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Andersens ungeglätteten und gleichzeitig sensiblen Beobachtungen gelten bereisten Ländern und Zeitzeugen ebenso wie seiner eigenen widersprüchlichen Person.Rund 4.500 Seiten Tagebuch hat der dänische Dichter Hans Christian Andersen der Nachwelt hinterlassen, geschrieben während des halben Jahrhunderts zwischen 1825 und 1875. Eine Veröffentlichung hatte er selbst nicht beabsichtigt, obwohl er eine Vielzahl seiner Eintragungen, die bis etwa 1860 auf Reisen und zu besonderen Anlässen, später fortlaufend entstanden, auch als Material für Reisebücher, Romane, Märchen und Briefe nutzte.Er ist ein…mehr

Produktbeschreibung
Andersens ungeglätteten und gleichzeitig sensiblen Beobachtungen gelten bereisten Ländern und Zeitzeugen ebenso wie seiner eigenen widersprüchlichen Person.Rund 4.500 Seiten Tagebuch hat der dänische Dichter Hans Christian Andersen der Nachwelt hinterlassen, geschrieben während des halben Jahrhunderts zwischen 1825 und 1875. Eine Veröffentlichung hatte er selbst nicht beabsichtigt, obwohl er eine Vielzahl seiner Eintragungen, die bis etwa 1860 auf Reisen und zu besonderen Anlässen, später fortlaufend entstanden, auch als Material für Reisebücher, Romane, Märchen und Briefe nutzte.Er ist ein sensibler und genauer Beobachter der bereisten Länder und der ihm begegnenden Zeitgenossen, darunter Fürsten und Könige, Künstler wie Tieck, Chamisso, Liszt, Mendelssohn-Bartholdy, Balzac, Heine, Dickens, Rossini und Reuter. Eindrucksvoll erschließt sich in diesen ungeglätteten Notizen - bei aller Vorsicht und letzter Verschwiegenheit, direkt und indirekt - seine eigene widersprüchliche Persönlichkeit und das nie ausgelöschte Bewußtsein, ein Außenseiter zu sein.
Autorenporträt
Hans Christian Andersen (1805-1875) begann seine schriftstellerische Karriere mit Reisebeschreibungen und Skizzen. Seinen Weltruhm begründeten die »Märchen und Erzählungen für Kinder«, die er unter dem Einfluss der deutschen Romantik schrieb.

Gisela Perlet (1942-2010) studierte Germanistik und Nordistik. Von 1966-1979 war sie Verlagslektorin, seit 1979 freiberuflich als Übersetzerin, Herausgeberin und Autorin tätig. 2002 wurde sie mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ludwig Harig hat die Tagebücher dieses "ruhelosen Zeitgenossen" gelesen. Für ihn sind sie weder Arbeitsjournal, noch Werkstattbericht oder Reportagen. Er bezeichnet sie vielmehr als "Ansätze, manchmal nur Entwürfe, in einigen Fällen konkret gewordene Wünsche von künftigen Erzählungen". Wie gesagt: alles verwoben. Und das so meisterhaft, "hellsichtig", zerrissen und modern. Man merkt Harig seine Begeisterung für Andersens sprachliche Fähigkeiten und Fantasien deutlich an - und das ist schön!

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2000

Der Erregungskode eines Hypochonders
Kalte Bäder für einen reisenden Querulanten: Hans Christian Andersens Tagebücher · Von Burkhard Spinnen

Was muß ich tun? Das Erscheinen eines überflüssigen Buches ankündigen? Wer tut das schon gerne! Zunächst die Fakten: Es handelt sich um eine zweibändige Auswahl aus den Tagebüchern des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen, ins Deutsche übersetzt. Die ausgewählten Passagen stammen aus den Jahren 1825 bis 1875, sie machen über sechshundert Seiten aus, den Rest der knapp achthundert Seiten umfassenden Ausgabe füllen Nachwort, Kommentar, Bibliographie, Zeittafel und Register. Übersetzung, Auswahl und Herausgabe besorgte die ausgewiesene Andersen-Expertin Gisela Perlet.

