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Das ganze Ausmaß männlicher Brutalität und die monströsen Folgen des chinesischen Patriarchats vom siebzehnten Jahrhundert bis in die heutige Zeit schildert Li Ang, wichtigste, politische Streitfragen wie weibliche Sexualität thematisierende Schriftstellerin Taiwans in ihrem neuen Roman. Die Hauptfiguren sind fünf janusköpfige Chinesinnen, die nach amourösen Abenteuern alle wegen der ihnen angetanen Gewalt zu Rachegeistern werden. In der Grauzone zwischen Leben und Tod setzen die Frauen ihren eigenen Willen durch und finden sich selbst... Dreihundert Jahre Geschichte Taiwans findet der Leser…mehr

Produktbeschreibung
Das ganze Ausmaß männlicher Brutalität und die monströsen Folgen des chinesischen Patriarchats vom siebzehnten Jahrhundert bis in die heutige Zeit schildert Li Ang, wichtigste, politische Streitfragen wie weibliche Sexualität thematisierende Schriftstellerin Taiwans in ihrem neuen Roman. Die Hauptfiguren sind fünf janusköpfige Chinesinnen, die nach amourösen Abenteuern alle wegen der ihnen angetanen Gewalt zu Rachegeistern werden. In der Grauzone zwischen Leben und Tod setzen die Frauen ihren eigenen Willen durch und finden sich selbst... Dreihundert Jahre Geschichte Taiwans findet der Leser in diesem farbenprächtigen Geisterkrimi spannend, exotisch und historisch genau recherchiert.
Autorenporträt
Li Ang (geb.1952), einer der bekanntesten Schriftstellerinnen Taiwans, gelang mit "Gattenmord" (Diederichs, 1987) weltweit der Durchbruch. Bis heute wurden in Japan, Frankreich und den USA zahlreiche Romane aus ihrem umfangreichen Oeuvre übersetzt. 2004 wurde Li Ang für ihr Werk in Paris mit dem Titel eines "Chevalier des arts et des lettres" ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2007

Die Nation erfinden
Die Taiwanesin Li Ang beschwört „Sichtbare Geister”
Manchmal reicht schon ein verlorenes Taschentuch, um eine Welt zum Einsturz zu bringen. So wie jenes der jungen Mondrot, die sich am Fenster damit Luft zufächelt, bevor es ihr entgleitet, unendlich langsam hinuntersegelt, um sich einem jungen Mann auf das Gesicht zu legen. Im Taiwan der Qing-Dynastie, im Taiwan Mondrots, ist dies das Zeichen, mit dem sich eine junge Frau ihren Bräutigam erwählt – alle wissen das, und der junge Bursche will sich durch nichts sein Recht auf die Braut streitig machen lassen. Mondrot bleibt nur ein Ausweg, um die Ehre ihrer Familie zu retten, und auch das wissen alle. Sie ertränkt sich im Brunnen und wird zu einem Geist. Fortan wohnt sie über den Dächern der Stadt Lu und schreibt dort in endlosen Jahren die Geschichte Taiwans auf die über die Straßen gespannten Markisen. Ein entgleitendes Taschentuch, singende Bambusrohre, eine Lichtung im Schilf – nichts ist ohne Bedeutung in „Sichtbare Geister”, und das ist zugleich Schwäche und Stärke von Li Angs Buch.
Es ist die Schwäche einer Sammlung von Geistergeschichten, die Thesenroman sein will und den Figuren kein Eigenleben zugesteht. Sie bleiben farb- und konturlos in einer Übersetzung, die unentschieden zwischen Stilhöhen hin und her springt und ihre eigene Unsicherheit durch in Klammern nachgereichte Erklärungsversuche offenbart. Andererseits ist die Blässe der Hauptfiguren vielleicht beabsichtigt – immerhin sind sie Geister, transparent und sich entziehend. In dieser Transparenz liegt ihre Stärke, denn hinter ihnen schimmert schnell eine zweite Bedeutungsebene auf, welche die fünf separaten Geschichten verbindet und auf der es nicht mehr um das Schicksal einzelner Geister geht, sondern um das Taiwans – aus Geschichten wird Geschichte.
