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Diese Studie ist nur gemeinsam mit der zweisprachigen Ausgabe 'Mólodec' (ISBN 3-89244-827-2) erhältlich, beide Titel sind zusammen eingeschweißt.Christiane Hauschild analysiert in ihrer Studie, wie Marina Cvetaevas Poem 'Mólodec' abendländische Texttraditionen - z.B. des Zaubermärchens, des Vampirstoffs, des Faustmythos, der christlichen Heilsgeschichte - aufnimmt und sie umdeutet. Die Postmoderne antizipierend überschreitet der Text dabei die ihm zugrundeliegenden Gegensatzpaare und Wertungsstrukturen. Im ambivalenten Figurenpaar der 'häretischen' Teufelsbünderin Marusja und des von ihr…mehr

Produktbeschreibung
Diese Studie ist nur gemeinsam mit der zweisprachigen Ausgabe 'Mólodec' (ISBN 3-89244-827-2) erhältlich, beide Titel sind zusammen eingeschweißt.Christiane Hauschild analysiert in ihrer Studie, wie Marina Cvetaevas Poem 'Mólodec' abendländische Texttraditionen - z.B. des Zaubermärchens, des Vampirstoffs, des Faustmythos, der christlichen Heilsgeschichte - aufnimmt und sie umdeutet. Die Postmoderne antizipierend überschreitet der Text dabei die ihm zugrundeliegenden Gegensatzpaare und Wertungsstrukturen. Im ambivalenten Figurenpaar der 'häretischen' Teufelsbünderin Marusja und des von ihr vergöttlichten Mólodec hat Cvetaeva darüber hinaus für die europäische Moderne beispielhaft ihren symbolischen Ort als Dichterin verhandelt. Die Arbeit eröffnet einen neuen Zugang zum Gesamtwerk der Dichterin und erschließt einen zentralen Text.
Autorenporträt
Die Autorin und ÜbersetzerinChristiane Hauschild, Studium der Slavistik, Romanistik, Philosophie. Promotion in Göttingen. Seit 2002 Lehraufträge für Komparatistik und Geschlechterforschung an der Universität Göttingen. Zur Zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Slavischen Seminar der Universität Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2005

Wenn aus Vampiren Engel werden
Teufelssympathie: Marina Zwetajewas Versmärchen "Mólodec"

Als das russische Volk vor einem Jahrhundert sein altes Regime abschüttelte, brachen revolutionäre Energien aus ihm hervor, die einer entfesselten Libido ähnelten, im buchstäblichen oder übertragenen Sinn. Den Aufbruch in den Kommunismus begleitete eine begeisterte Bewegung für die vom Familienjoch befreite Liebe. Der avantgardistisch-propagandistische Lyriker Wladimir Majakowski verschrieb sich der Revolution wie einer überdimensionalen Braut. Unter Aufbietung seiner gewaltigen kreativen Kräfte versuchte Majakowski, die Lava des unverbildeten Herzens derart zu mobilisieren, daß ökonomisch-bürokratische Intrigenspiele auf dem Müllhaufen der Geschichte landen würden. Er brachte sich um, als ihm das weder im persönlichen noch im öffentlichen Leben gelang.

Einen poetischen Krieg gegen das Weltspießertum führte auch Marina Zwetajewa, als Frau und emigrationsbedingt auf dem engeren Kampfplatz von Privatleben und literarischen Debatten. Ihre erotisch befeuerten Pegasusflüge ergossen sich in Verskaskaden von männlicher Wucht, weshalb man in Zwetajewa gern Majakowskis Gegenstück gesehen hat.

Freilich, der utopische Zustand der Liebesexaltation wirft bei Marina Zwetajewa keinen Hoffnungsstrahl auf die erlösungsbedürftige kleinkrämerische Normalordnung. Das inspirierte Hochgefühl kann die materiellen Umstände des Seins nur einkochen, "überwinden", nicht veredeln. Die erotische Begeisterung, welche die bedeutendsten Gedichte und Verserzählungen von Marina Zwetajewa trägt, wird zu einer Art asketisch spiritueller Übung, einer religiösen Technik jenseits des religiösen Glaubens, bei der Weltentsagung durch immaterielle Reichtümer belohnt wird - freilich nur bei dem erwählten einzelnen, nie bei der von ihm zurückgelassenen Herde.

Mit verachtungsvollen Spitzen gegen die Versicherungs- und Versorgungswünsche ihrer Geliebten und Mitmenschen charakterisiert ihre Lyrik das Erdental. Dagegen hält sie, statt politutopischer Visionen unentfremdeter Lebensfülle, nur den Imperativ, die breite Hauptstraße des Lebens zu verlassen und ihr auf den steilen Gebirgspfad zu folgen. Wenn diese Pose elitären Hochmut enthält, so hat Marina Zwetajewa durch vielerlei Entbehrungen und nach ihrer Heimkehr nach Sowjetrußland durch Schikanen, die sie in den Selbstmord trieben, den vollen Preis dafür bezahlt.

