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"Das glamouröseste Geschwisterpaar der Weimarer Republik" als solches sind Eleonora und Francesco von Mendelssohn in die Geschichte eingegangen. Geboren 1900 und 1901 als direkte Nachfahren des Philosophen Moses Mendelssohn, waren sie in Berlin stadtbekannt wegen ihres extravaganten Äußeren, ihres ausschweifenden Lebenswandels und ihrer Freundschaften und Affären mit den Großen jener Zeit wie Max Reinhardt, Arturo Toscanini, Vladimir Horowitz oder Gustaf Gründgens. Aber auch die Geschwister selbst wussten sich in Kunst und Kultur hervorzutun: er als Musiker und Theaterregisseur, sie als…mehr

Produktbeschreibung
"Das glamouröseste Geschwisterpaar der Weimarer Republik" als solches sind Eleonora und Francesco von Mendelssohn in die Geschichte eingegangen. Geboren 1900 und 1901 als direkte Nachfahren des Philosophen Moses Mendelssohn, waren sie in Berlin stadtbekannt wegen ihres extravaganten Äußeren, ihres ausschweifenden Lebenswandels und ihrer Freundschaften und Affären mit den Großen jener Zeit wie Max Reinhardt, Arturo Toscanini, Vladimir Horowitz oder Gustaf Gründgens. Aber auch die Geschwister selbst wussten sich in Kunst und Kultur hervorzutun: er als Musiker und Theaterregisseur, sie als gefeierte Bühnendarstellerin. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten bedeutete für das Geschwisterpaar das Ende eines sorgenfreien Lebens: Sowohl beruflich als auch privat erwies sich die Emigration in die USA als Sackgasse. Ein Leben und ein Text, die sich lesen wie ein Roman. Die erste Biografie über die beiden wohl exzentrischsten Vertreter der berühmten deutsch-jüdischen Familie Mendelssohn. Mit intimen, teils erstmals publizierten Zeugnissen zahlreicher Künstler der Weimarer Republik wie Max Reinhardt, Vladimir Horowitz und Gustaf Gründgens.
Autorenporträt
Thomas Blubacher, geb. 1967 in Basel, ist promovierter Theaterwissenschaftler. Als Regisseur arbeitet er für Bühnen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2009

Untergang im Exil
Glanz und Elend der Geschwister von Mendelssohn
Dass das Exil für Eleonora und Francesco von Mendelssohn ein einziger, schier unendlich sich hinziehender Absturz sein würde, konnte niemand ahnen. Die Familie hatte schließlich schon andere Katastrophen überstanden, nachdem sie von kaufmännischen Anfängen über bedeutende Philosophen und Künstler zur führenden deutschen Bankiersfamilie des späten 19. Jahrhunderts avancierte und damit zu jener wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung gelangte, die – für eine jüdische Familie doppelt schwierig – im Adelsprädikat gipfelte.
Thomas Blubachers Geschichte der Geschwister Mendelssohn ist gleichsam der tragisch schließende Ergänzungsband zu Sebastian Hensels Bestseller „Die Geschichte der Familie Mendelssohn” von 1879. Das letzte große Kapitel der Familiengeschichte ist eine bei aller Tragik glamouröse Geschichte der Weimarer Republik, eine Innenansicht der oberen Klassen und der Künstler von Rang. Viele sind hier vertreten, fast alle hatten Kontakt zu den Mendelssohns. Ob in Berlin, im Grunewald, im Salzburger Schloss Kammer oder im amerikanischen Exil.
Der materielle Reichtum allein mag schon viele angezogen haben, das künstlerische Talent der Geschwister Eleonora und Francesco von Mendelssohn rundete den Eindruck zu schier unwiderstehlichem Charisma. Auch der Erste Weltkrieg konnte die Lebensart der Mendelssohns nicht erschüttern. Die gravierendste Konsequenz: Die Grunewalder Post wurde in den Hungerjahren viermal täglich ausgetragen – man war auf die Eilpakete mit frischen Lebensmitteln angewiesen. Im übrigen liefen die Geschäfte glänzend; fast so gut wie vor dem Krieg. Man gehörte zu den ersten Familien Deutschlands, ja Europas. Wie schon zu Beginn der Dynastie, zur Zeit von Joseph und Abraham Mendelssohn, den Söhnen des Philosophen Moses Mendelssohn, blieben die Familien der Nachkommen eng verbunden, schon wegen der gemeinsamen Leitung der Mendelssohn-Bank.
