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Das Buch kann als eines der am meisten diskutierten politisch-historischen Sachbücher der letzten Jahre gelten. Auch in Frankreich, Großbritannien und Spanien sowie in Italien selbst mit Interesse aufgenommen, hat Luciano Canfora mit seinen pointierten Thesen in der Bundesrepublik eine lebhafte Debatte ausgelöst. Kein Wunder, ist sein Buch doch jenen ein Dorn im Auge, die sich hierzulande in der besten aller Demokratien wähnen. Denn Canfora begreift Demokratie nicht nur als formale Fassade oligarchischer Herrschaft, sondern als Volksherrschaft auf der Basis von Gleichheit. Und so beschließt er…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch kann als eines der am meisten diskutierten politisch-historischen Sachbücher der letzten Jahre gelten. Auch in Frankreich, Großbritannien und Spanien sowie in Italien selbst mit Interesse aufgenommen, hat Luciano Canfora mit seinen pointierten Thesen in der Bundesrepublik eine lebhafte Debatte ausgelöst. Kein Wunder, ist sein Buch doch jenen ein Dorn im Auge, die sich hierzulande in der besten aller Demokratien wähnen. Denn Canfora begreift Demokratie nicht nur als formale Fassade oligarchischer Herrschaft, sondern als Volksherrschaft auf der Basis von Gleichheit. Und so beschließt er seinen Epochenüberblick vom antiken Athen bis zur EU-Verfassung mit dem provokanten Fazit: 'Die Demokratie ist auf andere Epochen verschoben und wird von anderen Menschen neu konzipiert werden. Vielleicht nicht mehr von Europäern.'
Autorenporträt
Luciano Canfora, Prof. Dr. phil., *1942. Lehrt klassische Philologie an der Universität Bari. International renommierter Experte der antiken Geschichte und Literatur sowie der Ideen- und Wissenschaftsgeschichte. Zahlreiche Bücher, darunter eine vielbeachtete Caesar-Biographie.
Rezensionen
»Erinnert an die Freibeuterschriften eines Pier Paolo Pasolini« (Der Standard, Wien)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2006

Eine kurze Geschichte der Anführungszeichen
Heute erscheint die deutsche Ausgabe von Luciano Canforas „Kurzer Geschichte der Demokratie“, die der Verlag C. H. Beck ablehnte
Ach, der Antikommunismus. Er hat im Jahre 2006 etwas so ungemein Abgestandenes. Er steht für eine wohlfeile historische Rechthaberei, eine Engstirnigkeit und Piefigkeit, mit der man möglichst nicht assoziiert werden möchte. Zur Bestätigung dieses Gefühls hätte es George Clooneys jüngsten Film „Good Night, and Good Luck“ kaum gebraucht, aber wer ihn gesehen hat, der weiß endgültig, dass er lieber zu den smarten, in cooler Pose Zigaretten rauchenden, gutaussehenden Fernsehleuten gehören möchte, die in jenem Film für die Gesinnungsfreiheit einstehen, als zu den verklemmten, verschwitzten Kommunistenjägern der McCarthy-Zeit.
Antikommunismus, das klingt so schrecklich passé – müssen sich die westlichen Gesellschaften heute nicht vornehmlich mit den Problemen beschäftigen, welche die Dynamik ihres eigenen Systems hervorgebracht hat? Antikommunismus, das klingt nach dem Verhalten desjenigen, der jemanden noch tritt, der schon am Boden liegt.
Was aber, wenn der andere gar nicht am Boden liegt? Wenn er, wie im Fall von Luciano Canfora, in Gestalt eines netten, kundigen, kultivierten italienischen Professors ganz und gar aufrecht steht, wenn er dazu dramatisch gestikuliert und sein Herumzappeln mit der Legitimität wissenschaftlich fundierter Historiographie versieht? Wenn er in einem Werk über die Demokratie Josef Stalins gesellschaftliches „Laboratorium“ würdigt, desselben Scheinverfassung von 1936 ausführlich lobt und das Ausmaß des stalinistischen Terrors indessen an keiner Stelle auf 357 Textseiten der Erwähnung wert hält? Und wenn dieser Mann noch dazu behauptet, er sei das Opfer einer „Zensur“ geworden, weil der Verlag C. H. Beck sich im vergangenen Jahr entschlossen hat, Canforas Buch „Eine kurze Geschichte der Demokratie“ (italienischer Originaltitel: „Die Demokratie. Geschichte einer Ideologie“) in der Buchreihe „Europa bauen“, anders als mehrere kooperierende europäische Verlage, nicht zu drucken? Wenn er also die Zensur durch staatliche Instanzen, welche die Diktaturen des 20. Jahrhunderts, auch die von Canfora schöngeredete, eifrig geübt haben, wenn er also diese Zensur mit der Entscheidung eines privat geführten Verlages verwechselt, einen Text nicht zu publizieren, dessen historische Urteile dieser Verlag für untragbar hält? Ja, ist dann nicht ein wenig von diesem piefigen Antikommunismus erlaubt, wenn nicht geboten?