Im gewissen Sinn setzte Marina Zwetajewas Heimatland, das sich im zwanzigsten Jahrhundert eine asketisch heroische Selbstumwandlung verordnete, ihr Programm im grandiosen Maßstab um, mit all seinem zerstörerischen und selbstzerstörerischen Pathos. Das scheint die Dichterin schon während des Bürgerkriegs geahnt zu haben, da sie, soeben dem Sowjetstaat entkommen, im tschechischen Exil das Versmärchen "Mólodec" schrieb, eine Neudeutung einer alten Vampirgeschichte, in der die Heldin sich mit dem Dämon vereint, statt ihn unschädlich zu machen. Das vielschichtige Poem entwirft ein verstörendes Psychogramm sowohl von der Dichterseele als auch vom revolutionären Rußland. Es ist das Verdienst der Slawistin Christiane Hauschild, daß dieses Hauptwerk der klassischen russischen Avantgarde-Poesie jetzt erstmals in einer zweisprachigen Ausgabe mitsamt aufwendigem Kommentar dem deutschen Publikum zugänglich und obendrein durch eine anspruchsvolle Begleitstudie aufgeschlossen wird.

Wie in der Folklore, so fliegt auch bei Zwetajewa der Vampir auf lebenslustige Dorfmädchen im heiratsfähigen Alter. Die erregte, substantivische Kürzelsprache der Dichterin mit ihrem eigentümlich stoßenden Rhythmus beschwört deren Tanzfeste, wo ein stattlicher, zudem spendabler Recke - der "Mólodec" - auftritt und das knackigste von ihnen, Marusja, zur Braut erwählt. Die Heldin, deren Name die Koseform für Marina darstellt und zugleich die alte Bezeichnung für Rußland, "Rußj", enthält, erkennt die dämonische Natur ihres Bräutigams, verhält sich aber wie behext. Willig wiegt sie sich im wilden Reigen mit dem Bösen, der ihren Bruder tötet, dann ihre Mutter und schließlich Marusja selbst.

Unchristliche Begräbnisrituale, als schauriges Arbeitslied intoniert, verhelfen ihr zu einem zweiten Leben in einer Zauberblume. Der reiche junge Herr, der sie findet, mitnimmt und sogar einen Sohn mit ihr zeugt, empfiehlt sich durch frömmelnde Kraftmeierverse als Sinnbild der patriarchalischen Ordnung. Indem er sein Versprechen bricht, die gespenstische Schöne eine Weile der Kirche fernzuhalten, fordert er die Wiederkunft des dämonischen Mólodec heraus. Im Volksmärchen rettet Marusja mit magischen Mitteln ihre Familie und vernichtet den Vampir. Zwetajewa jedoch läßt ihren Mólodec als Feuerwesen in die Kirche einbrechen, aus der er, zum ekstatischen Gesang eines liturgischen Hymnus, die willige Marusja in sein Reich entführt.

Daß der herausgeberischen Pioniertat eine Dissertation zugrunde liegt, merkt man nicht nur an der unschönen slawistischen Schreibweise. Den deutschen Leser führt die literarische Reise über den steinigen Weg einer Linearübersetzung, in der russische Syntax und Redeformeln unverdaut durchschlagen. Um den wissenschaftlichen Reiseführer mit dem Titel "Häretische Transgressionen" zu nutzen, muß man das trockene Dickicht theoretischer Jargonsprache durchdringen.

Dafür belohnen tiefe Einblicke in die Traditionen russischen Sektierertums, mittelalterlicher Mystik und Teufelsbündnerei, die angesichts einer in Heuchelei erstarrten Staatsreligion geradezu zwangsläufig lebendig werden. Marina Zwetajewa verdächtigt ihren frommen Herrn der Weltlichkeit; dessen brave Gäste, die Kirchenbettler, seien dem Gott des Mammon verfallen, maskierten das aber. Den schönen Dämon hingegen kompromittiert kein offizieller Kult. Er sucht selbst Erlösung und wirkt deshalb beinahe engelhaft. Durch Reibung an einer korrupt sklerotischen Welt erzeugt Marina Zwetajewas amazonenhaftes Dichterherz die Vision einer reinigenden Liebesflammenhölle, deren warnendes Licht bis in die terroristischen Träume unserer Zeit herüberstrahlt.

KERSTIN HOLM

Marina Zwetajewa: "Mólodec". Ein Märchenpoem. Deutsch-Russisch. Herausgegeben und übersetzt von Christiane Hauschild. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 188 S., br., 15,- [Euro].

Christiane Hauschild: "Häretische Transgressionen". Das Märchenpoem "Mólodec" von Marina Zwetajewa. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 245 S., br., 36,- [Euro]. Dieser Band ist nur gemeinsam mit der Ausgabe "Mólodec" erhältlich.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Achtung! Dieses Buch ist nur mit der Ausgabe des im gleichen Verlag erschienenen Märchenpoems "Melodec" erhältlich. Die Übersetzerin von "Melodec" ist zugleich die Verfasserin dieses literaturwissenschaftlich anspruchsvollen Begleittextes, der das ganze Projekt unschwerlich als (einst zusammengehörige) Dissertation ausweist, so die Rezensentin Kerstin Holm. Leider liest sich der Text auch so wie der Titel klingt, bedauert Holm: "Häretische Transgressionen" sei eine Art wissenschaftlicher Reiseführer, der einen ganzen Dschungel an theoretischen Schlingpflanzen zu bieten habe. Wer sich hineintraue, werde dennoch entlohnt, meint Holm: Hauschild gewähre Einblick in die Traditionen russischen Sektierertums, mittelalterlicher Mystik und Teufelsbündnerei, die Zwetajewa gegen die erstarrte Staatsmacht wieder lebendig werden lassen wollte.

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