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Aus der großen Schar der Exzentriker des 18. und 19. Jahrhunderts hat John Keay sieben - zumindest hierzulande - wenig bekannte Männer ausgewählt, die vom Zwang zum Reisen besessen waren. Porträtiert werden nicht aristokratische Dandys oder eroberungssüchtige Entdecker, sondern erstaunliche Einzelgänger, die ihre ganz besonderen Gründe hatten, sich auf eigene Faust und Rechnung unbekannten Gegenden und unglaublichen Gefahren auszusetzen. Es gab einmal eine Zeit, da der Aufbruch in andere Länder und Zivilisationen ein Abenteuer war. Oft absonderlicher als die verrücktesten Wissenschaftler,…mehr

Produktbeschreibung
Aus der großen Schar der Exzentriker des 18. und 19. Jahrhunderts hat John Keay sieben - zumindest hierzulande - wenig bekannte Männer ausgewählt, die vom Zwang zum Reisen besessen waren. Porträtiert werden nicht aristokratische Dandys oder eroberungssüchtige Entdecker, sondern erstaunliche Einzelgänger, die ihre ganz besonderen Gründe hatten, sich auf eigene Faust und Rechnung unbekannten Gegenden und unglaublichen Gefahren auszusetzen. Es gab einmal eine Zeit, da der Aufbruch in andere Länder und Zivilisationen ein Abenteuer war.
Oft absonderlicher als die verrücktesten Wissenschaftler, machten exzentrische Reisende die Erkundung der Welt populär. Wer konnte dem Naturforscher widerstehen, der mit Königsschlangen gekämpft hatte, dem Wanderprediger, der splitternackt auf den Hindukusch stapfte, oder dem galligen Gouverneur, der seine amerikanische Kolonie verließ, um sich mit Affe, Papagei und geduldig leidender Familie auf eine Odyssee durch Europa zu begeben?
Befreit aus ihren staubigen Monographien, zeigt sich der erste Engländer, der Lhasa erreichte, als ein kauziges Genie, und sein Landsmann, der als erster Riad betrat, als das Beinahe-Opfer seiner Leidenschaft für Decknamen. Und bei dem "Entdecker der Darden" bestimmten so sehr Intrigen und bizarres Verhalten seine Untersuchungen, daß man an seinem Verstand zweifelte.
Aber wie seltsam sie auch sein mögen, alle Porträtierten in John Keays klassischer Darstellung obsessiver Reisender hatten ihren Mut und Eigensinn.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.08.2007

