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14 Dichter aus aller Welt stellen sich Roman Buchelis Frage »Wohin geht das Gedicht«, einer Serie der NZZ. Wohin geht das Gedicht? - Die Antworten sind spielerisch oder ernsthaft, traditionsbewußt oder veränderungssüchtig, sie sind ganz auf das eigene Schreiben bezogen oder visieren Allgemeines an - eines ist ihnen allen gemein: Sie tragen neue, überraschende und anregende Sichtweisen vor. Les Murray macht sich Gedanken über die Liebe zur Poesie und meint, die Lyrik bewege sich nicht vorwärts, sondern immer seitwärts. Marcel Beyer schaut einem Ornithologen über die Schulter und entdeckt…mehr

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Produktbeschreibung
14 Dichter aus aller Welt stellen sich Roman Buchelis Frage »Wohin geht das Gedicht«, einer Serie der NZZ. Wohin geht das Gedicht? - Die Antworten sind spielerisch oder ernsthaft, traditionsbewußt oder veränderungssüchtig, sie sind ganz auf das eigene Schreiben bezogen oder visieren Allgemeines an - eines ist ihnen allen gemein: Sie tragen neue, überraschende und anregende Sichtweisen vor. Les Murray macht sich Gedanken über die Liebe zur Poesie und meint, die Lyrik bewege sich nicht vorwärts, sondern immer seitwärts. Marcel Beyer schaut einem Ornithologen über die Schulter und entdeckt Gemeinsamkeiten mit dem lyrischen Handwerk. Lars Gustafsson erinnert sich in seinem Aufsatz an die Begegnung mit einem am Daumen verstümmelten Maurer, der in eines seiner Gedichte einging, und versucht eine Antwort auf die Frage, warum seine Gedichte so arm an Metaphern sind. Charles Simic schreibt über die allmähliche Verfertigung eines Gedichts. Juri Andruchowytsch erzählt in seinem Beitrag, wieer als Jugendlicher die Lyrik entdeckte, mit dreißig aufhörte, Gedichte zu schreiben, und wie die Poesie eines Tages wieder aus ihm hervorbrach. Adam Zagajewski gesteht, er wisse nicht, wohin das Gedicht heute geht, aber er sieht die Poesie jeden Morgen aufs Neue beginnen. Bei Klaus Merz geht das Gedicht auf die Jagd, ehe er die Frage umdreht: Woher kommt das Gedicht?Antworten von:Juri AndruchowytschMarcel BeyerFranz Josef CzerninUlrike DraesnerLars GustafssonNorbert HummeltKlaus MerzLes MurrayAlberto NessiBrigitte OleschinskiAlbert OstermaierLutz SeilerCharles SimicAdam Zagajewski»Meine Gedichte kannte ich nicht. Merkwürdig, denn ich hatte sie ja geschrieben. Ich glaubte, sie in- und auswendig zu kennen. Aber daß sie mich in sich aufnehmen konnten, wußte ich nicht.«Ulrike Draesner
Autorenporträt
Roman Bucheli, geb. 1960, studierte Germanistik, Philosophie und Wirtschaftsgeschichte in Fribourg und Zürich. Heute ist er Literaturkritiker bei der »Neuen Zürcher Zeitung«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.10.2006