Freisinnige Affekthandlung
Nehmen wir einmal folgenden Fall an: Wir wüssten nicht, dass Luciano Canfora ein bekannter, streitbarer Historiker der Antike und der Wissenschaftsgeschichte an der Universität Bari ist; wir wüssten nichts davon, dass die Verantwortlichen des Beck-Verlages, jene Münchner McCarthys, das bereits übersetzte Manuskript von Canforas Demokratie-Buch aufgrund schwerer Bedenken abgelehnt haben, Bedenken, die von externen Gutachtern genährt wurden, unter anderem von dem Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler, dem sich nach der öffentlichen Debatte um das Buch auch der Sowjetunion-Kenner Manfred Hildermeier in einem weiteren Gutachten angeschlossen hat („Es ist nicht nur vieles, sehr vieles falsch, vor allem ist alles völlig einseitig, dogmatisch und irreführend“); und wir wüssten nicht, dass eine italienische Tageszeitung aus der Ablehnung des Manuskripts einen nationentypisierenden Testfall politischer Liberalität konstruiert hat („Canforas Demokratie den Deutschen verboten“) und dass daraufhin ein Korrespondent des liberalen Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einer von italienischem Feuer gezündeten, freisinnigen Affekthandlung diesen Luciano Canfora gegen „deutsche Sonderwege“ und „Demokratieabbau“ verteidigt hat.
Nehmen wir also an, wir wüssten all dies nicht, und wir würden nun einfach ein Buch zur Hand nehmen, das der linke Kölner Verlag PapyRossa herausgebracht hat, das am heutigen Mittwoch in die Buchläden ausgeliefert wird und das folgende Thesen enthält:
– Die in der Direktdemokratie der athenischen Bürgerschaft im fünften und vierten Jahrhundert vor Christus formulierten Gleichheits- und Freiheitsideen waren nichts als „ein Instrument der Selbstdarstellung der herrschenden Klasse“.
– Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts ist zu definieren als „das konkrete Bestreben der besitzenden Klassen, ihre soziale Dominanz durch die Beschränkung des Wahlrechts zu wahren“.
– In den Jahren zwischen den Weltkriegen hatten die Rechten Angst, „taugte doch Russland als Beispiel für den kürzesten Weg zu sozialer Gerechtigkeit“.
– Die liberalen Demokratien des Westens waren der Verursacher der Katastrophe des 20. Jahrhunderts.
– Hinsichtlich der im Hitler-Stalin-Pakt geplanten Teilung Polens hat man einen „Mythos konstruiert“. Die Bestimmungen des Paktes lagen darin begründet, dass Polen „ein geradezu hysterisch antisowjetischer Staat war“; und Stalin ging den Pakt ein, „um sich vor dem drohenden Krieg zu schützen“.
– Das Verbot der KPD durch das Bundesverfassungsgericht 1956 war „eine Wiederholung dessen, was Hitler mit Hilfe des Reichstagsbrandes bewerkstelligt hatte“.
– An den Repressionen in der Kommunistischen Partei Russlands beziehungsweise der Sowjetunion war Leo Trotzki schuld. Er bewirkte eine „tiefe Spaltung“, daraus ergab sich „Bürgerkrieg“, und daraus ergab sich die Repression.
– Für die Niederschlagung des ungarischen Aufstandes durch sowjetische Truppen im Jahre 1956 war die westliche Propaganda, etwa von Radio Free Europe, ursächlich verantwortlich.
