachtung." (Welt am Sonntag)