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Sex ist im Dasgupta Institut verboten. Was also macht die unglaublich attraktive Beth Marriot hier? Warum verbringt eine junge Frau, deren unwiderstehliche Vitalität und selbstbewusstes Ego einst auf Eroberung und Ruhm aus waren, jetzt einen Monat nach dem anderen als Helferin im vegetarischen Restaurant eines puristischen Buddhisten-Retreats? Beth bekämpft Dämonen. Eine Folge von katastrophalen Ereignissen hat alle ihre Hoffnungen auf Glück unterminiert. Aus diesem Trauma gibt es für sie nur einen Ausweg: die asketische Strenge einer Gemeinschaft, in der man um vier Uhr morgens geweckt wird,…mehr

Produktbeschreibung
Sex ist im Dasgupta Institut verboten. Was also macht die unglaublich attraktive Beth Marriot hier? Warum verbringt eine junge Frau, deren unwiderstehliche Vitalität und selbstbewusstes Ego einst auf Eroberung und Ruhm aus waren, jetzt einen Monat nach dem anderen als Helferin im vegetarischen Restaurant eines puristischen Buddhisten-Retreats? Beth bekämpft Dämonen. Eine Folge von katastrophalen Ereignissen hat alle ihre Hoffnungen auf Glück unterminiert. Aus diesem Trauma gibt es für sie nur einen Ausweg: die asketische Strenge einer Gemeinschaft, in der man um vier Uhr morgens geweckt wird, keinen Augenkontakt mit anderen haben, geschweige denn mit ihnen sprechen darf und in der Frauen und Männer streng getrennt sind. Aber Neugier stirbt zuletzt. Als Beth über ein Tagebuch stolpert, muss sie es lesen und fängt an, den Mann zu beobachten, dem es gehört. Und je mehr sie sich nach der Reinheit der schweigenden Priesterin des Retreats sehnt, desto mehr begehrt sie die Priesterin selbst. Sex ist verboten - in seinem neuen Roman konfrontiert Tim Parks westlichen Individualismus mit dem buddhistischen Credo, dass das, was wir Selbst nennen, eine unwirkliche Fantasie ist.
Autorenporträt
Parks, TimTim Parks, geboren in Manchester, wuchs in London auf und studierte in Cambridge und Harvard. Seit 1981 lebt er in Italien. Seine Romane, Sachbücher und Essays sind hochgelobt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Er unterrichtet Literarisches Übersetzen an der Universität Mailand, schreibt u.a. für The Guardian, The New Yorker und The New York Review of Books, und übersetzt, u.a. die Werke von Moravia, Calvino, Calasso, Tabucchi und Machiavelli. Zuletzt erschien Thomas & Mary (Kunstmann 2017).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2012