Doch erstens: Die kompletten Tagebücher Andersens stehen schon längst (seit 1976 in zwölf Bänden) im Original zur Verfügung; und für die biographische Forschung sind sie schon vorher ausgebeutet worden. Zweitens: Andersens Tagebücher sind keineswegs wie die anderer Autoren eine Sammelstelle wichtiger poetologischer Reflexionen. Die waren sowieso nicht seine Stärke. Werkgeschichtliche Zusammenhänge sind im Tagebuch nur insofern präsent, als der Dichter vermerkt, wem er wo was vorgelesen hat und ob der Betreffende auch begeistert war. Und wer sich intime Offenbarungen erhofft, der muß mit ellenlangen Auflistungen eines gesamteuropäisch-freundlichen Fürstenlobes für den bekannten Märchendichter vorliebnehmen, ja, und natürlich mit den längst bekannten Andeutungen auf Andersens uneingestandene homoerotische Neigung - mitgeteilt in einem eher komischen Erregungskode: "sinnlich +". Und schließlich drittens: Andersen war einer der meistgereisten Männer seiner Zeit. Doch was von seinen 29 teils mit dem Baedeker in der Hand, teils auf eigene Faust unternommenen und manchmal geradezu abenteuerlichen Exkursionen in die Tagebücher gerät, ist kaum eine Vorarbeit zu seinen Reisebüchern zu nennen, in denen er ebenso wie in seinen Kunstmärchen neue literarische Wege betrat.

Ein überflüssiges Buch also! - Oder nicht? Zugegeben, die Lektüre fällt anfangs eher schwer, und ohne wenigstens den Hintergrund von Nachwort und Kommentar bleibt vieles unverständlich. Doch wenn man sich einmal in den Schreib- und Reflexionsduktus dieses nach vielerlei Bekunden weitgehend humorabstinenten, streckenweise unerträglich affektierten und egomanen Sonderlings eingelesen hat, dann verbreitet der Text ganz plötzlich den entrückten Charme und die Aura einer der seltenen Daguerreotypien dieser Zeit!

Dabei interessieren weniger die Kulissen und Hintergründe, so erlaucht oder exotisch sie manchmal sein mögen. Nein, eigentlich nimmt nur der Mensch gefangen, der mit etwas säuerlichem Lächeln und einer kaum zu verhehlenden Angst vor Geringschätzung und kaltem Luftzug im Vordergrund posiert. Immer ist es der arme Hans Christian, Sohn einer trunksüchtigen Waschfrau und eines womöglich geisteskranken Vaters, der dank vermögender Gönner sich hat ausbilden und quasi über Nacht einer der bekanntesten europäischen Schriftsteller hat werden können. Dieser Mann, überall sonst hoch gefeiert, doch in seinem geliebten Kopenhagen von der Kritik verfolgt, tränkt jede Seite seiner Aufzeichnungen mit dem existentiellen Ungenügen, das einer empfinden muß, der sich zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts nur durch seine Kunst aus ärmlichen Verhältnissen bis in die Spitzen des Bürgertums und an die Tafeln der Könige gearbeitet hat, um dort festzustellen, daß kein literarischer Ruhm das zutiefst verinnerlichte Minderwertigkeitsgefühl eines Viertständlers zu tilgen imstande ist.

Nach außen mag der Mann anders geschienen haben, nämlich genuin unangenehm: selbstgefällig, eitel, schnell beleidigt, hypochondrisch. Es ist ihm nichts recht zu machen. Je größer die Ehrungen, desto säuerlicher der Geehrte. Kaum ist er zum Staatsrat ernannt, muß er wieder mit Zahnschmerzen ins Bett. Und überhaupt: wie den Albert Einhart aus Friedrich Theodor Vischers Roman "Auch einer" quälen ausgerechnet den sanft entrückten Märchendichter unablässig die kleinen Quisquilien und Wehwehchen. Man würde ihm gerne kalte Bäder verordnen wollen, wüßte man nicht, daß er sich auf seinen Reisen freiwillig Strapazen unterzog, die heute kein Olympionike auf sich nehmen würde - und könnte! Doch auch, ja gerade dieses Säuerliche und Querulatorische ist Ausdruck. Es ist Ausdruck einer grundsätzlichen Schieflage. Andersen gelingt zwar, wonach gerade heute wieder manch einer und eine, welche schreiben, trachten: Er wird eine bekannte Figur, ein quer durch die Stände und Schichten gefeierter Mann, eine internationale Erscheinung! Ein Popstar, der von Fürsten empfangen wird und der in der Postkutsche seine Verehrer mit Autogrammpostkarten beglückt!

Doch seine Aufzeichnungen im Tagebuch zeigen, wie herzerfrischend unglücklich einen Berühmten dieser Ruhm machen kann. Denn tatsächlich ist ja nichts recht und richtig. Die Verehrung der Großen, sie gilt ja dem Dichter, der biedermeierlich handzahm das genehme Tableau einer übel verschlafenen Gesellschaft verzieren kann und darf. Andersen ist der Tischschmuck hoher Gesellschaften, so wie ihn wünscht man sich den Künstler: ein Mann des Ausgleichs und der Affirmation, den Kindern zugetan und selbst im Grunde bloß ein großes Kind.