Die Geliebte der Taschenspieler
In seiner Anthologie „Wohin geht das Gedicht?” versammelt Roman Bucheli Antworten von 14 Dichtern aus aller Welt
Unter dem Titel „Mein Gedicht ist mein Messer” versammelte vor vierzig Jahren Hans Bender poetologische Äußerungen von Dichtern. Solch offene Aggressivität und sezierende Schärfe findet man in dem Band „Wohin geht das Gedicht?” nicht. Geblieben ist allerdings der Hang vieler Dichter zu großen, schweren, emphatisch gebrauchten Worten. Da ist vom „inneren Schaudern” die Rede (Alberto Nessi), davon, den „Tod als seinen Schatten mitzudenken” (Albert Ostermaier), von „Konzentration”, die an „Klaustrophobie” reichte, (Brigitte Oleschinski). Wer, wenn nicht der Dichter, sollte es auch wagen, den Mund voll zu nehmen, Pathos zu wagen und die Stimme zu erheben?
Der Herausgeber dieser dichterischen Selbsterkundungen ist Roman Bucheli, Literaturredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung”. Er lässt in dem Band internationale Vertreter der mittleren und älteren Lyriker-Generation zu Wort kommen. Die ganz Jungen fehlen, dazu vermisst man manche der großen Alten, doch die Sammlung ist auch so bunt und anregend.
Dabei wirkt die Frage „Wohin geht das Gedicht?” erst einmal kurios. Unwillkürlich fallen einem Antworten wie „in die Binsen” oder „zum Teufel” ein. Den Dichtern hingegen ist die Vorstellung des Gedichts als Wesen vertraut. Juri Andruchowytsch berichtet von seiner wilden, erfüllten Zeit, als er mit Lyrik als Zirkuskunststück durch die Ukraine tingelte: „Ich lebte mit ihr wie mit einer Geliebten.” Die kann untreu werden, einen verlassen, auf ihr Eigenleben pochen, sich verweigern. Dabei gilt Lyrik als die persönlichste, die subjektivste aller Gattungen. „Immer wieder höre ich das,” schreibt Ulrike Draesner, „und immer wieder ärgere ich mich darüber . . . Denn wer glaubt, dass nur Subjektives sich im Gedicht ausdrücke, versteht nicht, dass außen und innen zusammenkommen müssen. Versteht nicht, und da schlägt mein Ärger in Traurigkeit um, dass er sich selbst von einem Gedicht anstoßen lassen kann.” Ulrike Draesner, Lars Gustafsson, Marcel Beyer, Lutz Seiler sind nicht die Einzigen, die den Anstoß von außen hervorheben, die Bedeutung der Realien, ohne die lyrische Evidenz schwer möglich erscheint. Bucheli zitiert denn auch in seinem ausführlichen Nachwort Wallace Stevens’ Diktum: „A poet’s words are of things that do not exist without the words.”
Verdoppelung der Schöpfung
Beim Herausgeber wie bei den Dichtern erstaunt allerdings ein wenig die Emphase, mit der vornehmlich der Lyrik Möglichkeiten und Probleme zugeordnet werden, die doch für die Sprachkunst insgesamt gelten: Sprachzweifel, Verdoppelung der Schöpfung, das Besondere aus den Dingen hervorzulocken, sie zum Leuchten zu bringen. Als gälte das für Prousts, Nabokovs und noch Mayröckers Prosa nicht ähnlich.
Etwas anderes zeichnet die Poeten den Prosaisten gegenüber aus: Sie haben die Brücken zur Tradition nie abgebrochen, pflegen oft sogar ein lebendiges Gespräch mit ihren Vorläufern, beleben alte Formen neu. Les Murray betont zu Recht, von einem Fortschritt in der Lyrik, wie ihn die Titelfrage suggeriere, könne nicht die Rede sein: „weder entwickelt sich Dichtung noch lässt sie sich voranbringen”. Norbert Hummelt erdet sein lyrisches Tun durch persönliche Berührung mit den Dingen und durch sein Verhältnis zur Tradition: Für ihn sollten Gedichte zu den Quellen gehen. Lutz Seiler schildert denn in seinem wunderbaren Essay, wie ihm Vergangenheit in Lion Feuchtwangers „Villa Aurora” als Gedichtmaterial begegnet, aber erst nach etwa sieben Jahren aufschreibbar wird. Charles Simic ironisiert und beschwört die Verskunst zugleich: „Dichtung . . . bleibt immer zu Hause . . . selbst wenn sie auf stürmischen Meeren segelt, zieht die Poesie ihre Pantoffeln nicht aus.”
Solch liebevoller und ernster Witz findet sich glücklicherweise öfter in den Beiträgen, die vor allem dort überzeugen, wo sie Poetologie an den Entstehungsgeschichten einzelner Gedichte exemplifizieren. Lyrik lässt sich heute, das strahlen alle Beiträge aus, nicht in die Pflicht nehmen, verweigert sich Engagementforderungen und Avantgardezwang, ohne doch auf Wirkung verzichten zu wollen.
Sie vertraut auf eine enge Bindung an die Dinge, flirtet mit der Tradition und setzt ihre erstaunlichen Taschenspielertricks ein, um die „menschlichen Anklangsnerven” (Peter Rühmkorf) zu reizen. So meint Simic: „Was man hoffen kann für ein Gedicht: Es möge hinausgehen in die Welt und einen vollkommen Unbekannten davon überzeugen, dass genau dies geschieht, wovon es handelt.”
ROLF-BERNHARD ESSIG
ROMAN BUCHELI (Hrsg.): Wohin geht das Gedicht? Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 126 Seiten, 14 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "bunt und anregend" würdigt Rezensent Rolf-Bernhard Essig diesen von Roman Bucheli herausgegebenen Band, der poetologische Überlegungen von vierzehn Dichtern der mittleren und älteren Generation aus aller Welt versammelt. Viele Beiträge zeichnen sich für ihn durch Witz und interessante Beobachtungen aus, andere kommen für seinen Geschmack schwer und emphatisch daher. Erstaunt zeigt er sich darüber, dass sowohl Herausgeber als auch viele Dichter der Lyrik Möglichkeiten und Probleme zuordnen, die seines Erachtens für die Sprachkunst insgesamt gelten. Besonders überzeugend findet er die Beiträge, die poetologische Überlegungen an den Entstehungsgeschichten einzelner Gedichte konkret werden lassen. Gemein sei allen Beiträgen die Auffassung, dass sich Lyrik nicht in die Pflicht nehmen lasse, sich Engagementforderungen und Avantgardezwang verweigere, ohne dabei aber auf Wirkung verzichten zu wollen.

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