Eine Grand Tour als Spleen
John Keay porträtiert höchst amüsant sieben englische Exzentriker als Weltreisende
Fast bedauert man es, nicht in Gesellschaft dieser extraordinären „Touristen” auf Reisen gehen zu können, so abwechslungsreich und abenteuergewiss sind ihre Ausfahrten in die Welt geraten. Doch sollten wir uns schnell darauf besinnen, was Reisen im 18. und 19. Jahrhundert bedeutete: katastrophale Wegverhältnisse, lebensgefährliche Schiffsfahrten, meist gräuliche Verpflegung, unbeschreibliche hygienische Bedingungen mit Ruhr, Typhus, Cholera, Gelbfieber und Malaria, darüberhinaus die endlose Dauer dieser Reisen, ohne Gewähr auf gesunde Heimkehr. Aber auf der anderen Seite brachten diese Weltfahrer eine solche Fülle an Wahrnehmungen, Erlebnissen, Begegnungen mit, dass diese leicht für mehr als ein Leben reichten.
John Keay, Historiker und Schriftsteller, hat in diesem Buch sieben Eigenbrötler, Käuze, Besessene und Trotzköpfe so liebe- wie humorvoll porträtiert, dass einem nicht nur warm ums Herz wird, sondern man eben gern die Begleitung dieser einmaligen, aber schwierigen und in ihrer Egomanie wohl auch schwer erträglichen Persönlichkeiten auf ihren Reisen gesucht hätte. Das Exzentrische in letzter Konsequenz scheint ja ein britisches Privileg zu sein. Unbeirrbarkeit bis zu lebensgefährdender Sturheit, Angstfreiheit bis zur Tollkühnheit, unbedingter Wunscherfüllungswille wie absonderliches Benehmen bis hin zum Autismus gehören zu den unveräußerlichen Kennzeichen dieser in jedem Falle unübersehbar originellen Menschen.
Dabei grenzte bei den von Keay ausgewählten Männern das Bizarre, Unverwechselbare ihres Lebens immer ans Genialische. Bei ihnen geht es nicht um so harmlose Absonderlichkeiten wie auffallende Kleidung, ungewöhnliches Betragen, ausgemachte Marotten oder alberne Mätzchen. Keays Reisende sind in anderer Hinsicht „exzentrisch”: Keiner von ihnen hielt es in der bürgerlichen Mitte seiner Herkunft und Umgebung aus; keiner benahm sich normgerecht im Sinne seines Standes und seiner Klasse. Exzentrisch waren sie auch in ihrer unbändigen Lust auf das Exotische, das sie nicht bloß als Reiz gelangweilter Snobs verstanden. So führten sie sich auf ihren weltumspannenden, manchmal jahrelang währenden Touren nicht als Vertreter einer überlegenen Kultur auf, wie es sonst die englischen und andere Kolonialherren gern taten. Ihre nahezu immer erfolgreiche „Waffe” war einmal der Mut, mit dem sie ohne Scheu in die unwegsamsten Landstriche vorstießen, zum Anderen ihre Freimütigkeit, mit der sie ohne Berührungsangst südamerikanischen oder afrikanischen Eingeborenen wie orientalischen Potentaten begegneten und mit ihnen ins Gespräch kamen.
Schließlich kennzeichnete ihre Exzentrik ein gerüttelt Maß an Egozentrik. Wenn Joseph Wolff (1795-1862), deutsch-jüdischer Herkunft und christlicher Missionar aus Leidenschaft, auf seiner brisanten Expedition nach Buchara in Zentralasien hemmungslos zahlreiche Mahn- und Bittbriefe an die Botschaften, Königs- und Fürstenhöfe der Nachbarländer schrieb, ihm bei seinen Recherchen nach zwei englischen Offizieren, die der Emir von Buchara als Geiseln nahm, zu helfen, und er tatsächlich vom persischen Schah oder bedeutenden Würdenträgern empfangen wurde, lag es auch an der von Selbstzweifeln freien Emphase seiner Mission.
Alle erwiesen sich nicht nur als körperlich und seelisch außergewöhnlich robuste Naturen und als höchstbegabte Forscher und Entdecker. Einige waren Sprachgenies wie Gottlieb Wilhelm Leitner (1840-1899), der als erster die Sprachen kaschmirischer Stämme erforschte, andere waren wunderbar klare und intensive Beobachter neuer Welten. So gelangte Thomas Manning (1772-1840) als erster Europäer ins tibetische Lhasa, William Gifford Palgrave (1826-1888) als erster ins zentralarabische Riad. Charles Waterton (1782-1865) mit seinem absurden Mut glich einem Herkules, als er mit Schlangen – Boa Constrictor – rang und sie mit bloßen Händen besiegte oder auf einem Kaiman ritt und ihn lebendig fing. Nebenbei war er ein passionierter Ornithologe und beobachtete als erster die Fortbewegung des Faultiers, was damals in England einige Jahre nicht geglaubt wurde.
Die Reiseleidenschaft des James Holman (1786-1857), die ihn ins tiefste Sibirien und rund um die Welt führte, reicht ans Übermenschliche, schließlich war Holman blind. Alle haben mit gewiss unterschiedlichem Talent ihre Erlebnisse und Ergebnisse aufgeschrieben. Es stellt sich außerdem heraus, dass diese zu Lebzeiten vielfach belächelten oder für verrückt erklärten Gestalten, heute zu jenen Pionieren zählen, die ihrer Epoche weit vorauseilten. Der bis zum Grotesken bizarre Charles Waterton beispielsweise gilt heute als Englands erster Naturschützer, der auf seinem Landsitz Schusswaffen verbot und seinen Park zum Schutzgarten für die einheimische Tierwelt ausbaute.
John Keay selbst erzählt die aberwitzigen Lebensläufe mit trockenem Humor und jener Lakonie, die die Großtaten seiner Helden zu würdigen weiß, ohne das manchmal ungläubige Schmunzeln über dergleichen Tollheiten zu unterdrücken. Dass die deutsche Fassung relativ druckfehlerschlampig geriet, ist ärgerlich, kann aber das Vergnügen an den Biographien dieser außerordentlichen Männer nicht schmälern. Deren Lebensbahn verlief so exzentrisch, weil Vorstellungs- und Wunschkraft, Phantasie und Energie, Kühnheit und Maßlosigkeit in ihnen sie rasch an die Ränder der dahinwirbelnden Geschichte brachte, dorthin, wo die Fliehkräfte ihre höchsten Wirkungsgrad entfalten. HARALD EGGEBRECHT
JOHN KEAY: Exzentriker auf Reisen um die Welt. Sieben Porträts. Edition Tiamat Berlin 2007. 222 Seiten, 16 Euro.
Auch hier zeigt Charles Waterton seinen abenteuerlichen Mut. Foto: The Bridgeman Art Library
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gebannt und äußerst fasziniert folgt Harald Eggebrecht den Biografien von sieben außergewöhnlichen englische Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts, die der Historiker und Schriftsteller John Keay aufgeschrieben hat. Ihren Zeitgenossen galten sie als mindestens seltsam, manchmal auch als verrückt, dem heutigen Leser präsentiert Keay die sieben Männer eher als ihrer Zeit voraus, stellt der Rezensent fest. Dabei beschränkte sich ihre Originalität nicht auf Äußerlichkeiten, sondern zeigte sich in extremer Egomanie, völliger Angstfreiheit und einem unverbrüchlichen Forscherdrang, so Eggebrecht gefesselt. Ob der Autor den blinden James Holman, der bis nach Sibirien vordrang, oder das Sprachgenie Gottlieb Wilhelm Leitner porträtiert, er tut dies stets humorvoll und dabei dennoch mit dem angemessenen Respekt, lobt Eggebrecht, dem die sieben Reisenden durch die gelungene Darstellung richtig ans Herz gewachsen sind.

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