Viel los im Schließfach
In seinem neuen Roman „Sex ist verboten“ erzählt Tim Parks von der schönen
neuen Welt der Wellness – und durchlöchert die Zwischenwand, die Männlein und Weiblein trennt
VON MEIKE FESSMANN
So um die vierzig erwischt es jeden: Wer bis dahin noch nonchalant seine Sportabstinenz bekunden konnte, wird allmählich kleinlaut. Er fragt im Freundeskreis herum, was die anderen denn so treiben, damit sich die Zipperlein nicht zu ernsthaften Beschwerden auswachsen. Die meisten tragen die Sportart ihres (Selbst-)Vertrauens ohnehin wie eine Flagge vor sich her. Doch was als Ausgleich gedacht war, mündet oft in neuen Leistungszwang. Also doch lieber gleich in den Yoga-Kurs?
  Der 1954 geborene, in Italien lebende britische Schriftsteller Tim Parks hat im Lauf seines Lebens die Fronten gewechselt. Einst begeisterter Kajakfahrer – man lese nur den Roman „Weißes Wasser“ – berichtete er in seinem Buch „Die Kunst stillzusitzen“ von seiner Bekehrung zur Meditation. Nach jahrelanger Schreibtischarbeit und dem täglichen Kampf an der Wörterfront litt er unter unerträglichen Schmerzen im Unterleib, verbunden mit dauerndem Harndrang und damit einhergehender Schlaflosigkeit.
  Die Ärzte empfahlen eine Prostata-Operation, die er der drohenden Nebenwirkungen wegen nicht auf sich nehmen wollte. Trotz aller Skepsis ließ er sich irgendwann auf das Heilsversprechen eines buddhistischen Gurus ein. In einem Schweige-Retreat lernte er das richtige Atmen und die Meditation. Die Beschwerden besserten sich und verschwanden mit der Zeit ganz.
  Die Sportart seiner Wahl hatte die Anspannung nur verschlimmert. „Es ist ein großer Fehler zu glauben, man könne die Beziehung zum eigenen Körper verbessern, indem man ihm extreme Aktivitäten aufzwingt.“ Ein Hobby kann man aufgeben. Was aber tun, wenn der Feind auf ganz spezielle Weise im eigenen Körper haust: als jener Zwang, alles ständig in Sprache zu übersetzen und täglich um die richtigen Wörter und Sätze zu ringen, der die Existenz eines Schriftstellers bestimmt? Sollte er aus gesundheitlichen Gründen das Schreiben aufgeben und sich auf seine Lehrtätigkeit als Professor beschränken? Wer will das schon.
  Nun erscheint „Sex ist verboten“, Parks erster Roman nach dem unterhaltsamen Krankenbericht, der auch als kulturkritische Studie anregend war. Man ist gespannt, wie er das Problem gelöst hat. „The Server“, so der Originaltitel, spielt in einem ebensolchen Retreat, wie es der Autor besuchte. Im Zentrum aber steht eine junge Frau, deren Eigenschaften von den seinen himmelweit entfernt sind, Beth Marriot, die Ich-Erzählerin.
  Sie hat einen ausgesprochen intakten und lustfreundlichen Körper: große Augen, wuschlige Mähne und prächtige „Titten“, die Männerblicke auf sich ziehen wie „zwei rote Ferraris“. Sie ist Sängerin in einer Band, hat einen jüngeren und einen älteren Liebhaber (deren Alter sie als Gedächtnisstütze für ihre Handy-PIN nimmt), schläft aber auch mit Zoe, die wie Carl, der jüngere, zur Band gehört. Ihre Eltern führen eine Ehe, über die sie scherzen, der einzige Unterschied zum Dreißigjährigen Krieg sei, dass der nach dreißig Jahren zu Ende war. Sie wünschen sich, sie möge endlich den freundlichen Carl heiraten und ins Familienunternehmen einsteigen. Sie aber will Jonathan, den freiheitsliebenden Künstler, der sie malt und leidenschaftlich mit ihr vögelt, aber sein Herz weder an Dinge noch an Frauen hängt.
  Bevor sich die „Drama Queen“ ins Dasgupta Institut begab, geschah in ihrem Leben eine Tragödie. Angedeutet wird das schon früh, was genau es war, erfahren wir erst mit der Zeit, es soll hier nicht verraten werden. Als Beth zu erzählen beginnt, arbeitet sie bereits seit gut acht Monaten im Institut, als „Helferin“, die für die Meditierenden kocht und die Zimmer aufräumt. Das geschieht ohne Bezahlung, wie auch die Zivilisationsgeschädigten ihr zehntägiges Schweige-Retreat kostenlos antreten können, (doch ist dies verbunden mit der Bitte um eine Spende, die am Ende meist großzügig ausfällt). Weil es Beth langweilig wird, beginnt sie zu schreiben, was ebenso verboten ist wie reden, und liest heimlich im Tagebuch eines Mannes, das sie zufällig entdeckte, als sie unerlaubterweise im Männertrakt war. Mit zwei einfachen dramaturgischen Tricks hat Parks die Ingredienzien zusammen, die er für seine Geschichte braucht: eine ziemlich lässige Erzählerin, in deren Körper er sich offenbar gerne einfühlt – bis hin zur Furcht, im falschen Moment zu menstruieren und peinliche Flecken zu hinterlassen –, und einen reichlich verkopften Mann, dessen gleichermaßen eitle wie selbstquälerische Aufzeichnungen sie mitliest und spöttisch kommentiert an den Leser weiterreicht.