Und also mit dem bunten Tand von Ehrungen und Titeln zufrieden? Nein, durchaus nicht. Sterbend bietet Andersen seine letzten Kräfte auf, um ein Denkmal zu verhindern, das ihn als netten Märchenonkel im Kreise der lieben Kleinen zeigen sollte. Zu Recht hat er seine Literatur anders verstanden. Ein Leben lang hat er darunter gelitten, daß die Anerkennung, die ihm zuteil wurde und von der er lebte, eigentlich kein wahres Künstlerleben ausmachen darf. Während freilich andererseits - das weiß der knapp verhinderte Lumpenproletarier Andersen nur zu gut - das Hungern keine echte Alternative ist.

All dies ist nun längst bekannt. Werke und Psyche Andersens liegen heute genauestens seziert vor der Forschung. Doch aus den Tagebüchern hört man den Originalton jener existentiellen Unzufriedenheit. Und wer geneigt ist, das Nörgeln als den Ausdruck einer Verzweiflung an der Stellung von Kunst und Künstler in der Gesellschaft zu lesen, der wird in Andersens Suada etwas ausgesprochen Gegenwärtiges vernehmen.

",Ja, ich bin ein seltsames Wesen'". Hans Christian Andersens Tagebücher. Eine Auswahl. 2 Bände. Herausgegeben und übersetzt von Gisela Perlet. Wallstein Verlag, Göttingen 2000. Zusammen 800 S., geb., 148 Mark.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Andersens Tagebuchaufzeichnungen sind weder leer noch sind sie nichtssagend. Großenteils sind sie sogar vielsagend in einem Maße, dass Andersen bei allem noch so geschickten Oszillieren zwischen Selbstausstellung und Selbstverhüllung wohl unterschätzte: Das zeigt die umfangreiche Auswahl, die Gisela Perlet aus seinen Tagebüchern getroffen, übersetzt und aus umfassender Kenntnis des Gesamtwerks kommentiert hat." (Hanns Grössel, Süddeutsche Zeitung)

"Die hervorragende Edition einer Auswahl aus den Tagebüchern Andersens, erarbeitet und übersetzt von Gisela Perlet, gestattet unter anderem den Nachvollzug dieser Reisen. Mehr noch: sie erlaubt die bemerkenswerte Lektüre eines interessanten Lebens und einer faszinierenden Zeit. (...)
Beherrschende Themen sind neben den Äußerlichkeiten damaliger Zeit Träume und Ängste, erstere stets akribisch niedergeschrieben, von daher eingangs die Anspielung auf eine psychoanalytische Lesart. Sie dürfte in Andersens Tagebüchern, die er zur Ver öffentlichung nicht vorgesehen hatte, reiches Material finden. Der interessierte Leser hingegen findet eine vorbildlich kommentierte Ausgabe mit Registern und einer Chronik des Lebens; er findet aber vor allem die Möglichkeit, Einblicke in eine Zeit zu gewinnen und einen großen Dichter jenseits seiner ästhetisch durchgearbeiteten Texte ausführlich kennen zu lernen." (Dresdner Kulturmagazin)

"Man darf also die Märchen Hans Christian Andersens als Klartext eines gequälten Lebens lesen, das von den Tagebüchern bis zur Unkenntnis normalisiert wird." (Michael Rutschky, Die Tageszeitung)

"Im Tagebuch wird deutlich, wie sehr das "hässliche Entlein" sich danach sehnte als "echter Sohn" zur Familie seines Förderers Jonas Collin zu gehören, und wie sehr es ihn verletzt hat, dass ausgerechnet die Collins ihn nie als den außergewöhnlichen Dichter anerkannten, der er war. So wird auch Andersens krankhafte Sucht nach Lob verständlicher, seine Freude über die herzliche Aufnahme, die er (der Schust erjunge!) an deutschen Fürstenhöfen fand, seine Wut über die schlechten Kritiken, mit denen seine Werke in Dänemark oft aufgenommen wurden.
Interessant sind Andersens Aufzeichnungen auch als Dokument ihrer Zeit: Mit seinem naiv-kindlichen und zugleich aufdringlichen Wesen gelang es ihm, viele wichtige Persönlichkeiten kennen zu lernen. Was sie über Kunst, Theater, Literatur sagten, wie sie reisten und lebten - auch das erfahren wir bei Andersen, der zwischen den Zeilen doch mehr als beabsichtigt von sich preisgegeben hat." (Diemut Roether, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)

"Über sechshundert Seiten aus den Tagebüchern, dazu ein ausführliches Nachwort von Gisela Perlet, die auch noch einen klugen und hilfreichen Stellenkommentar sowie ein sorgfältiges Personenregister beigefügt hat. Sein Umfang allein kann schon einen Eindruck verschaffen von der personifizierten Unstetigkeit Andersens. (...) Als Leser von Andersens Tagebüchern betritt man unweigerlich auch die hintersten Kammern s einer dichterischen Werkstatt." (Guido Graf, DeutschlandRadio)
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