Im Haus von Robert von Mendelssohn, ebenso wie in der Villa des Bruders Franz, verkehrten in den Zwanziger Jahren vor allem Künstler und Hochadel. „Lieber Kaiser”, schreibt Franz’ Tochter an Wilhelm II., „wenn Du das nächste Mal zu uns kommst, zieh’ doch bitte die Uniform vom Garde du Corps an. Mein kleiner Bruder hat sie so gern.” Wilhelm antwortet prompt und handschriftlich: „Ich komme furchtbar gern zu Deinen Eltern, und beim nächsten Besuch werde ich selbstverständlich diese Uniform anlegen.” Eleonora und Francesco, 1900 und 1901 als Kinder des Bankiers Robert von Mendelssohn geboren, entwickelten sich prächtig, waren umgänglich, intelligent und künstlerisch begabt, sie wurden schließlich das glamouröseste Paar der Weimarer Republik: Eleonora als Theater- und später in den USA auch als Filmschauspielerin, Francesco als Cellist, später zusätzlich als Regisseur von Theaterstücken und Musicals.
Eleonora sucht zielstrebig die Nähe der von ihr verehrten Künstler, etwa Max Reinhardts, der einer ihrer prominenten Liebhaber wird. Die italienische Mutter dagegen will sie gar mit Mussolini verkuppeln und ist fassungslos, als Eleonora den Duce versetzt. Eleonora fühlt sich nur im Theater wohl, spielt in Düsseldorf, lebt in Berlin und im Salzkammergut. Mit den meisten Männern aber hat sie wenig Glück. Der von ihr so verehrte Pianist Edwin Fischer, durch die Heirat mit ihr durchaus beruflich nach vorne gekommen, entpuppt sich als Muttersöhnchen. Weinerlich konstatiert er im März 1924, als Eleonora nach Wien reist, dass „die schöne Eleonora” nun „ganz drin im Theater” ist. Derweil hat sich Eleonora längst in den ehemaligen k.u.k. Husarenrittmeister und Fliegerleutnant Imre von Jeszenszky verliebt. Mit ihm, der als zarter, eleganter Mann beschrieben wird, aber aus Eifersucht immer mit einem Revolver herumläuft, probte Eleonora das Landleben. Schloss Kammer bei Salzburg wird das Gegenstück zu Max Reinhardts Leopoldskron, beherbergt bald ebenso berühmte Gäste. Später, nach dem dem Zweiten Weltkrieg, wird Eleonora versuchen, wieder Kontakt zu den ehemaligen Feriengästen zu finden, zu den zahlreichen Freunden und Verwandten. Die meisten hatten überlebt, in einem Fall sogar dadurch, dass ein Mendelssohn zum „Ehren-Arier” ernannt wurde. Das Familienunternehmen allerdings war in der Nazi-Zeit an die Deutsche Bank übergegangen. Dabei hätten die Mendelssohn-Geschwister nach den Nürnberger Rassegesetzen gar nicht emigrieren müssen. Aber, so sagte Eleonora, nachdem die meisten Freunde schon in den USA waren, man könne nicht Mendelssohn heißen und kein Jude sein.
Einige in Deutschland zurückgebliebene Freunde hatten sich mit dem Nazi-Regime arrangiert. Filmregisseur Veit Harlan etwa, der dennoch ein enger Freund Francescos blieb, oder Eleonoras Ex-Gatte Edwin Fischer. Schon fast peinlich wirkt seine Rechtfertigung, die in einem Brief an Eleonora anklingt: „Selbst wenn es eine Schuld wäre – wer ist frei von Schuld?” Eleonora dürfte dies kaum mehr interessiert haben. Nach ihrer Affäre mit Max Reinhardt hatte sie in den USA endlich die Nähe ihres nächsten Idols gefunden, des Dirigenten Arturo Toscanini. Der jedoch war ihrer bald überdrüssig geworden. Er schreibt an Ada Mainardi, Frau des Cellisten Enrico Mainardi, wie seine Frau Carla die ungebetene Eleonora des Hauses verweist: „Gestern abend allerdings ist Carla so richtig ausgerastet. Da blieb nichts mehr ungesagt.”