Wir hätten also, nehmen wir an, in Unkenntnis von Autor und Debatte all diese Dinge gelesen, und dann würden wir das Buch wieder aus der Hand legen und seufzen: Ach ja, die alten Kämpfer, rührend fast, dass es noch welche gibt. Sie schreiben noch Bücher, die sich so lesen, als würde hier einer im Jahre 1972 in einem AStA-Seminar ein Referat über Weltgeschichte, bürgerliche Ideologie und Klassenkampf halten, aber sie tun ja keinem mehr etwas zu Leide. Und wir würden empfinden, dass so ein Buch eigentlich kaum die Leidenschaft der Gegenrede lohnt, und dass man eben nicht noch nach demjenigen treten müsse, der schon am Boden liegt. Wir würden also sagen: Sollen sie doch.
Und gerade diese Reaktion in unserem Gedankenspiel ist für die Debatte um Luciano Canfora von besonderer Bedeutung. Denn, das kann nicht deutlich genug gesagt werden: Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit. Jeder kann sich in diesem Land hinstellen und solche Sachen sagen und sie auch in einschlägigen Verlagen und Magazinen in gedruckter Form vorbringen. Der eine Verlag druckt’s, der andere nicht. Und dies (man darf angesichts des unablässigen Meinungsbombardements, das Canfora veranstaltet, ruhig ein wenig pathetisch werden), dies ist das Verdienst des freiheitlichen liberalen Verfassungsstaates mit demokratischen Wahlen, des Gesellschaftsmodells also, dem Luciano Canfora, selbst der Idee nach, keine anderen Leistungen zubilligen mag als „die einlullende Manipulation der Massen“, „Herrschaft der Ware“ und den „Sieg einer dynamischen Oligarchie, der es, auf immense Reichtümer gestützt, gelungen ist, . . . weil sie den Wahlmechanismus unter Kontrolle hält, sich mittels Wahlen immer wieder neu zu legitimieren“.
Dabei könnte man es bewenden lassen, hätte es nicht den „Fall“ Beck gegeben und die Unterstellung, hier würden Revanchisten im Geist der Adenauerzeit – die Canfora mit Francos Spanien parallelisiert – missliebige Meinungen unterdrücken. Nun aber muss man sich, gar nicht zum Gewinn Canforas, das Buch über die genannten Thesen hinaus noch einmal ansehen, auch weil er am kommenden Freitag nach Deutschland kommt, um sich an der Universität Bonn gegen seine Kritiker zu verteidigen, und weil er mittlerweile gar noch ein eigenes Büchlein nachgeschoben hat („Das Auge des Zeus“), das gerade in Italien erschienen ist und das die Zeitschrift konkret im Juni als Sonderheft auf Deutsch publizieren will. Dort beschuldigt Canfora Hans-Ulrich Wehler und den Cheflektor bei C. H. Beck, Detlef Felken, noch einmal massiv der ideologischen, nicht wissenschaftlichen Ablehnung seines Buches; es folgen Punkt für Punkt Antworten auf eine Liste zu monierender historischer Fehler, die der Verlag zur Begründung zusammengestellt hatte.
In diesen Entgegnungen unterschlägt Canfora übrigens die Anführungsstriche, mit denen er an der umstrittenen „Mythos“-Stelle über den Hitler-Stalin-Pakt auch in der italienischen Originalausgabe „das ,geteilte‘ Polen“ versehen hatte. Aber im Ganzen tun die Korrekturen und Gegenkorrekturen, die Canfora in seinem sekundierenden Buch nun ausbreitet, nichts zur Sache – dies sind Scherereien, die eigentlich in den Lektoratsprozess gehören und nicht in die Öffentlichkeit, die damit nicht behelligt werden müsste, wenn Canfora ein besseres Buch geschrieben hätte.
Kampf um Gleichheit
Denn, zu dieser Feststellung reicht die nun publizierte, von Beck übernommene Übersetzung von Rita Seuß vollkommen aus, Canfora hat, auch abgesehen von aller ideologischen Färbung, kein gutes Buch über die Demokratie oder auch nur über die Geschichte ihrer „Ideologie“ geschrieben. Er hat als marxistischer Alt-historiker wahrlich ehrenwerte Vorläufer. Aber er leistet überhaupt nicht, was der Titel verspricht. Der Altertumsforscher Canfora verzichtet auf eine genauere Analyse der antiken Demokratie-Tradition (und ist selbst bei dem ihm sehr vertrauten Historiker Thukydides nicht in der Lage, das von Perikles formulierte Demokratie-Ideal von der politischen Wirklichkeit zu trennen). Stattdessen lesen wir eine minutiöse und nicht sehr erhellende Behandlung des bonapartistischen Staatsstreichs von 1851, an dem er die durch die Geschichte laufende Tradition des „Cäsarismus“ festmacht.