  So erfahren wir, wie es in einem solchen Retreat zugeht: Wie die zum Schweigen Entschlossenen bei der Ankunft ihre persönlichen Gegenstände in Schließfächern verstauen, dann in einen Raum gelangen, in den flugs eine Zwischenwand geschoben wird, um Männer und Frauen zu trennen. Nur Paare rebellieren manchmal. Immerhin meditiert man gemeinsam, wenn auch auf die beiden Hälften der Halle verteilt. Handys, Laptops und dergleichen sind selbstverständlich verboten, wie jeder Kontakt zur Außenwelt. Die einzigen Botschaften, die das Ohr erreichen, stammen von den Lehrern und natürlich vom längst verstorbenen Guru, dessen Stimme auf einer CD verewigt wurde. Wer je einen Yoga-Kurs besucht hat, weiß, dass die Anweisungen die Intelligenz beleidigen und trotzdem wirken, sobald man den kritischen Geist wenigstens kurzfristig ins Nirvana schickt. Die seltsamen Gleichnisse, mit denen die Lehrer in speziellen Fragestunden auf ihre Schüler eingehen, sind ebenso komisch wie der ganze Roman.
  Er lebt davon, dass wir alles durch den Filter seiner lebensfrohen Hauptfigur sehen, und dass „Mr. Tagebuchschreiber“, wie sie ihn nennt, ein echter Skeptiker ist, der die Lehren des Gurus auf ihre philosophische Tauglichkeit prüft. Er ist Verleger eines auf die Insolvenz zusteuernden Kleinverlags und kommt während des Retreats auf eine neue Geschäftsidee, mit der sich die Überproduktion auf dem Buchmarkt eindämmen ließe: Man sollte Autoren Verträge anbieten, in denen sich der Verlag dazu verpflichtet, ihr Werk lebenslang vor Veröffentlichung zu schützen. Eine aparte Idee – auch wenn es zumindest um dieses Buch schade wäre. „Sex ist verboten“ erzählt auf höchst unterhaltsame Weise vom Dilemma des modernen Menschen, der keinen Ausstieg aus der Spirale der Überforderung findet. Alles, was man tun kann, ist kompensatorisch und letzten Endes auch lächerlich, weil es auf Selbstbetrug beruht. Wenn die Schweigenden nach zehn Tagen endlich wieder reden dürfen, platzt es aus ihnen heraus: „So viel Nonsens habe ich mein Lebtag noch nicht gehört“, sagt eine Frau, „Karma-Nonsens, Reinkarnations-Nonsens, Nirvana-Nonsens“. Da ist es also wieder, das „dicke fette Ego“, das man zehn Tage lang weggedrückt hat. Und doch werden die meisten wiederkommen, um wenigstens für ein paar Tage von Ansprüchen und Meinungen frei zu sein.
Sein Hobby kann ein
Autor aufgeben –
aber das Schreiben?
Der Guru ist längst tot,
hat aber zum Glück
auf einer CD überlebt
Da hilft alle Vitalität nichts, der Ich-Erzählerin ist Sex verboten – also beginnt sie zu schreiben.
FOTO: PICTURE ALLIANCE / DPA-TMN
  
  
  
Tim Parks: Sex ist
verboten. Roman.
Aus dem Englischen
von Ulrike Becker.
Verlag Antje Kunstmann,
München 2012.
336 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Sehr eingenommen ist Rezensentin Nina Pauer für Tim Parks neuen Roman "Sex ist verboten". Einmal mehr beweise der Autor sein Talent, ebenso intim und subtil wie unmittelbar und humorvoll zu erzählen, lobt die Kritikerin, die Parks Heldin Elisabeth nach einem vergeblichen Selbstmordversuch in ein Regenerationszentrum folgt. Bei endlosen Meditationen und dem Versuch, das vom Institut vorgeschriebene Sex-Verbot einzuhalten, so Pauer, kämpft sie gegen die Gedanken an ihre missglückten Beziehungen, die gescheiterte Musikkarriere und die Suche nach sich selbst, um schließlich doch festzustellen, dass sie ein Gegenüber braucht, um sich weiterzuentwickeln. Diese "emotionale" Biografie, die große Verzweiflung und innere Ruhe meisterhaft vereine, hat die Rezensentin nicht nur bestens unterhalten, sondern auch nachhaltig beeindruckt.

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