Elektroschocks gegen Alkohol
Noch glückloser allerdings gestaltete sich im amerikanischen Exil das berufliche und private Leben des Bruders Francesco von Mendelssohn. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte er in Berlin seine Karriere als Cellist zugunsten eines Bohemien-Lebens mit Drogen und Alkohol aufgegeben. Als Emigrant mit zügig dahinschmelzendem Restvermögen aber hatte seine Lebensweise immer existentiellere Konsequenzen. Durch Eleonoras Vermittlung kommt er zunächst in Toscaninis Orchester in New York unter, wird dann wegen seiner ständigen Trunkenheit nach Texas an das Antonio Symphony Orchestra weiterempfohlen, kehrt nach New York zurück, führt ein offenes Haus, trinkt wieder exzessiv, wird schließlich verhaftet und in eine Klinik gebracht. Anwälte können verhindern, dass er in eine staatliche Anstalt gesteckt wird, aus der er wahrscheinlich nie wieder herausgekommen wäre.
Frieda Busch, Frau des Dirigenten Adolf Busch, wünschte sich aber genau dies und schreibt an Eleonora: „Cesko ist der vollkommene Chizophren. Er ist so krank, daß jederzeit mit Deiner Einwilligung er von den Fachärzten interniert werden kann, um zwangsweise eine Heilung zu versuchen. Man ist darin weit fortgeschritten. Dies geschieht mit künstlich erzeugten Chockwirkungen durch Insulin, elektrische Ströme und anderes. Wenn er heilbar ist, so würde er damit zu gleicher Zeit von seiner Homosexualität geheilt. Er würde in dem staatlichen Institut gezwungen werden, dort zu bleiben, bis die ganze Behandlung vorbei ist.” Das Vermögen Francescos geht bald zur Neige, man bringt ihn in eine andere Klinik, wo ihm in einer Operation Thalamus und Teile des Zentralnervensystems durchtrennt werden. Die Folgen: Apathie, Pflegestand. 1972 schließlich die Krebsdiagnose. Zu seiner Beerdigung kommen nur noch wenige Freunde. Eleonora war bereits im Januar 1951 im Badezimmer ihres New Yorker Appartments tot aufgefunden worden. Zur Trauerfeier waren noch viele Emigranten erschienen, sogar Carla Toscanini und deren Tochter Wanda, nun verheiratet mit Francescos ehemaligem Liebhaber, dem Pianisten Vladimir Horowitz. HELMUT MAURÓ
THOMAS BLUBACHER: Gibt es etwas Schöneres als Sehnsucht? Die Geschwister Eleonora und Francesco von Mendelssohn. Henschel Verlag, Berlin 2008. 448 Seiten, 29,90 Euro.
Eleonora von Mendelssohn, fotografiert im Jahre 1923, und ihr Bruder Francesco von Mendelssohn, fotografiert 1924 Fotos: Ullstein
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Helmut Mauro erzählt uns die ganze traurige Geschichte der Geschwister Eleonora und Francesco von Mendelssohn, wie er sie Thomas Blubachers Doppelbiografie entnommen hat. Mit Recht könne man darin den "tragisch schließenden Ergänzungsband" zu Sebastian Hensels Familienbiografie über die Mendelssohns sehen, die zu einer der schillerndsten und reichsten Familien der Weimarer Republik gehörten, so der Rezensent. Detailliert zeichnet er sowohl Eleonores Lebensweg nach, die als Theater- und spätere Filmschauspielerin tätig war und mit Männern wenig Glück hatte, als auch das Schicksal des Cellisten Francesco, der drogen- und alkoholsüchtig das Ende seiner Tage als Pflegefall in einer Klinik beschloss. Auch wenn Mauro weder Lob noch Tadel äußert, diese Doppelbiografie scheint ihn gefesselt und berührt zu haben.

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