Auch erfahren wir nichts über die Wechselwirkungen demokratischer Ideengeschichte und konkreter Staatsorganisation; der Anteil demokratischer Elemente wird weder im Vergleich etwa zwischen Athen und Rom oder zwischen der Schweizer Direkt- und der Repräsentativdemokratie dargestellt. Nichts über Montesquieu, nichts über die „Federalist Papers“. Obgleich Canfora auf Deutschland im 20. Jahrhundert ausführlich eingeht, lesen wir nichts über die Merkmale der Weimarer Verfassung oder des Grundgesetzes; dafür wird suggeriert, die bürgerliche Demokratie sei an Hitler schuld gewesen – und nicht ihre Schwäche. Und Canfora setzt „Demokratie“, auf die westlichen parlamentarischen Systeme gemünzt, permanent in Anführungszeichen, führt aber nirgends begründet aus, was er eigentlich unter ihrem wahren Begriff versteht. Es heißt nur, sie sei „eben keine Regierungsform, kein Verfassungstyp“, sondern eher etwas wie „Vorherrschaft der besitzlosen Klassen in einem unablässigen Kampf um Gleichheit“.
1972 hat Canfora ein Buch mit dem Titel „Totalität und Selektion in der klassischen Historiographie“ geschrieben. „In der politischen Kommunikation“, schreibt er nun an einer Stelle seiner Demokratie-Geschichte, „zählt, was verschwiegen wird, oft weitaus mehr.“ Dass dies auch für die Geschichtsschreibung gilt, hat Luciano Canfora mit dem vorliegenden Werk auf eindrucksvolle Weise vorgeführt.
JOHAN SCHLOEMANN
LUCIANO CANFORA: Eine kurze Geschichte der Demokratie. Von Athen bis zur Europäischen Union. Aus dem Italienischen von Rita Seuß. PapyRossa Verlag, Köln 2006. 404 Seiten, 24,90 Euro.
LUCIANO CANFORA: L’occhio di Zeus. Disavventure della ‘Democrazia’. Laterza, Rom/Bari 2006. 101 Seiten, 5 Euro.
Als Sorge um die Untertanen getarnter Cäsarismus: Napoleon III. besucht 1856 Flut-Opfer
Foto: bridgemanart.com
Laut Luciano Canfora, dem Altertumsforscher aus Bari und streitbaren marxistischen Historiker, ist die Demokratie „auf andere Epochen verschoben und wird von anderen Menschen neu konzipiert werden“. Sein umkämpftes Demokratie-Buch ist jetzt auf Deutsch erhältlich. Foto: ROPI
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Fast in Rührung gerät Johan Schloemann angesichts des alten Kämpfers, der vehement den Kommunismus Stalinscher Prägung verteidigt und den Begriff Demokratie stets nur in Anführunsgzeichen schreibt. Eigentlich lohnt die Studie für den Rezensenten kaum die "Leidenschaft der Gegenrede", die Canfora in seinen Thesen pflegt, ginge es nicht auch um die Vorgeschichte und den Zensurvorwurf, den Canfora und eine italienische Tageszeitung erhoben, als der Beck Verlag das Manuskript ablehnte. Es geht hier aber nicht um Zensur, stellt Schloemann kalr, sondern um wissenschaftliche Standards. Denn dies sei das eigentliche Ärgernis: Canfora arbeite in seinem Parforceritt durch die Geschichte fahrlässig mit semantischen Unschärfen, er verzichte auf genaue Analysen ebenso wie auf die Differenzierung zwischen Ideengeschichte und Ereignisgeschichte. Solche Fragen, so Schloemann, gehören berechtigterweise in den Lektoratsprozess "und nicht in die Öffentlichkeit, die damit nicht behelligt werden müsste, wenn Canfora ein besseres Buch geschrieben hätte".

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