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Trotz der langen Tradition von Buddhismus und Shintoismus, trotz der Präsenz religiöser Rituale bei Festen im Jahres- und Lebenslauf geben bei Umfragen nicht wenige Japanerinnen und Japaner an, "areligiös" zu sein. Gleichzeitig aber hält ein Grossteil von ihnen Religiosität für wichtig. Wie ist das zu erklären? Tatsächlich wird "areligiös" hier nicht im Sinn einer atheistischen Haltung gebraucht, sondern bezeichnet die Nicht-Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. In der vorliegenden Studie untersucht Ama die Entstehungsbedingungen dieses Begriffs von Areligiosität zum einen…mehr

Produktbeschreibung
Trotz der langen Tradition von Buddhismus und Shintoismus, trotz der Präsenz religiöser Rituale bei Festen im Jahres- und Lebenslauf geben bei Umfragen nicht wenige Japanerinnen und Japaner an, "areligiös" zu sein. Gleichzeitig aber hält ein Grossteil von ihnen Religiosität für wichtig. Wie ist das zu erklären? Tatsächlich wird "areligiös" hier nicht im Sinn einer atheistischen Haltung gebraucht, sondern bezeichnet die Nicht-Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. In der vorliegenden Studie untersucht Ama die Entstehungsbedingungen dieses Begriffs von Areligiosität zum einen anhand der Einflüsse, die Buddhismus und Konfuzianismus auf das religiöse Bewusstsein genommen haben. Zum anderen beleuchtet er die im Zuge der Modernisierung seit Beginn der Meiji-Zeit geführten Diskussionen um die Rolle von Staat und Religion und zeigt so die his-torischen Hintergründe auf, die zur Skepsis gegenüber Stifterreligionen bzw. religiösen Institutionen in der japanischen Gesellschaft geführt haben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2004

Lieber Buddhist als gar nichts
Toshimaro Ama untersucht die Religiosität der Japaner

Als die Japaner im Zuge der Landesöffnung in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ins Ausland reisen konnten, enthielten die Reiseführer den Hinweis, falls man von einem Ausländer nach seiner Religion gefragt würde, nicht mit "areligiös" zu antworten, denn das klinge im Westen wie die Negation des Menschseins. Lieber solle man mit "Buddhist" oder "Shintoist" antworten. Ausgehend von der These der Religionsskepsis der Japaner, entwirft Toshimaro Ama eine Kulturgeschichte des Areligiösen.

Das Buch rekonstruiert Japans pragmatischen Umgang mit Volksglaube, Morallehren und Religion. Anschaulich zeigt es die Trennung in diesseitige und jenseitige Zuständigkeitsbereiche von Shintoismus, Konfuzianismus und Buddhismus und Prozesse der Verweltlichung, Rationalisierung und Verstaatlichung auf. Die einheimische "Naturreligion" des Shintoismus, die die Natur und ihre Erscheinungsformen als beseelt ansieht, war am Jenseits wenig interessiert. Der im sechsten Jahrhundert eingeführte Buddhismus füllte die Lücke. Der Buddhismus kam weniger als Religion mit einem philosophischen System als in der reduzierten Form eines "Trauerfeier-Buddhismus" nach Japan. Ama erkennt in der japanischen Religionsgeschichte seit dem siebzehnten Jahrhundert einen Vorrang der Alltäglichkeit. Auch der wirkungsmächtige Konfuzianismus, der die gesellschaftlichen und geschlechtlichen Beziehungen regulierte, gedieh auf dem Boden des Areligiösen.

Die Instrumentalisierung der Religion setzte sich in der Moderne fort, wobei es in der Welt der Götter zu Umstrukturierungen kam. So stellte der Staat der Meiji-Zeit (1868 bis 1912) den Mythos des Tenno als Abkömmling der Sonnengöttin in den Mittelpunkt seiner Ideologie. Das Volk wurde über eine Hierarchie der Schreine, die man zu Kultstätten des Staates erklärte, mit dem Kaiserhaus und dem Staat verbunden. So wandelte sich im Staats-Shintoismus die Naturreligion zu einem zeremoniellen System mit öffentlichem Charakter.

Ama erkennt eine Zweiteilung der Religion in "auffällige" Merkmale wie Lehre und Mission und "unauffällige", als areligiös mißverstandene Merkmale wie Sitte und Gewohnheit, die heute die in der Verfassung garantierte Trennung zwischen Religion und Politik unterlaufen. Deshalb fallen Zeremonien wie die shintoistische Einweihung einer Baustelle nicht in den religiösen Bereich.

Beim Versuch, das Unbehagen der Japaner gegenüber den Stifterreligionen zu ergründen, hebt der Autor Glaubenserschütterungen wie Entschluß und Bekehrung hervor. In Anlehnung an den Religionsphilosophen William James spricht er von den "Einmalgeborenen", von Natur aus anpassungsfähigen und optimistischen Menschen und den "Zweimalgeborenen", den in Konsensgesellschaften eher seltenen Skeptikern, die nach einer Bekehrung eine geistige Wiedergeburt erfahren.

Im Gegensatz zu den dogmatischen Gründerreligionen prägt Ama für die japanische Religionsrezeption den Begriff der "dürftigen Religionen". Anhand der Arbeiten des Soziologen Minoru Kida über "Aufzeichnungen einer Rundreise durch verrückte Dörfer" rekonstruiert er die japanische Psyche, wonach Religionen nur insoweit absorbiert werden, als sie nicht in Spannung zu den Absurditäten des Alltagslebens stehen. Die postmoderne Monetarisierung und Individualisierung des Glaubens, so Amas These, förderten den eklektischen Charakter der japanischen Religiosität. Das vordergründig Areligiöse in Japan, endet die hintersinnige Analyse, hat einen großen inneren Reichtum.

STEFFEN GNAM

Toshimaro Ama: "Warum sind Japaner areligiös?" Aus dem Japanischen von Hans Peter Liederbach. Iudicium Verlag, München 2004. 160 S., kt., 9,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Steffen Gnam hat Toshimaro Amas "Kulturgeschichte des Areligiösen" in Japan mit großem Interesse gelesen. Ausgehend von der japanischen "Religionsskepsis" zeige Ama sehr "anschaulich", wie die Japaner die Religion durch ihren "pragmatischen Umgang" instrumentalisieren. So gebe es zum Beispiel verschiedene religiöse "Zuständigkeitsbereiche": Weil der heimische Shintoismus "am Jenseits wenig interessiert" war, füllte sich diese "Lücke" mit dem Buddhismus auf, der daher nur in der "reduzierten Form eines 'Trauer-Buddhismus'" nach Japan kam. Die Wirkung des ebenfalls importierten Konfuzianismus wiederum beschränkte sich auf die "gesellschaftlichen und geschlechtlichen Beziehungen". Ebenfalls werden auch Prozesse der "Verstaatlichung" und "Verweltlichung" skizziert, unter anderem die Vergottung des Tenno als "Abkömmling der Sonnengöttin". Alles in allem - so lässt sich Gnams urteilssparsamer Rezension entnehmen - erlaubt diese "hintersinnige Studie" wohl einen umfassenden Blick auf den "eklektischen Charakter" japanischer Religiosität.

© Perlentaucher Medien GmbH