Denn trotz spiritueller Thematik ist Li Angs Buch das eminent politische Werk einer doppelten Befreiung: jener der Frau und jener Taiwans. Die Autorin, eine der bekanntesten Feministinnen der Insel, rückt stets die Geister geschundener Frauen in den Mittelpunkt. In einer zwischen Drastik und Körperlosigkeit oszillierenden Prosa werden dabei die Grenzen zwischen der Emanzipation der Frau und der Taiwans fließend.
Li Ang schreibt die Geschichte Taiwans neu, und zwar als die einer Insel, die sich trotz Besatzung durch Japaner und Festlandchinesen stets eine eigenständige Identität bewahrt hat. Das ist, selbst im Gewand der Geistergeschichte, brisant: Hier erhält die Insel, welche die Volksrepublik China noch immer als ,abtrünnige Provinz‘ für sich reklamiert, eine unabhängige Geschichte und Kultur. Li Angs Erzählungen präsentieren erfundene Tradition im Sinne Eric Hobsbawms: Wenn Nationen nur dort entstehen können, wo man sich auf gemeinsame Traditionen berufen kann, ist der erste Schritt auf dem Weg zur nationalen Identität das Festschreiben und Erfinden solcher Traditionen. Sowohl Li Ang als auch ihre Protagonistin Mondrot erfinden mit ihren Neuinterpretationen der Geschichte Taiwans aus dem Geiste der Emanzipation solche Traditionen. Sie sind damit Ausdruck eines taiwanesischen Selbstbewusstseins, das in den letzten Jahren unter der chinakritischen Regierung Chen Shui-Biens gewachsen ist und seinen Ausdruck in der Umschreibung der Schulgeschichtsbücher oder im architektonischen Ausrufezeichen von Taipei 101, dem bis vor kurzem höchsten Wolkenkratzer der Welt, gefunden hat. Wenn die Autorin in Gesprächen betont, dass sie im Moment keine Möglichkeit für ein unabhängiges Taiwan sehe, so tragen ihre Erzählungen doch dazu bei, es vorstellbar zu machen. RALF HERTEL
LI ANG: Sichtbare Geister. Aus dem Chinesischen übersetzt von Martina Hasse. Horlemann Verlag, Bad Honnef 2007. 322 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Ralf Hertel findet den Subtext des Buches offenbar interessanter als die erzählten Geschichten. An denen stört ihn, dass die Hauptfiguren allesamt etwas blass bleiben, weil die Autorin Li Ang ihnen "kein Eigenleben zugesteht". Das ist zwar möglicherweise durchaus beabsichtigt, so gesteht Hertel zu, schließlich handelt es sich um Geister. Doch dem Lektürevergnügen scheint es abträglich zu sein. Zugleich findet er die Geschichten überfrachtet, denn "nichts ist ohne Bedeutung", und auch an der Übersetzung von Martina Hasse stört er sich ein wenig. Dafür gibt es zur Freude des Rezensenten hinter der nicht so überzeugenden Erzählkulisse eine zweite Ebene zu entdecken. In der geht es um die kulturelle Autonomie Taiwans ebenso wie um den gesellschaftlichen Stand der Frauen. Die Autorin ist in ihrer Heimat eine bekannte Feministin, wie der Rezensent zu berichten weiß, und deshalb ist das Buch "trotz spiritueller Thematik das eminent politische Werk einer doppelten Befreiung: jener der Frau und jener Taiwans".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Sichtbare Geister bietet alles, was Lis bisheriges Werk schon auszeichnete. Es ist der Höhepunkt ihres bisherigen schriftstellerischen Schaffens, ein Buch, das dem Leser neue, erfreuliche Perspektiven eröffnet." (Sinorama)